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Berlin in der Finanzkrise

Peter Stützle17. Oktober 2008

Wer nichts hat, kann nichts verlieren. Die deutsche Hauptstadt wäre gerne so reich wie London oder Paris - aber sie ist es nicht. Jetzt, in der Finanzkrise ist das ein Segen. Noch!

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Bild: DW
Fernschreiber Autorenfoto, Peter Stützle
Peter Stützle, Berlin

Eines ist in Berlin so wie überall: Viele Bürger mussten entsetzt feststellen, dass ihre von Bankberatern empfohlenen, angeblich todsicheren Geldanlagen so sicher nicht sind. Für die Betroffenen kann das viel Geld sein, auch wenn es sich selten um die ganz großen Beträge handelt. Denn in Berlin gibt es viel weniger Reiche und noch weniger Superreiche als in anderen deutschen und europäischen Großstädten. Berlin kokettiert gerne damit - etwa wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagt, Berlin sei "arm, aber sexy". Aber eigentlich wäre man schon gerne wie London oder Paris.

Dorthin führt allerdings kein Weg für Berlin. Die meisten Großkonzerne waren nach Krieg und Teilung in andere Städte abgewandert - Siemens zum Beispiel nach München. Zurück blieben ihre Fabriken, die mit reichlich Fördermitteln der Bundesregierung am Leben erhalten wurden. West-Berlin galt zu Mauerzeiten als verlängerte Werkbank der Bundesrepublik Deutschland. Die Zentralen, wo das richtig große Geld verdient wird, waren und sind anderswo. Der einzige größere Konzern, der über die Mauerzeiten hinaus in Berlin geblieben war, das Pharma-Unternehmen Schering, ist mittlerweile vom Bayer-Konzern in Leverkusen geschluckt worden.


Berlin war nie Finanzzentrum


Ein Banken- und Versicherungszentrum, so wie es London für Großbritannien und Paris für Frankreich ist, war Berlin im föderalen Deutschland sowieso nie. Nach dem Krieg etablierte sich Frankfurt als wichtigstes Finanzzentrum der Bundesrepublik, aber auch andere Städte behielten eine bedeutende Rolle. Die unmittelbaren Folgen der Krise der Finanzwirtschaft halten sich daher für Berlin sehr in Grenzen. Das ist zwar kein Trost für die einfachen Bürger, die ihre Altersrücklagen dahinschmelzen sehen, aber für die politisch Verantwortlichen der Stadt.


Und noch eine Sorge bleibt der Bundeshauptstadt erspart. Zwar hatte sich Berlin in seiner Eigenschaft als Bundesland, so wie andere auch, eine Landesbank geschaffen. Aber die stand schon vor Jahren wegen Misswirtschaft und politischem Filz am Rande der Pleite. Mit schmerzhaften Maßnahmen konnte die Berliner Landesregierung den völligen Zusammenbruch abwenden - und erhält jetzt den Lohn dafür. Denn anders als beispielsweise die einst reiche Bayerische Landesbank hatte die angeschlagene Landesbank Berlin schlicht kein Geld übrig, um in Hedge Fonds und andere windige Finanzkonstrukte zu investieren. Und so bleiben der Landeskasse nun teure Rettungsaktionen erspart.


Immobilienpreise brechen ein


Eine Folge aber hat die Finanzkrise für Berlin schon jetzt. Weil die meisten Berliner kein hohes Einkommen haben, können sie auch keine hohe Miete für ihre Wohnungen zahlen. Daher kann man Mietshäuser in Berlin auch viel billiger kaufen als in London oder Paris, denn sie bringen ja nicht so hohe Einnahmen. Investoren aus aller Welt hielten daher Berliner Immobilien für Schnäppchen und kauften sie, vor allem in den letzten zwei, drei Jahren, in großem Stil auf - und zwar mit geliehenem Geld. Nun aber stellen die Investoren fest, dass die erhofften Renditen nicht zu erzielen sind. Ihre Kredite aber müssen sie zurückzahlen und sich dafür oft von den eben erworbenen Objekten wieder trennen. Die Folge: Größere Berliner Immobilien sind innerhalb einiger Monate um bis zu 50 Prozent ihres Wertes gefallen.


Drohende Rezession


Dem durchschnittlichen Berliner kann das erst mal herzlich egal sein. Allerdings könnte ihn die Krise doch noch einholen. Wenn nämlich Deutschland in die Rezession rutschen sollte, sind auch in Berlin viele Arbeitsplätze in Gefahr - im BMW-Motorradwerk in Spandau zum Beispiel oder im Mercedes-Werk in Marienfelde. Und weil Berlin ohnehin schon einen deutschen Spitzenplatz bei der Arbeitslosigkeit einnimmt, dürfte es für diese Menschen schwer werden, einen neuen Job zu finden. Dann droht es abwärts zu gehen mit Berlin. Dass sich die Bürger darum sorgen, das kann man spüren, wenn man in diesen Tagen mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt geht.