1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Der Irak ertrinkt in Schulden"

Mahmoud Tawfik12. Oktober 2004

Viel Geld wurde dem Irak versprochen, bislang aber wenig gezahlt. Eine Geberkonferenz in Tokio soll das nun ändern. "Die Zusagen müssen eingehalten werden", so der irakische Ökonom al-Khafagi.

https://p.dw.com/p/5hWB
US-Firmen dominieren den WiederaufbauBild: AP

Vor der zweiten Geberkonferenz zum Thema Irak am Mittwoch (13.10.) in Tokio - muss man den traurigen Tatsachen in die Augen sehen: Die wirtschaftliche und soziale Lage im Irak ist katastrophal. "Es kann doch nicht wahr sein, dass die USA, das Land, das als erstes einen Menschen auf den Mond geschickt hat, noch immer nicht für eine verlässliche Stromversorgung in Bagdad sorgen kann", kritisiert der irakische Wirtschaftsexperte Essam al-Khafagi im Interview mit der Deutschen Welle. Viele Iraker seien immer noch auf überteuerte, private Generatoren angewiesen.

Ölfeld im Irak
Ölanlagen im Irak müssen runderneuert werden.Bild: AP

Vor einem Jahr, auf der ersten Geberkonferenz in Madrid, wurde viel versprochen, eingelöst wurde bisher nur wenig. Nach Ansicht von al-Khafagi "ertrinkt" der Irak in Schulden trotz aller Anstrengungen um einen Schuldenerlass. "Besonders hartnäckig geben sich die arabischen Nachbarstaaten - obwohl es sich bei ihren Forderungen um Geld handelt, dass sie zur Unterstützung des Saddam-Regimes bereitgestellt hatten, unter anderem für den Krieg gegen den Iran", so al-Khafagi.

Wenige Perspektiven für Iraker

Ein noch gravierenderes Problem stellt laut al-Khafagi jedoch die weitverbreitete Arbeitslosigkeit dar. "Vor zwanzig Jahren kam der Irak in Sachen Pro-Kopf-Einkommen noch nah an Länder wie Griechenland heran. Zurzeit gibt es keine wirklichen Lösungsansätze für das Problem der Arbeitslosigkeit im Land," so al-Khafagi. Mit Ausnahme der Armee und der Sicherheitskräfte gebe es im Moment für Iraker keine Arbeitgeber.

Das seien Probleme, die die Geberkonferenz nicht ignorieren dürfe. Denn was nützten finanzielle Versprechungen und Wiederaufbauprojekte, wenn deren Ergebnisse für einen Großteil der irakischen Bevölkerung kaum spürbar bleiben? "Ich habe persönlich mitbekommen, dass einige Firmen zugaben, dass sie irakischem Personal nicht trauen", sagt al-Khafagi.

Zusagen nicht eingehalten

Al-Khafagi spricht von einem Teufelskreis: Eine arbeitslose, also frustrierte und verarmte Bevölkerung sei leichte Beute für Wut, Hass und militante Gruppierungen aller Art. Das Ergebnis sei die in weiten Teilen des Irak herrschende Gewalt. Und dies wiederum seien Bedingungen, unter denen nur schwer Arbeitsplätze geschaffen werden können. Kein Wunder also, dass es bei der kommenden Geberkonferenz hauptsächlich um die Einhaltung von Versprechen gehen werde, die bereits vor einem Jahr gegeben wurden. Laut al-Khafagi habe sich Präsident George W. Bush beim US-Kongress die Zustimmung für eine Unterstützungssumme von 18,4 Milliarden Dollar geholt. "Bis heute, ein Jahr danach, wurden von dieser Summe nur eine Milliarde Dollar ausgegeben", beklagt der Ökonom.

In Madrid hatten 37 Länder Finanzhilfen von insgesamt 13,6 Milliarden Dollar zugesagt. Bislang wurde jedoch auch von dieser Summe nur eine Milliarde davon bei der Weltbank und dem Irak-Fonds der Vereinten Nationen hinterlegt. "Der Grund ist angeblich die miserable Sicherheitslage im Irak - die eine ordentliche Arbeit der verschiedenen Firmen erschwere oder gar unmöglich mache."

Sicherheitslage nicht überall schlecht

Laut al-Khafagi dreht man sich bei der Diskussion um die Fragen "Sicherheit vor Wiederaufbau" oder "Wiederaufbau vor Sicherheit" im Kreise. Er plädiert dafür, mehr Projekte an irakische Firmen zu vergeben. Vorwürfe, er ignoriere die Gefahren des irakischen Alltags oder spreche mit naivem Optimismus, weist al-Khafagi zurück. Die Sicherheitslage sei nicht in allen Teilen des Iraks gleich schlecht. "Im Süden und im kurdischen Gebiet im Norden ist die Lage relativ stabil. Wenn man dort mehr und schlauer investieren würde, dann könnten diese Gebiete ein Exempel setzen für den restlichen Irak."

Essam al-Khafagi lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Universität Amsterdam und war Mitglied des im Februar 2003 vom Pentagon eingerichteten Beratungsgremiums IRDC (Iraqi Reconstruction and Development Council)