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Der kleine virenfreie Blechkollege

Matilda Jordanova-Duda
8. März 2021

Cobots, kleine Roboter, die Hand in Hand mit menschlichen Kollegen arbeiten, sind anders als die mächtigen, hinter Schutzzäunen werkelnden Computer-Stahlarme noch ein Nischenmarkt. Das könnte sich in der Pandemie ändern.

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Roboter Hersteller Universal Robots
Bild: Universal Robots

Die Maschinenbauteile, die in Niederzissen in der Eifel entstehen, sind so komplex, dass die traditionelle Metallbearbeitung an ihre Grenzen kommt. Lightway 3D ist ein Spezialist für das Laser-Sintern, also den 3-D-Druck von Metallen. Corona brachte dem jungen Unternehmen ein riesiges Umsatzplus: 53 Prozent im Jahr 2020. Die vier Jahre zuvor gegründete Firma hat sechs Mitarbeiter und zwei Cobots, Leichtbau-Roboter, die zusammen mit den Menschen arbeiten.

"Wir wachsen stark, das geht nur mit Automatisierung", sagt Firmenchef Thomas Hilger. Die Roboter legen die gedruckten Bauteile in die computergesteuerten Anlagen zur Nachbearbeitung oder zur Laserbeschriftung. Bei diesen wiederkehrenden Tätigkeiten ersetzen sie die Menschen komplett: Das lohnt sich bereits bei einer Stückzahl ab zehn. Bei weniger Teilen wäre es noch zu aufwändig, die Roboter für die jeweilige Aufgabe zu programmieren und konfigurieren.

"Wir ersetzen keine Mitarbeiter, sondern wachsen quasi mit den Cobots: Wo Bedarf ist, setzen wir direkt auf die Automatisierung", sagt Hilger. "Wir haben extrem kurze Lieferzeiten: Die Cobots erlauben einen wesentlich höheren Auslastungsgrad. Ich richte den Roboter für 24 oder 48 Stunden ein, dann produziert er ohne Schwankungen durch." In der Pandemie zudem ideal: Der Cobot kann sich und oder die Kollegen nicht anstecken. Und Kurzarbeitergeld braucht er auch nicht. Falls er nichts zu tun hat, zieht man einfach den Stecker. Gerade in der Pandemie können die Cobots offenbar ihre Stärken ausspielen.

Lösung für Fachkräftemangel?

Lightway 3D beschäftigt hauptsächlich hoch Qualifizierte: "Alle Mitarbeiter werden gleich beim Bewerbungsgespräch gebrieft, dass sie mit solchen Systemen zusammenarbeiten werden. Sie haben keine Scheu, sondern sehen es als Chance", meint Hilger. 2020 wurden zwar auch zwei neue Mitarbeiter eingestellt, aber die Zahl der Beschäftigten hält nicht mit dem Umsatzwachstum Schritt. In diesem Jahr ist ein weiterer Cobot geplant.

"Individuelle Produktion und kurze Durchlaufzeiten sind für die Unternehmen mit 10, 20 oder 30 Mitarbeitern heute schon gang und gäbe, mit zunehmendem Fachkräftemangel aber immer schwerer durchzuhalten", sagt Olaf Gehrels. "Der vielversprechendste Lösungsansatz ist daher der Einsatz von Industrierobotern unterschiedlichster Art, und hier besonders innovative Technologien wie Leichtbauroboter und Cobots." Gehrels ist Sprecher des neugegründeten Deutschen Robotikverbands und will den Mittelständlern die kleinen Cobots schmackhaft machen. Gerade kleine und mittlere Industrieunternehmen (auch KMU genannt) und Handwerksbetriebe bräuchten einfache Lösungen, die sich schnell rechneten.

„Welchen Anwendungsfall habe ich?"

Weltweit wurden im Jahr 2019 nach Angaben des Branchenverbands IFR rund 355.000 konventionelle Roboter für die Produktion verkauft, aber nur 18.000 Cobots. Auch wenn der Anteil steigt.

Roboter Hersteller Universal Robots
Arbeiten mit Kollege Cobot - ein Exemplar vom Hersteller Universal RobotsBild: Universal Robots

"Es hat Gründe, warum gerade die KMU sich zurückhalten", sagt Sebastian Terstegen, Forscher beim Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa). "Der Preis ist relativ gering, aber der Aufwand, den Roboter in den Produktionsprozess zu integrieren, wird manchmal unterschätzt. Dann steht er ungenutzt herum. Das geschieht relativ häufig." Es sei wichtig, sich Hilfe bei Dienstleistern oder Hochschulen wegen der Sicherheitsvorkehrungen zu holen und sich genau zu überlegen: Welchen Anwendungsfall habe ich?"

"Die Cobots sind für die Kollaboration konzipiert: Eine Berührung ist möglich oder sogar erwünscht, um sie zu steuern und anzulernen", so der Ingenieur Terstegen. Daraus ergäben sich aber einige Einschränkungen: Sie dürften kein zu hohes Tempo draufhaben, nicht mit spitzen, heißen oder scharfkantigen Instrumenten hantieren oder schwere Lasten bewegen, um Menschen nicht zu verletzen. Dafür können sie vom Maschinenbediener auch ohne Programmierkenntnisse mit ein paar Handgriffen für den wechselnden Einsatz antrainiert werden. Die meisten können sich zudem an veränderte Arbeitsbedingungen anpassen, etwa wenn der Kollege das Bauteil nicht immer punktgenau positioniert.

Kraft versus Feingefühl

Beim Familienunternehmen EBG mit rund 450 Beschäftigten schrauben und bearbeiten Cobots bereits seit einigen Jahren Elektrotechnik-Komponenten. Es sind Arbeiten, die etwa das Handgelenk schnell müde werden lassen: Die neue Technologie hat die Produktivität nach Unternehmensangaben um 30 Prozent erhöht. Im Idealfall ergänzen sich Roboter und Mensch und spielen ihre jeweiligen Stärken aus: Der eine übernimmt die schweren oder die monotonen Arbeiten, der andere macht das, was Flexibilität und Feingefühl erfordert.

"Das Greifen ganz unterschiedlicher Objekte – von der großen Stange bis zum winzigen Schräubchen – ist für den Menschen einfach, für den Roboter schwierig. Dafür hat er kein Problem, beispielsweise viele Stunden am Tag Kisten in die oberen Regale zu hieven", erzählt Ulrich Reiser, Geschäftsführer von Mojin Robotics. Das Startup ist eine Ausgründung des Fraunhofer Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung und entwickelt den Kommissionierassistenten Luka, der seine Kollegen aus Fleisch und Blut beim Be- und Entladen von Material in der Fertigung unterstützen soll.

Firma Lightway 3D Roboter
Cobots anlernen ohne Programmierer zu sein? Ein Exemplar von Lightway 3D Bild: Lightway 3D

Angst vor Maschinen, die sich selbständig bewegen

Cobots sollen entlasten, doch sie stoßen sehr oft auf Ablehnung und Vorbehalte. "Menschen haben Angst vor Maschinen, die sich selbständig bewegen", sagt ifaa-Forscherin Nora Johanna Schüth. "Deshalb ist es wichtig, dass die Bewegungen langsam genug sind und den menschlichen ähneln, zum Beispiel eine Beschleunigungsphase haben. Und man muss den Mitarbeitern klar machen: Sie haben die Handlungshoheit und können die Maschine jederzeit stoppen."

Anstatt sie mit dem fertigen Roboter zu konfrontieren, sollte die Belegschaft möglichst stark in die gesamte Einführungsphase eingebunden werden, so die Arbeitspsychologin. Schüth empfiehlt den Betrieben, die Beschäftigten zu fragen, welche Aufgaben sie als körperlich zu schwer oder als langweilig empfänden und welche Körperhaltung ungünstig sei. Danach würde der Nutzen der Cobots für sie deutlicher. Schulungen, das Experimentieren mit einem Leih-Cobot sowie Pilotbereiche um Erfahrungen zu sammeln, erhöhten die Akzeptanz. Und bald hätten die Beschäftigten oft selbst viele praktische Ideen, wie man die neue Technik am besten einsetzen könnte.