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Der Konvent denkt

Alexander Kudascheff31. Juli 2002

Am europäischen Haus wird gebaut. Genauer gesagt: es wird an den Grundrissen und Grundlinien gezeichnet und gedacht. So mancher Berufs- und Amateureuropäer mag sich fragen: Jetzt erst?

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Schließlich gibt es in diesem Jahr schon 50 Jahre gemeinsame europäische Kohle- und Stahlpolitik. Schließlich gibt es die römischen Verträge seit 1957. Es gibt einen gemeinsame Währung, es gibt den Binnenmarkt, es gibt eine europäische Wettbewerbsordnung. Und wenn nötig, dann streitet die EU bei der WTO sogar an einer Seite des Tisches gegen andere.

Warum also wird nachgedacht? Weil das Haus demnächst aus allen Nähten platzt, wenn die EU auf 25 erweitert wird. Und weil die Architektur der Institutionen nicht mehr stimmt. Welche Rolle soll die Kommission spielen? Welche Rolle das Parlament? Welche Rolle der Rat? Soll der Kommissionspräsident demnächst direkt gewählt werden (statt ernannt zu werden) - vom Parlament oder gar vom europäischen Bürger? Brauchen wir ein oder gar zwei Parlamente?

Dissonanter Chor

Brauchen wir statt der Kommissare vielleicht einen Rat von Europaministern? Brauchen wir einen europäischen Präsidenten aus den Reihen der Staats- und Regierungschefs - und ganz eigen legitimiert? Wer soll für die europäische Außenpolitik sprechen? Und dann die zentralen Fragen: brauchen wir eine Verfassung? Wer entscheidet was in Europa? Und wie soll das Europa der 25 arbeiten - als Gemeinschaft von Nationalstaaten oder als europäische Gemeinschaft, die immer mehr nationale Souveränitätsrechte und Privilegien schluckt?

All diese Fragen debattiert zur Zeit ein Verfassungskonvent in Brüssel. Alle Fragen sind kontrovers. Alle Antworten sind zur Zeit dissonant. Und, so muss man hinzufügen, das ist gut so. Denn: Europa denkt über seine Grundlagen nach. Und ein Haus baut man von unten - nicht von oben, schon gar nicht mit Tabus.