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"Der Prozess der EU-Assoziierung lässt sich nicht mehr umkehren"

6. April 2006

Albaniens Parlamentspräsidentin Jozefina Topalli hat am 4. und 5. April Berlin besucht. Im Interview mit DW-RADIO erklärt sie, wie wichtig die EU-Annäherung ihres Landes ist.

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Jozefina Topalli mit ihrem deutschen Amtskollegen Norbert LammertBild: Deutscher Bundestag

DW-RADIO/Albanisch: Albanien möchte in die EU aufgenommen werden. Die Angleichung an den Acquis Communitaire ist eine große Aufgabe, besonders auch für das Parlament. Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Jozefina Topalli: Vor einem Monat haben wir das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen auf den Weg gebracht. Dies war natürlich auch ein Vertrauensbeweis und zeigt auch einen politischen Willen, etwas fortzusetzen, was Monate zuvor begann. Wir denken und wünschen uns, dass im Laufe der österreichischen Präsidentschaft dieses Abkommen auch unterschrieben wird. Das heißt für Albanien, dass ein neues Kapitel aufgeschlagen wird. Das bringt neue Herausforderungen für die Regierung, aber auch das Parlament steht vor einer außergewöhnlichen Herausforderung. Es ist nötig, mit sehr fähigen Juristen and der Anpassung der Gesetzgebung zu arbeiten. Dabei geht es um Zehntausende Seiten von Gesetzestexten, die übersetzt, adaptiert, verabschiedet und diskutiert werden müssen. Das ist eine sehr umfangreiche Aufgabe, die ein hohes Maß an Professionalität von den Parlamentsmitarbeitern verlangt. Dies muss komplementär mit der Arbeit der Regierung zur Erfüllung anderer Standards geschehen, die in diesem Prozess erwartet werden. Es ist ein Prozess, von dem wir erwarten, dass wir mit Engagement, Arbeit auch einen erfolgreichen Abschluss verdienen.

Es wachsen aber Stimmen in der EU, die gegenüber einer Erweiterung auf den Westbalkan kritisch sind. Wie nehmen Sie diese Debatte war?

Natürlich versuchen wir die Differenzen zu verstehen, die zwischen den Staaten der EU bestehen. Wir versuchen auch, die Ermüdung zu verstehen, die in diesen Ländern im Laufe der letzten Erweiterungsrunde eingetreten ist. Dennoch enthält die letzte Erklärung beim informellen Treffen von Salzburg zwei Aspekte, die es wert sind, diskutiert zu werden: Erstens, dass Europa ohne den Westbalkan nicht komplett ist. Dies war eine Erklärung, der alle Außenminister zugestimmt haben, darunter auch die Außenminister der Westbalkanstaaten. Das zweite war der Satz, dass Bulgarien und Rumänien, aber auch Kroatien eventuell erst später Mitglieder werden können. Das hat mit der Absorptionsfähigkeit der EU zu tun. Wir als Albaner sind in den letzten fünfzehn Jahren einem Traum hinterhergelaufen. In dieser Zeit hat vor allem Deutschland, haben aber auch andere Staaten sehr viel in Albanien und die anderen Staaten des Balkan investiert. Nach fünfzehn Jahren der wirtschaftlichen und finanziellen Unterstützung hat es die Europäische Union geschafft, den Balkan zu einer friedlichen und stabilen Region zu machen, in der gute nachbarschaftliche Beziehungen herrschen. Wenn wir jetzt aber einem Projekt hinterhergelaufen sind, und das ist der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess, dann fällt es schwer, sich vorzustellen, dass der Prozess sich verzögern könnte.

Was würde es für die Albaner bedeuten, wenn die Erwartungen auch langfristig enttäuscht würden?

Das hätte politische und finanzielle Konsequenzen, die nicht nur für Albanien unvorhersehbar wären, sondern auch für die Nachbarstaaten Albaniens, in die auch Deutschland investiert hat. Aber ich glaube nicht, dass sich dieser Prozess noch umkehren lässt. Ich bin sehr optimistisch und gehe davon aus, dass wir noch in der Zeit der österreichischen Präsidentschaft, das Abkommen unterzeichnen werden. Es gab auch in den letzten Jahren solche Debatten und es handelt sich um einen Prozess der im Gange ist.

Eine Aussage des Außenministers Besnik Mustafaj hat in der EU und auch in Deutschland starke Verunsicherung hervorgerufen. Er hatte in einem Fernsehstreitgespräch einen Zusammenhang mit dem Szenario einer Teilung des Kosovo und der Idee einer Teilung Mazedoniens hergestellt. Wie haben Sie diese Debatte wahrgenommen?

Ich denke, dieser Fall ist abgeschlossen. Es war eine Fehlinterpretation. Die Aussage war aus dem Kontext genommen worden und ich denke, dass die Pressesprecherin von Olli Rehn darauf die beste Antwort gegeben hatte. Für uns ist die Frage abgeschlossen und auch für die Vertreter der internationalen Gemeinschaft, gegenüber denen wir die Gelegenheit hatten, dieses Missverständnis zu erklären.

Hat Mazedonien also nicht zu befürchten, dass Albanien dessen Grenzen in Frage stellt?

Albanien hat in dieser Periode mit allen Regierungen der Nachbarstaaten eine sehr konstruktive Rolle gespielt. Wir haben insbesondere in der Kosovofrage ein niedriges Profil bewahrt, und das ist auch gut so. Aber um den endgültigen Status des Kosovo zu erreichen, wurde von uns eine klare Botschaft gesendet. Und diese heißt: Unverletzlichkeit der Grenzen, keine Rückkehr [zu der Situation von vor 1999], Dezentralisierung und Schutz der Minderheiten.

Das Interview führte Fabian Schmidt
DW-RADIO/Albanisch, 5.4.2006, Fokus Ost-Südost