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Der Lord im Kreuzverhör

2. Dezember 2015

Der IAAF-Präsident verspricht die Systeme im Internationalen Leichtathletikverband zu verbessern. Eigene Fehler gesteht Sebastian Coe in der Anhörung vor dem britischen Parlament aber nicht ein.

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Lord Sebastian Coe
Bild: picture alliance/empics/M. Rickett

Als ehemaliger Mittelstreckenläufer geht Sebastian Coe selten die Puste aus. Bei der rund einstündigen Anhörung im britischen Parlament strauchelte der Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF) zwar einige Male, aber: er stürtze nicht. Zwölf Abgeordnete nahmen Coe ins Kreuzverhör: Sie hatten gefragt, wie er sich einen sauberen Sport vorstelle, ob sein Verband sich in den vergangenen Jahren denn genug angestrengt habe im Kampf - aber am Ende redete sich der gewiefte Taktiker vor dem Komitee für Medien, Kultur und Sport immer wieder raus.

"Nein", der Leichtathletik-Weltverband sei nicht korrupt, wiegelte Coe kategorisch ab: "Es gibt schwerwiegende Anschuldigungen, aber die IAAF ist nicht korrupt. Wenn Sie sagen, dass in der IAAF Doping akzeptiert wird, kann ich das nicht akzeptieren." Coe präsentierte sich, wie sonst auch gerne, als der große Retter der Leichtathletik. "Es wäre falsch zu sagen, wir würden Betrüger nicht verfolgen", so der zweimalige Olympiasieger über 800 und 1.500-Meter und versicherte, auch in seinen acht Jahren als Vize-Präsident unter dem zweifelhaften Lamine Diack stets "schwierige Fragen" gestellt zu haben. Doch konkreten Nachfragen wich der 59-Jährige immer wieder aus - stattdessen verlor er sich in Allgemeinplätzen.

Keine strafrechtliche Verfolgung von Dopingsündern

"Sind unsere Systeme perfekt? Ich bin sicher, sie sind es nicht. Werden wir sie verbessern? Ja", sagte Coe, der angesichts des grassierenden Dopingskandals in der internationalen Leichtathletik ins Parlament zitiert wurde: "Wenn wir das nicht tun, gibt es kein Morgen für meinen Sport." Trotz aller Beteuerungen, im Anti-Doping-Kampf endlich durchgreifen zu wollen, sprach sich Coe gegen die strafrechtliche Verfolgung von Dopingsündern aus. Er sei "besorgt", Athleten zu "kriminalisieren", sagte der Brite: "Letztlich denke ich, dass es besser ist, sportliche anstatt strafrechtliche Sanktionen zu haben."

Zuletzt hatte der Bundestag für Deutschland ein Anti-Doping-Gesetz beschlossen. Die neuen Regeln sehen vor, Doper und ihre Hintermänner ab dem 1. Januar 2016 gegebenenfalls mit hohen Haftstrafen zu belangen - von bis zu drei Jahren. Stattdessen stellte Coe mehr Geld für den Kampf gegen die Betrüger in Aussicht. "Ich möchte einen Sport, dem man wieder trauen kann. Aber die Rückgewinnung von Vertrauen ist ein langer Weg", sagte der Doppel-Olympiasieger über 1500 m. Wenn nötig, werde das jetzige Budget von rund 5,7 Millionen Euro für den Anti-Doping-Kampf verdoppeln.

Für seine umstrittene Wortwahl, die Enthüllungen der ARD und der Sunday Times über verdächtige Blutproben seien eine "Kriegserklärung" an den Sport, wollte sich Coe nicht entschuldigen. "Ich bleibe dabei", sagte er. Aber: "Ich hätte wahrscheinlich eine andere Sprache wählen sollen." Laut Coe sei die Aussage keine Attacke auf die Medien gewesen.

Ein Konflikt ist ein Konflikt ist ein Konflikt

Staatlich gestütztes Doping in Russland, womöglich weit verbreiteter Betrug und Korruption in Kenia - die Leichtathletik befindet sich in der tiefsten Krise ihrer Geschichte. Eine "Horror-Show" wie Coe zugab. Und er versuchte Härte zu demonstrieren. Der suspendierte russische Verband kehre erst in die IAAF zurück, wenn er sein System reformiert habe. Er werde "alles dafür geben, die sauberen Athleten zu schützen", sagte Coe.

Heute tat Coe alles, um sich zu schützen. So auch bei der Frage warum ihm Ausrüster Nike bis zuletzt ein sechsstelliges Jahreshonorar überwies, während Coe dem Leichtathletik-Verband vorstand, als Präsident oder Stellvertreter. Coe bekräftigte, dass ein Interessenskonflikt nur dann vorliege, wenn er im Verborgenen schlummere. "Sie wissen schon", sagte der Abgeordnete Jesse Norman, "dass ein Interessenskonflikt auch dann ein Konflikt bleibt, wenn man ihn öffentlich macht?" Nein, das fand Coe nicht. Obwohl die BBC zuletzt eine Mail veröffentlicht hatte, die nahelegte, dass Coe bei Diack dafür geworben hatte, die WM 2021 ohne Bieterverfahren Eugene zu geben - jene amerikanische Kleinstadt, die mit Nike verwoben ist.

saw (dpa, sid)