1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Olaf Lemke restauriert kostbare Bilderrahmen

6. Juli 2010

Rahmen können auf Auktionen horrende Summen erzielen. Doch es gibt weltweit nur eine Handvoll von historischen Rahmenhändlern und Rahmenrestauratoren. Einer der wichtigsten ist Olaf Lemke in Berlin.

https://p.dw.com/p/OBUF
Olaf Lemke Foto: Aygül Cizmecioglu
Olaf Lemke machte alte Rahmen wieder fitBild: DW/Cizmecioglu

Der Duft von frisch gebrühtem Tee und Palisanderholz durchströmt das kleine Atelier in Berlin. An den Wänden und Regalen, Dutzende Ziehhaken, kleine Tuben mit Leim und Kunstbände. Olaf Lemke schiebt seine Brille nach oben und blickt konzentriert auf die Kostbarkeit in seinen Händen – ein zarter Rundrahmen aus dem 17. Jahrhundert.

"Man darf nicht so stark mit dem Pinsel aufdrücken, das würde das Gold verletzten", sagt der 74-Jährige. Vorsichtig trägt er eine spezielle Lauge auf die dunklen Blütenornamente auf. Schicht für Schicht löst er damit die hässliche Bronzeschicht, die sie Jahrzehnte lang bedeckte. Als die ursprüngliche Vergoldung darunter zu leuchten beginnt, huscht ein Lächeln über Olaf Lemkes Gesicht.

Geduldig wie ein Archäologe

"Ich hätte gerne Archäologie studiert, aber mit dem Freilegen von Rahmen tue ich irgendwie etwas ähnliches", gesteht er. Für ihn ist Geduld das wichtigste in seinem Job. "Es kann manchmal Monate, ja sogar Jahre dauern, bis ein Rahmen fertig ist."

Und die Zeit nimmt sich Olaf Lemke. Der elegante Herr mit dem lichten Haar ist einer der ganz wenigen Rahmenrestauratoren weltweit – und einer der besten. Fast 2000 antike Rahmen – von der Renaissance bis zum Barock - hütet er in seinem kleinen Laden. Kostbare Unikate, bis zu 40.000 Euro teuer.

Olaf Lemke (Rahmen) Autor: Aygül Cizmecioglu
Rahmen restaurieren ist echte HandarbeitBild: DW/Cizmecioglu

Untrennbare Einheit

Olaf Lemke weiß, dass edle Rahmen und Bilder über Jahrhunderte hinweg eine untrennbare Einheit waren. Je höher die Qualität des Rahmens, desto höher war auch die Qualität des Bildinhalts. "Wenn man zurückgeht ins 15., 16. Jahrhundert", so der passionierte Restaurator, Wwar der Maler mit dem Rahmenmacher ebenbürtig. Die Maße mussten auf den Millimeter stimmen." Oft wurden Bilder sogar erst nach der Rahmung zu Ende gemalt.

Die Siegel und kleinen Notizen auf der Rückseite der Fassung geben heute Aufschluss darüber, was einst mal drin gewesen ist. Mit einem Spezialmikroskop versucht Olaf Lemke diese zu entziffern. Ein Kreuz oder die Farben rot oder blau sind untrügliche Indizien dafür, dass die Kirche der Auftraggeber war, also eine Madonna oder eine Heiligendarstellung drin steckte.

Fürstliche Ignoranz

Diese Einheit löst sich ab dem 18. Jahrhundert auf. Die Fürstentümer begannen nach ihrem Zeitgeschmack zu rahmen. Manchmal aus purer Notwendigkeit, wie bei August dem Dritten, dem Sohn von August dem Starken. "Seine Leidenschaft war, die größte Gemäldesammlung der Welt in Dresden zusammenzutragen", so Olaf Lemke. "Um sie ganz dicht hängen zu können, hat er jedes Bild neu rahmen lassen." Die Bilder hingen bis neun Meter hoch an den Wänden.

"Er hat tatsächlich einen Dürer in einen Rokoko-Rahmen gesteckt", empört sich Olaf Lemke. "Die Kunsthistoriker können heute davon nicht mehr runter, müssen jetzt immer so weiterrahmen. Da sind furchtbare Zerstörungen entstanden, die nicht mehr gut zu machen sind." Fast so etwas wie Wut ergreift den sonst so sanftmütigen älteren Herrn, wenn er davon erzählt. Ohne ein Gespür für Kunst brauche man einen Rahmen gar nicht erst in die Hand nehmen.

Restaurieren statt Kopieren

Olaf Lemke in seiner Wohnung Autor: Aygül Cizmecioglu
Olaf Lemke restauriert nicht nur Rahmen, er sammelt sie auch leidenschaftlichBild: DW/Cizmecioglu

Vor rund 60 Jahren machte Olaf Lemke in Berlin eine Vergolder-Lehre. Das solide Handwerk war ihm nicht genug. Er ging nach London, lernte das perfekte Kopieren von historischen Rahmen und ihre Einordnung. "Ich war so wissensdurstig, dass ich sogar am Wochenende in die Museen ging und die Rahmen samt Bildern abzeichnete", gesteht er. "Ich habe immer gesagt, wenn ein Bild zu mir ins Geschäft kommt, muss ich sofort wissen, was es ist. Ich muss auf der gleichen Höhe sein, wie der Kunde."

Und genau dieses Wissen zeichnet heute Olaf Lemkes Arbeit aus. Längst hat er das Kopieren aufgegeben. Auch weil er weiß, dass eine gute Kopie unglaublich zeitaufwendig ist und perfekt gemacht nur 20% weniger kostet als das Original.

Suche nach der perfekten Größe

Dafür geht er lieber auf die Suche nach den wahren Rahmenschätzen, etwa in Trödelläden in Spanien oder Frankreich. Und manchmal muss er ziemlich lange suchen. Denn Olaf Lemke schneidet, anders als viele seiner Kollegen, Rahmen nicht zu. "Sie würden ein Cézanne-Gemälde ja auch nicht nach Bedarf verkleinern", sagt er mit einem spöttischen Unterton.

Das heißt, die Größe von Bild und Rahmen müssen bei ihm perfekt stimmen. "Eine Zeichnung in Aquarell kann man immer mit einem Passepartout versehen, um die Differenz auszugleichen", erklärt er. Bei einem Ölbild ginge das nicht. Eine Einlage würde immer etwas abdecken. Sei es nur ein Stück vom Haaransatz oder vom Finger an der Aussenseite des Bildes. Für Lemke ein "absoluter Kardinalfehler" in der Rahmenwelt.

Picasso in Gold

Olaf Lemke im Atelier Autor: Aygül Cizmecioglu
Ein zarter Rundrahmen aus dem 17. Jahrhundert wird von der hässlichen Bronzeschicht befreitBild: DW/Cizmecioglu

Schließlich rahmt Olaf Lemke millionenschwere Kunstwerke – von Malern wie van Gogh oder Dalí. Zu seinen Kunden gehören seit Jahrzehnten Künstler wie Georg Baselitz und die wichtigsten Kunstsammler der Welt. Doch an einen erinnert sich Olaf Lemke ganz besonders: den berühmten Kunstsammler Heinz Berggruen. "Er hatte die 'Dora Maar' von Picasso in Paris ersteigert und von einem Kollegen in einen Goldrahmen aus dem 18. Jahrhundert stecken lassen", erzählt Lemke.

Gold und Picasso - das passte für Lemke überhaupt nicht zusammen. "Dieser Maler braucht die Aufwertung von Außen durch Gold gar nicht." Also bot Lemke dem verzweifelten Kunstsammler eine Alternative aus Spanien an. "'Dora Maar' trägt auf dem Bild einen wunderschönen Schal um den Hals und die Farben spiegelten sich in der Marmorierung des Rahmens wider", erzählt Olaf Lemke voller Stolz. "Das ist so die schönste Lösung, die man finden kann."

Schönheit pur

Für alle, die Rahmen eher als schnödes Beiwerk von Kunst betrachten, hat Lemke noch eine Überraschung. Eine riesige Altbauwohnung über seinem Atelier voller Rahmen. Sie hängen in- und übereinander, sortiert nach Jahrhunderten. Kostbarkeiten aus Perlmutt, Gold und Ebenholz. Eckig, oval, mit aufwendig verschnörkelten und klassisch strengen Formen, matt und glänzend. Und die Rahmen sind leer, ganz ohne Bilder. So lenke nichts von ihrer Schönheit ab, meint Olaf Lemke und lächelt süffisant.

Autorin: Aygül Cizmecioglu

Redaktion: Sabine Oelze