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Der Ladendieb aus dem Weißen Haus

Stephan Bachenheimer16. März 2006

Was wäre Washington ohne seine Skandale: Präsidenten kommen und gehen, die Skandale bleiben. In diesen Tagen gibt es ein neues Gesprächsthema auf Washingtons Dinnerparties: die Moral der republikanischen Partei.

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Viele republikanische Politiker verstehen sich als Hüter von Recht und Moral: Claude Allen zum Beispiel, bis vor kurzem der innenpolitische Berater des Präsidenten. In seiner Karriere erwarb der Jurist den Ruf der Unbeugsamkeit: einem Vergewaltigungsopfer verweigerte er einst im Namen des Staates Virginia die medizinische Beihilfe für eine Abtreibung. Allen hat eine Bilderbuchkarriere hinter sich: aus dem schwarzen Ghetto Washingtons zum studierten Juristen, Wahlkampfhelfer, Job im Senat, dann Minister und schließlich Bush-Berater mit 161.000 Dollar Jahresgehalt.

Auf Bildern war der religiöse und stockkonservative Familienvater oft neben Bush zu sehen. Bis er vor kurzem von der Polizei festgenommen wurde. Wegen 25fachen Ladendiebstahls und Betrugs. Allen war in Kaufhäusern aufgefallen, wo er teure Waren einkaufte. Später ging er mit dem Kassenbon zurück ins Geschäft, nahm sich dieselben Gegenstände aus dem Regal und ließ sich dafür an der Umtauschkasse das Bargeld zurückgeben. Alles festgehalten auf Überwachungsvideos.

Moralisch flexibel

Auch Randy Cunningham galt bis vor kurzem als ehrwürdiger republikanischer Politiker. Ein Kongressabgeordneter der sich für Recht und Ordnung einsetzte, für neue Waffen und härtere Strafen für Kriminelle. Bei der Rüstungslobby zeigte Cunningham sich moralisch flexibel. Der Vietnamveteran ließ sich von Firmen einen Rolls Royce und eine 145.000-$-Yacht schenken, ein befreundeter Unternehmer kaufte Cunninghams Haus zum doppelten Marktwert. Das fiel den Nachbarn und einer Lokalzeitung auf. Der republikanische Volksvertreter muss für die Annahme von Bestechungsgeldern in Höhe von 2,4 Millionen Dollar nun acht Jahre im Gefängnis sitzen.

Moralische Erneuerung

Keine Frage: Dagegen verblasst der Haftbefehl gegen den Republikanerführer Tom Delay in einem Parteispendenskandal und der Geheimnisverrat, den die Staatsanwaltschaft beim früheren Stabschef von Vizepräsident Cheney ausgemacht hat. Es ist zu vermuten, dass manche Republikaner dankbar waren, dass kürzlich zur Abwechslung auch ein demokratischer Politiker vor Gericht stand. Marion Barry, früher Bürgermeister von Washington, hatte fünf Jahre lang keine Steuern bezahlt.

Das konservative Amerika hatte im Jahr 2000 zur moralischen Erneuerung nach der Ära Clinton aufgerufen. Schließlich hatte sich der Präsident einen Seitensprung im Oval Office erlaubt. Auf den Dinnerparties in Washington sind das heute die guten alten Zeiten.