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Der personifizierte Unilateralismus

Daniel Scheschkewitz, Washington10. März 2005

US-Präsident Bush hat den Außenpolitiker John Bolton als neuen Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen nominiert. Bolton gilt als Neokonservativer und knallharter Verfechter amerikanischer Interessen.

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Daniel Scheschkewitz

Chas Freedmann, unter Bushs Vater US-Botschafter in Saudi Arabien, hielt einen zündenden Vergleich parat. Anstatt Bolton zum UN-Botschafter zu machen, hätte Bush ebenso gut eine Neutronenbome auf das UN-Hauptquartier in New York abwerfen können. Der Hardliner Bolton, der derzeit im US-Außenministerium für Abrüstungsfragen zuständig ist, hat sich in den vergangenen Jahren einen Ruf als erbarmungsloser Kritiker der UN und anderer multilateraler Organisationen entwickelt. In einem Kommentar des "Wallstreet Journals" bezweifelte Bolton noch 1997, ob die USA überhaupt verpflichtet seien für die Vereinten Nationen Beiträge zu entrichten, und drei Jahre später bezeichnete er den Internationalen Strafgerichtshof als den "gefühlsgesteuerten Versuch ein abstraktes internationales Justizsystem zu kreieren, dass bedeutungslos sei und jeder vernünftigen Form internationale Krisenbewältigung zuwider laufe".

Als UN Botschafter wird Bolton neben dem Vertreter Chinas im Sicherheitsrat sitzen. Dort hat sich der kernige Diplomat schon 1999 unbeliebt gemacht als er in der Postille der US- Neokonservativen, dem "Weekly Standard" die diplomatische Anerkennung Taiwans forderte, obwohl dies für die Volksrepublik einen Kriegsgrund dargestellt hätte.

In hoher Wertschätzung gehalten wird Bolton auch in Nordkorea. Vertreter des Regimes bezeichneten ihn kürzlich als "menschlichen Abschaum". Genau der richtige Mann, jubelt die republikanische Rechte in Washington, um den Schurkenstaaten dieser Erde im Weltsicherheitsrat die Leviten zu lesen.

Boltons Auffassungen über die UN lassen auch wenig Gutes für die Aspirationen Deutschlands und anderer Staaten erwarten, die über eine UNO-Reform in den Kreis der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates vordringen wollen. In einem Radiointerview im Jahr 2000 vertrat Bolton die Auffassung, am besten wäre es, wenn der Sicherheitsrat nur ein Mitglied hätte, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika. Das würde die realen Machtverhältnisse am besten reflektieren.

Nun mag sich die Welt inzwischen auch für John Bolton verändert haben. Vor dem US-Senat steht ihm ein sicherlich kontroverses Nominierungsverfahren bevor. Bolton könnte sich gezwungen sehen, die Charmeoffensive, die sein Herr und Meister Bush vor kurzem gegenüber den Europäern spielte, einmal vor den US-Senatoren zu probieren. Prominente republikanische Senatoren wie Richard Lugar oder Chuck Hagel haben bereits vorsichtig ihre Bedenken gegen Bolton zum Ausdruck gebracht. Kommt er durch, könnte sich Präsident Bush zu weiteren kontroversen Personalvorschlägen ermutigt sehen. Paul Wolfowitz etwa als Chef der Weltbank oder wie wäre es mit Donald Rumsfeld als neuem Autor der Genfer Kriegsrechtskonvention?