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Der unkontrollierte Handel mit Froschschenkeln

Brigitte Osterath hf
3. März 2017

Jedes Jahr werden Millionen Frösche in Supermärkten als Delikatesse verkauft. Einer Studie nach sind die meisten davon nicht korrekt gekennzeichnet. Der Handel mit Froschschenkeln ist außer Kontrolle, warnen die Autoren.

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Froschschenkel in der Auslage eines Supermarkts (Foto: picture alliance).
Froschschenkel haben in der französischen Küche TraditionBild: picture-alliance/dpa/Pro Wildlife/S. Altherr

In Knoblauch und Zitronensaft geschwenkt oder knusprig paniert - Froschschenkel sind in vielen Ländern eine Delikatesse, besonders in Frankreich und Belgien. Und es ist ein großes Geschäft: Im Jahr 2015 importierte die Europäische Union 4234 Tonnen Froschbeine - was den Gliedmaßen von zwischen 84 und 200 Millionen Fröschen entspricht.

Die meisten davon sind wild gefangen, und zwar in Asien. Ihre Beine werden abgetrennt, enthäutet, tiefgefroren und nach Europa exportiert. Lebende Frösche werden in die USA geflogen, um die asiatische Diaspora dort zu versorgen. Nachdem Indien und Bangladesch den Export von Fröschen 1987 und 1989 verboten hatten, wurde Indonesien zum Hauptexporteur. Heute stammen mehr als zwei Drittel aller Froschschenkel in den Supermärkten weltweit von dort. Schon seit vielen Jahren warnen Naturschützer, dass der Handel nicht nachhaltig sein kann. Und es geht noch weiter: Einer neuen Studie nach sind viele Froschschenkel falsch gekennzeichnet.

Welche Spezies steht auf der Speisekarte?

Zwischen 2012 und 2013 kauften Annemarie Ohler und Violaine Nicolas von der Universität Sorbonne in Paris 209 Exemplare tiefgefrorener Froschschenkel in französischen Supermärkten und identifizierten die Arten mit DNA-Analysen. Alle wurden ihnen als die indonesische Froschart "Rana macrodon" verkauft, auch "Limnonectes macrodon" oder Zahnfrosch genannt.

Frosch im Wasser
Während europäische Frösche Schutz erhalten, enden stattdessen indonesische Frösche auf den MenüsBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Aber die Tests der Wissenschaftler zeigten, dass 206 der 209 Exemplare einer anderen Spezies angehörten - und zwar dem "Fejervarya cancrivora", dem südostasiatischen Reisfrosch, wie sie im "European Journal of Taxonomy" berichten. 

Im DW-Interview vermutet Ohler, dass die falsche Kennzeichnung kein Unfall war. "Die Arten lassen sich gut unterscheiden, wenn die Tiere noch am Leben sind." Es ist nicht klar, warum eine Froschart als eine andere ausgegeben wurde. Ohler vermutet, dass ein Umweltproblem dahinter steckt. Der Zahnfrosch lebt in Flüssen und Wäldern, der südostasiatische Reisfrosch in Reisfeldern.

"Ein Kollege aus Indonesien hat mir gesagt, dass wegen der Umweltverschmutzung viele Frösche aus Reisfeldern voller Pestizide sind", sagt Ohler. Eventuell hätten die Händler Angst gehabt, die Art aus den Reisfeldern ließe sich weniger gut verkaufen.

Aussterben

Aber die Studie zeigt einen weiteren beunruhigenden Trend. Ohler und Nicolas sagen, die Abwesenheit des Zahnfroschs in den Supermarktproben "könnte ein Hinweis auf seine Seltenheit in der Natur sein und zeigen, dass seine natürlichen Bestände rasch abnehmen." "Ich glaube nicht, dass es noch viele davon gibt", sagt Ohler.

Froschfarm in Thailand
Froschzucht ist schwierig, denn sie bevorzugen lebende NahrungBild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTOf

Laut Weltnaturschutzunion IUCN gilt die Art heute als "selten" und steht auf der Roten Liste als "gefährdet". Er ist bedroht durch Verlust von Lebensraum und Wasserverschmutzung. Aber die "Übernutzung als Nahrungsmittel" könnte auch eine Rolle in seinem Rückgang spielen, so die IUCN. Der südostasiatische Reisfrosch ist indes noch als "ungefährdet" aufgeführt und seine Population wächst.

Froschhandel bis zum bitteren Ende

Es könnte eine gute Nachricht sein, dass anstatt einer gefährdeten Spezies, eine verbreitetere die Tiefkühlschränke Frankreichs füllt. Aber die Tierschützer fürchten, dass - wenn der Handel weiterhin so floriert - auch die südostasiatische Reisfrosch-Populationen nicht länger sicher sind.

"Wenn der Markt weiterhin so unreguliert bleibt, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Art verschwindet", sagt Sandra Altherr von der Tier- und Naturschutzorganisation "Pro Wildlife" der DW. Im Jahr 2011 verfasste Altherr einen Bericht mit dem Titel "Canapés to extinction", (dt. "Canapés zum Aussterben") über die ökologischen Auswirkungen des nicht gerade nachhaltigen internationalen Handels mit Froschschenkeln."Indonesiens Froschexporte sind eine Artenschutzkatastrophe ", meint Altherr. "Die Studie zeigt, dass dort Kontrollen des Handels entweder nicht greifen oder nicht stattfinden."

Sie hofft, dass die jüngste Studie eine Debatte anfacht und schließlich die EU davon überzeugt, ihre Froschimporte einzuschränken. Ohler meint währenddessen, es sei schlichtweg traurig, dass niemand sich darum kümmere, dass "Millionen von Fröschen einfach verschwinden". "Es geht um unheimliche Mengen von Fröschen, die weggefangen werden", sagt sie. "Das kann nur zu einem Kollaps führen."

Schutz den europäischen Fröschen, Grill den Indonesischen

Ohler und Nicolas sagen, die falsche Etikettierung von Fröschen in französischen Supermärkten zeige endgültig, dass etwas getan werden muss. "Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit für groß angelegte Studien, um den Status der wilden Populationen zu beurteilen", schreiben sie in ihrer Studie.

Bisher gibt es praktisch keine Untersuchungen dazu, wie sich die Froschernte auf natürliche Populationen in Indonesien auswirkt, sagt Altherr. "Wir können nicht unbegrenzt etwas rausnehmen, wenn wir nicht wissen, wie viel überhaupt da ist", sagt sie.

Indischer Ochsenfrosch
Fürs Erste sicher: Der indische Ochsenfrosch ist unter CITES geschütztBild: Getty Images/N. Sharma

In Frankreich, wo der Konsum von Fröschen Tradition hat, haben Privatpersonen früher zu bestimmten Zeiten des Jahres Frösche vor Ort gesammelt. Erst später, als Tiefkühlschränke weit verbreitet waren, wurde das Sammeln von Fröschen und der Handel mit ihren Schenkeln kommerziell. So wurden französische Frösche zum Rand des Aussterbens gebracht. Seit 1979 sind sie geschützt.

In europäischen Ländern ist das Fangen von Fröschen aus Teichen für den Eigengebrauch und zu bestimmten Zeiten des Jahres erlaubt, aber kommerzielle Jagd und Handel sind nach EU-Recht verboten. "Es scheint mir seltsam, dass wir unsere einheimischen Frösche in der EU schützen, aber indonesische Frösche ohne Sorge grillen", sagt Altherr.

Natürliche Schädlingsbekämpfung

Viele Froscharten weltweit sind bereits vom Aussterben bedroht, etwa durch Lebensraumverlust, Umweltverschmutzung und eine Infektionskrankheit, die durch einen Pilz verursacht wird. Der Verlust von Fröschen könnte große Auswirkungen auf unser Ökosystem haben. Denn wer würde sich dann der Insekten annehmen? Wahrscheinlich würde dies Landwirte dazu veranlassen, mehr Pestizide zu verwenden.

Dies ist laut Pro Wildlife auch der Grund, warum Indien und Bangladesch den Export ihrer Froscharten verboten haben - den Teichfrosch und den indischen Ochsenfrosch. Beide waren am internationalen Markt sehr begehrt - bis ihre Bestände drastisch abnahmen.

"Beide Länder haben daraufhin große Probleme mit Schädlingen wie Insekten, Schnecken und so weiter bekommen", sagt Altherr. "Also zogen sie die Notbremse." 1985 wurden beide Arten in Anhang II des CITES, Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten frei lebenden Tieren und Pflanzen, aufgeführt. Ohler hofft, dass auch Indonesien lernen wird, seine Frösche zu schätzen und zu schützen, bevor sie alle weg sind.