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Der lange Abschied des Mr. Euro

7. Februar 2002

Der erste Präsident der Europäischen Zentralbank gibt sein Amt im nächsten Jahr auf. Geht Wim Duisenberg freiwillig oder reagiert er auf politischen Druck?

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Der Währungshüter und die neue WährungBild: EZB

Nach der Rücktrittsankündigung des ersten Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Wim Duisenberg, ist die Debatte um die Hintergründe seines Abgangs und seine Nachfolge entbrannt. Zuvor hatte die EZB am Donnerstag in Frankfurt mitgeteilt, dass Duisenberg am 9. Juli 2003 zurück tritt. In Anbetracht seines Alters wolle Duisenberg nicht die volle Amtszeit von acht Jahren als Präsident der EZB ableisten. Am Tag des geplanten Rücktrittes feiert Duisenberg seinen 68. Geburtstag. Er ist seit Juni 1998 EZB-Präsident.

Kein Kommentar

In ersten Reaktionen äußerten sich die deutsche und französische Regierung zurückhaltend. "Das ist seine persönliche Entscheidung, die man respektieren muss", sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums in Berlin. "Wir kommentieren sie nicht." Zu möglichen Nachfolgern wollte der Sprecher nichts sagen: Diese Frage "diskutieren wir nicht in der Öffentlichkeit", sagte er. Auch der französische Finanzminister Laurent Fabius lehnte einen Stellungnahme zum angekündigten Rücktritt Duisenbergs ab. Er sagte lediglich, dies sei für ihn "keine Sensation". Die EU-Kommission kommentierte die Rücktritts-Ankündigung ähnlich zurückhaltend. Duisenberg sei ein Mann, "der seine persönliche Verpflichtung respektiert", erklärte ein Sprecher von EU-Währungskommissar Pedro Solbes in Brüssel.

Frühzeitiger Abgang

Wim Duisenberg, wird fast drei Jahre vor Ablauf seiner Amtszeit zurücktreten. Bereits bei seinem Amtsantritt 1998 hatte der frühere niederländische Finanzminister und Notenbankchef erklärt, auf Grund seines Alters nicht für die volle Amtszeit von acht Jahren als EZB-Präsident zur Verfügung zu stehen. Seine jetzige Entscheidung sei vor diesem Hintergrund zu sehen, betonte die EZB.

Belastung für EZB

Nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten könnte die frühzeitige Bekanntgabe des Rücktritts das Ansehen der EZB belasten. "Die Ankündigung bestätigt, dass es eine Vereinbarung über die Länge der Amtszeit gab", sagte Thomas Meyer, Volkswirt bei Goldman Sachs. "Dies ist bedauerlich, da es einen Schatten auf die Unabhängigkeit der EZB und des EZB-Rats wirft." Auch Volker Nitsch von der Bankgesellschaft Berlin zeigte sich vom langfristig angekündigten Rücktritt überrascht. "Unter dem Strich ist der Schritt schade, weil Duisenberg damit nicht dem Geist des Maastrichter Vertrags entspricht. Er war für acht Jahre ernannt und ist jetzt ein Präsident auf Abruf", sagte Nitsch. Duisenberg habe zuletzt an Ansehen gewonnen, weil er sich "dem 'gentleman's agreement' mit den Franzosen widersetzt hatte. Die Ankündigung ist daher schade und enttäuschend. Es ist naheliegend, dass Duisenberg damit dem Druck der Franzosen nachgibt."

Nachfolge als Dauerthema

Über einen vorzeitigen Rücktritt Duisenbergs hatte es wiederholt Spekulationen und auch Streit gegeben. Zuletzt hieß es Ende Januar in Presseberichten, dass die französische Regierung auf eine rasche Entscheidung dränge und der 66-jährige Niederländer das Datum für seinen Abtritt noch vor dem EU-Gipfel Mitte März in Barcelona bekannt geben solle. Frankreich hatte der Ernennung Duisenbergs im Mai 1998 nur unter der Bedingung zugestimmt, dass dieser nach der Hälfte seiner Amtszeit einem französischen Kandidaten Platz macht. Konkrete Termine wurden jedoch nicht festgelegt. Duisenberg hatte jedoch immer wieder darauf gepocht, selbst das letzte Wort über die Dauer seiner Präsidentschaft zu haben.

Angeschlagener Favorit

Als heißer Kandidat für die Nachfolge Duisenbergs gilt seit Jahren der Franzose Jean-Claude Trichet. Aber seine Kandidatur steht auf wackligen Beinen, denn sein Name ist nicht nur mit dem harten Franc, sondern auch mit dem größten Bankenskandal der französischen Nachkriegsgeschichte verbunden: der Milliardensanierung der Großbank Crédit Lyonnais durch den französischen Steuerzahler. (mik)