1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Der Kandidat, der Europa irritiert

Carla Bleiker / cr22. Juli 2015

Laut Umfragen ist Donald Trump der Favorit unter den Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. In Europa wäre "The Donald" als Staatschef unvorstellbar. Hier werden andere Anforderungen an Politiker gestellt.

https://p.dw.com/p/1G2a5
USA Donald Trump Präsidentschaftswahl
Bild: Getty Images/C. Gregory

Donald Trump will US-Präsident werden. Was in amerikanischen Ohren lediglich ein wenig seltsam klingt, ist für die meisten Deutschen und Europäer unvorstellbar. Da ist jemand, der ohne jegliche politische Erfahrung das höchste Amt des Staates anstrebt, der öffentlich mit seinem Reichtum prahlt, der Witze über die Gefangenschaft von John McCain während des Vietnamkrieges macht. Die Europäer sind sprachlos: Die "ungeheuerlichste" politische Persönlichkeit Europas in jüngster Zeit war ein Finanzminister, der Motorrad fährt.

Warum ist Yanis Varoufakis so eine Absonderlichkeit in der europäischen Politik, während Donald Trump in Umfragen der Favorit unter den Kandidaten der Republikaner ist? Europäer und Amerikaner bewerten die Qualitäten ihrer Politiker unterschiedlich, sagt Christopher Cermak, US-Journalist beim Internet-Nachrichtenportal "Handelsblatt Global Edition" in Berlin. "Trump kommt aus der Privatwirtschaft und gilt als einer, der in der Politik die Wahrheit sagt“, sagt Cermak, der für die Deutsche Presseagentur über die US-Präsidentschaftswahlen 2008 berichtete. "Die Menschen in den USA lieben bunte Figuren. In Europa mag die Öffentlichkeit eher die etwas zurückhaltenden Politikertypen."

Kein durchschnittlicher Politiker

Donald Trump ist ohne Zweifel eine bunte Figur. Der Multimilliardär ist bekannt für seinen wirtschaftlichen Erfolg und für seine Reality TV-Show "The Apprentice", in der die Kandidaten einen mit 250.000 Dollar Jahresgehalt dotierten Job in einem seiner Unternehmen gewinnen können. Als Trump seine Präsidentschaftskandidatur in seinem protzigen "Trump Tower", einem Wolkenkratzer an New Yorks berühmter Fifth Avenue, verkündete, fuhr er mit einer Rolltreppe auf die Bühne.

Zurückhaltung in der Öffentlichkeit ist nicht seine Sache. Mit seinen Sprüchen ist er Liebling der Medien. Trumps Aussage, er besitze einen Gucci-Laden, der mehr Wert sei als der Präsidentschaftskandidat von 2012, Mitt Romney, gehört noch zu seinen harmloseren Sätzen. Kontroverser waren Trumps Einlassungen zu mexikanischen Einwanderern: "Sie bringen Drogen, sie bringen Kriminalität mit sich. Sie sind Vergewaltiger. Und einige, so vermute ich, sind gute Menschen", so der Immobilientycoon. "Eine Person wie Trump ist großartig für die Medien", sagt Christian Lammert, Professor für US-Politik am John F. Kennedy Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin. Cermak stimmt zu: "Trump sorgt für Schlagzeilen."

In Deutschland werde über Trump wegen seines bekannten Namens detaillierter als über andere Präsidentschaftsanwärter berichtet, sagt Lammert. Die einzigen Kandidaten, die es genauso häufig in die Schlagzeilen schaffen, sind Hillary Clinton und Jeb Bush - ebenfalls bekannte Namen in Deutschland.

USA Hillary Clinton Präsidentschaftskandidatin
Hillary Clinton verkörpert für viele das "Establishment" in den USABild: picture-alliance/AP Photo/J. Cortez

Der maßgebliche Unterschied zwischen Deutschland und den USA in der Berichterstattung liegt an den unterschiedlichen Mediensystemen. In den USA existieren zwei leicht zu unterscheidende Lager, so dass Menschen mit linken oder konservativen Einstellungen jeweils den Sender schauen, der ihre politische Meinung unterstützt. "Ein Typ wie Trump funktioniert in so einer polarisierenden Medienlandschaft, denn die einzelnen Medien können ihn entweder verdammen oder unterstützen", sagt Lammert. Europäische Medien teilten zum großen Teil die gleichen Ansichten, sagt Cermak. Deshalb gebe es eine einheitlichere Meinung zu "The Donald", wie Trump auch genannt wird - und die ist eher negativ.

"Da gibt es eine gewisse Fassungslosigkeit, dass jemand, der so ungeheuerliche Dinge sagt, immer noch als ernst zu nehmende politische Figur in den Vereinigten Staaten angesehen wird", sagt Cermak. "In Europa oder Deutschland gibt es dafür nicht viel Verständnis.“

Tsipras ist nicht Trump

Während politische Unerfahrenheit in Europa verpönt sei, könne dies in den USA durchaus einen positiven Beiklang haben, sagt Cermak. Amerikaner mögen Menschen, die nicht "Teil des Establishments" sind. So steht Trump im Kontrast zur ehemaligen First Lady Hillary Clinton oder zu Jeb Bush, dessen Vater und Bruder bereits hinter dem Schreibtisch im Oval Office saßen.

"Wir kennen das Phänomen des unpolitischen Politikers in Europa noch nicht", sagt Lammert. "Wir haben Populisten wie Jean Marie Le Pen in Frankreich oder den griechischen Premierminister Alexis Tsipras, die zwar für ihre Persönlichkeit viel Aufmerksamkeit bekommen, aber auch ein klares politisches Programm haben. Donald Trump ist eine ganz andere Geschichte."

Deutschland Bundestagswahl 2013 Peer Steinbrück auf Titel des SZ-Magazins
Mit diesem Bild tat sich Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat keinen GefallenBild: picture-alliance/dpa/Alfred Steffen/SZ-Magazin

Cermak erinnert sich nur an einen deutschen Politiker in den letzten Jahren, der versuchte, ein wenig aus der Rolle zu fallen. Peer Steinbrück war Kanzlerkandidat der SPD und trat 2013 gegen Angela Merkel an. Er versuchte, die "politische Welt zu schockieren", wie Cermak es formuliert, und zeigte den Mittelfinger in einem Foto-Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Die Geste kam nicht gut an: Viele fanden sie obszön oder kindisch. Zwar war Steinbrücks Mittelfinger nicht das einzige Problem der Sozialdemokraten im Wahlkampf, jedoch war er für einen Erfolg des Kandidaten nicht gerade hilfreich. Am Ende verlor Steinbrück die Wahl. Donald Trump kann zumindest derzeit auf ein besseres Ende hoffen.