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Poker um die Macht in Portugal

Jochen Faget, Lissabon5. Oktober 2015

Die rechtsliberale Regierung hat bei der Wahl in Portugal die absolute Mehrheit verloren, bleibt aber stärkste Kraft. Die Regierungsbildung wird schwierig, der Sparkurs steht infrage. Von Jochen Faget, Lissabon.

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Portugals Parlament in Lissabon - Foto: Tim Brakemeier (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/T. Brakemeier

Dreißig Minuten vor Mitternacht am Sonntagabend war es endlich so weit: Strahlend verkündete Portugals amtierender Ministerpräsident Pedro Passos Coelho vor seinen jubelnden Anhängern, er werde weiterregieren: "Wir werden dem Präsidenten mitteilen, dass die politische Kraft, die bei den Wahlen die meisten Stimmen bekommen hat, bereit ist, ihre Verantwortung zu übernehmen und die Regierung zu bilden."

Premierminister Pedro Passos Coelho - Foto: José Sena Goulão (EPA)
Ministerpräsident Passos Coelho: "Bereit, Verantwortung zu übernehmen"Bild: picture-alliance/dpa/J. S. Goulao

Doch ganz einfach dürfte das nicht werden. Passos Coelhos rechtsliberales Bündnis "Portugal vorne", dass aus den beiden Parteien PSD und CDS-PP besteht, hat zwar die Parlamentswahlen in Portugal gewonnen: Es ist mit 38,6 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen die stärkste Kraft im neuen Abgeordnetenhaus. Aber Passos Coelho hat nun keine absolute Mehrheit mehr. Er ist auf einen weiteren Partner oder eine Tolerierung durch die Opposition angewiesen.

Platz zwei belegt mit 32,4 Prozent die Sozialistische Partei (PS), die damit ihr Wahlziel zunchst verpasst hat, den nächsten Regierungschef zu stellen. Der Linksblock "Bloco de Esquerda" konnte mit zehn Prozent seinen Stimmanteil fast verdoppeln, die Kommunisten erreichten wieder acht Prozent. Die Parlamentsmehrheit haben damit die drei linken Oppositionsparteien, die ein Ende der strengen Sparpolitik in Portugal fordern.

Portugiesen wählen Mittelweg

Die Portugiesen, auch wenn nur 57 Prozent von ihnen zur Wahl gingen, haben sich wieder einmal für einen Mittelweg entschieden: Einerseits bekam die Regierung für ihre Sparpolitik einen Schuss vor den Bug, ohne komplett abgestraft zu werden. Andererseits verweigerten die Wähler auch den Sozialisten, die den Bürgern wieder mehr Geld geben wollen, die Mehrheit.

Schließlich, so denken viele, haben die Sozialisten, als diese noch an der Macht waren, dem Land erst die Rosskur der Troika eingebrockt. Um eine Staatspleite abzuwenden, hatten EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) Portugal 2011 ein striktes Sanierungsprogramm verordnet, das erst im vergangenen Jahr zu Ende gegangen ist.

Regierung und Sozialisten müssen verhandeln

Portugal dürfte vor einer schwierigen Regierungsbildung stehen. Zwar haben es alle drei Linksparteien zunächst abgelehnt, eine rechtsliberale Minderheitsregierung unter Pedro Passos Coelho zu tolerieren. Der Ministerpräsident scheint aber darauf zu setzen, die Sozialisten als Unterstützer zu gewinnen.

Die Regierungskoalition hat bereits angekündigt, sie werde auf die PS zugehen. Passos Coelho deutete noch in der Wahlnacht mögliche Steuersenkungen an. Einzige Bedingung: Die Sozialisten müssten sich zu Europa und zu den Euro-Regeln bekennen - das tun sie ohnehin. Sozialistenchef António Costa allerdings will mehr: ein gutes staatliches Gesundheitssystem, einen besseren Sozialstaat und mehr Bildung und Wissenschaft.

Sozialistenchef António Costa - Foto: Mário Cruz (EPA)
Sozialistenchef Costa: Besseres Gesundheitssystem, mehr Bildung und WissenschaftBild: picture-alliance/dpa/M. Cruz

Bleibt abzuwarten, ob und wie die beiden Kontrahenten sich da einigen werden - zudem Costa damit drohen kann, auch eine Regierung mit Linksblock und Kommunisten zu bilden. Dann müssten Pedro Passos Coelho und "Portugal vorne" auf die Oppositionsbank. Doch ob sich die drei Linksparteien auf eine Koalition einigen könnten, scheint ebenfalls fraglich - zu unterschiedlich sind deren Ansichten in Sachen Euro und Sparpolitik.

Das nächste Wort hat jetzt erst einmal der Präsident: Aníbal Cavaco Silva wird alle Parteien einladen und sich deren Wahlanalyse anhören. Erst danach dürfte er Pedro Passos Coelho den Auftrag erteilen, eine neue Regierung zu bilden. Die muss dann als erstes den Haushalt für 2016 erstellen und ihn durchs neue Parlament bringen.

Arbeit am gestrichenen Feiertag

Also werden ab sofort die Drähte in den Lissabonner Parteizentralen glühen und erste Sondierungsgespräche stattfinden. Um die Regierungsbildung zu unterstützen, hat Präsident Cavaco Silva vorsichtshalber seine Teilnahme an den Feierlichkeiten zum Tag der Republik an diesem Montag abgesagt.

Pikantes Detail: Die jetzige Regierung hat diesen Feiertag im Rahmen des Sparprogramms unter größten Protesten offiziell abgeschafft, alle Oppositionsparteien wollen ihn so schnell wie möglich wieder einführen. Vielleicht ist das ja schon ein Teil der Einigung, die den Weg für eine Regierungsbildung ebnen könnte - dann wäre der 5. Oktober schon im nächsten Jahr wieder arbeitsfrei für die Portugiesen.