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Mit Leichtigkeit an die Trauerarbeit

14. Juni 2009

Fröhlich und Friedhof – passen diese beiden Begriffe zusammen? Im rumänischen Dorf Sapinta zeigt der "Cimitirul Vesel", der "Fröhliche Friedhof", dass das geht. Der Charme dieser Ruhestätte liegt in liebevoller Ironie.

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hölzerne, bunte Grabtafel (Photo: DW)
Ein buntes Farbenspiel schmeichelt das Auge der BesucherBild: DW

"Der Schnaps ist das reinste Gift, durch ihn Schmerz und Leid dich trifft. Auch mir hat er gebracht, den Tod in einer finstren Nacht. Wer dem Schnaps huldigt stets, dem genau wie mir ergeht´s, denn ich war ihm zugetan, mit ihm im Mund der Tod mich nahm."

Das Bild unter dem Spruch passt zu diesen Zeilen. Es zeigt eine Person, die eine Flasche und ein Glas in der Hand hält, in ihrem Mundwinkel ist eine Zigarette und der Tod zieht an ihrem Bein. Ungewöhnlich ist allerdings der Ort für diese Dichtkunst: Es ist ein blaues Grabkreuz auf dem Friedhof von Sapinta. Doch es ist kein gewöhnlicher Ort der letzten Ruhe: Der "Fröhliche Friedhof" lebt und lacht. Von den leuchtend blauen Holzkreuzen herab schimpft und scherzt es, so dass die Heiterkeit weithin zu vernehmen ist, wenn die Besucher die holprigen Reime entziffern und die Reliefs erkunden.

Grüße aus dem Grab

Mann mit Axt auf einer Grabtafel (Photo: DW)
Ironie schwingt immer mit, wenn auf dem Grabkreuz ein Nachruf eingeritzt wirdBild: DW

Viele dieser Zeilen und Bilder stammen von dem Mann, der in Sapinta nur "Crucerul", der Kreuzmacher, genannt wird. Er heißt Pop Dumitru, so stellt er sich vor – in Maramuresch sei es üblich, den Nachnamen zuerst zu nennen, sagt der Holzschnitzer, Maler und Dichter. Die für den Friedhof charakteristischen, leuchtend blauen Holzkreuze, die in langen Reihen auf dem Friedhof stehen, sind alle in tagelanger Handarbeit geschnitzt und bemalt worden. Es sind kleine Kunstwerke in einem einzigartigen Freilichtmuseum "naiver Volkskunst", wie Pop Dumitru den Stil der Kreuze einordnet.

Grabinschriften (Photo: DW)
Inschriften, die verhöhnen, loben und tadelnBild: DW

Auf ihnen werden die Lebensgeschichte und die Todesumstände eines Verstorbenen nacherzählt –in humoristischen Versen und lyrischen Szenen. So schmückt ein Kreuz das Bild einer Frau, die trinkend an einem Tisch mit fünf Männern sitzt. Ihre zwei Laster: "Sie liebte das Trinken und die Männer", wie Pop Dumitru berichtet. Ihrem Witwer hat die Schwalbe – so wurde die Frau genannt, weil sie attraktiv war und viele Männer hatte - eine sehr persönliche Botschaft über ihre Grabinschrift übermitteln lassen: "Lieber Darwei, lang sollst’ du leben, aber um mich wirst du immer weinen, denn so lange du auch lebst, eine wie mich findest du nicht."

Ehebruch und ab und zu mal ein Gläschen zu viel scheinen die größten Laster in dem Dorf zu sein. Auf den Kreuzen und ihren Inschriften steht die nackte und ungeschönte Wahrheit über die Verstorbenen. Dafür sorgt Dumitru Pop, der jeden in Sapinta kennt: "Es sind Worte, die ich von den Leuten aufschnappe, die kleinen Sünden der Leute, die ich mitbekomme. Ich lebe ja in ihrer Mitte. Man kann kein anderes Leben eines Menschen aufschreiben, als das, was er gelebt hat", erklärt er seine Arbeit.

Dem Tod den Schrecken nehmen

Viele hölzerne, bunt bemalte Kreuze auf einem Friedhof (Photo: DW)
Der Kreuzmacher Dumitru Pop hat ein ganzes Friedhofsuniversum geschaffenBild: DW

Vor rund 75 Jahren hatte der Tischler Stan Ioan Patras die Idee, mit bunten Grabkreuzen dem Tod seinen Schrecken zu nehmen. Damals war im hiesigen Fluss Theiß ein junger Mann ertrunken. Keiner im Dorf konnte sich einen traurigen Grabstein für diesen immer fröhlichen und sehr beliebten Jungen vorstellen. Also entwarf Stan Ioan Patras, der auch Pop Dumitru ausgebildet hat, ein blaues Kreuz, geschmückt mit einigen geschnitzten Blumen. Jahre später fügte er einen einfachen Vers hinzu – der Beginn einer Tradition.

Der "Fröhliche Friedhof" in Sapinta, ein einzigartiges Freilichtmuseum: Die Kombination aus Schnitz-, Mal – und Dichtkunst macht das Besondere der Maramurescher Volkskunst aus. Einige Holzkreuze rühmen das Handwerk des Verstorbenen, andere loben die Zurückgebliebenen, verzeihen ihnen oder verwünschen sie gar. Die Grabinschriften ergeben zusammen genommen eine aufschlussreiche Chronik der Dorfgeschichte der letzten sieben Jahrzehnte.

Ein seltener Klang: Lachen auf dem Friedhof

Die Art, wie in Sapinta, mit dem Unausweichlichen, dem Tod umgegangen wird, verdeutlicht eine Zeichnung am Eingang des "Fröhlichen Friedhofs", auf die der Kreuzmacher, Dumitru Pop aufmerksam macht: "Auf dem großen Kreuz des Friedhofs, am Eingang ist als Basis der Tod dargestellt und dort sieht man, dass die Menschen über den Tod lachen – nicht umgekehrt", erklärt Pop Dimitru und lacht.

Autor: Catalin Gagiu

Redaktion: Julia Kuckelkorn / Richard Fuchs