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Interview mit Wolfgang Holzhäuser

5. August 2009

Attraktiv und spektakulär wie selten zuvor geht die Bundesliga in ihre 47. Spielzeit. Die neue Saison verspricht jede Menge Spannung, meint auch Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.

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Wolfgang Holzhäuser, Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen. Foto: dpa
Wolfgang HolzhäuserBild: picture-alliance/ dpa

Nach elf Wochen Pause startet die Bundesliga am Freitag (7. August) in ihre neue Saison. Topfavorit ist einmal mehr Bayern München. Aber neben Titelverteidiger VfL Wolfsburg wollen weitere Vereine für eine erneute Überraschung sorgen. Die Fans jedenfalls hoffen auf eine spannende Saison. Und die Liga trotz der Wirtschaftskrise mit Rekordzahlen. Darüber hat Wolfgang Holzhäuser im Interview der Deutschen Welle gesprochen. Er war bis 2007 Präsident des Ligaverbandes und ist Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen. Die Fragen stellte Arnulf Boettcher.

Deutsche Welle: "Wolfgang Holzhäuser, wer wird denn deutscher Meister?"

Wolfgang Holzhäuser: "Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Der FC Bayern München. Da liegt man mit der Prognose in fünf Jahren dreimal gut im Rennen. Aber ich glaube, dass Werder Bremen traditionell mitspielen wird. Die haben eine sehr gute und eingespielte Mannschaft. Sie haben zwar Diego verloren, aber sehr frühzeitig für Ersatz gesorgt. Schalke kann nicht noch einmal so schlecht spielen. Die sind gut besetzt. Und mein Geheimfavorit ist Hoffenheim, das sich meiner Auffassung nach sehr gut verstärkt und mit Ibisevic den Torjäger der Bundesliga zurückbekommen hat. Die vier werden um die Meisterschaft spielen."

Bis zu zehn Teams kämpfen um die Spitze

DW-Grafik: Peter Steinmetz
Der FCB: Klarer Favorit auf die MeisterschaleBild: DW-Montage/picture-alliance/dpa

"Die letzte Saison ist sehr spannend verlaufen. Bis kurz vor Schluss konnten noch fünf Teams Meister werden. Wird es wieder so eng an der Spitze zugehen?"

"Wir von Bayer Leverkusen wollen mit etwas Glück auch in die Spitze hineinkommen. Wir haben die Mannschaft über drei Jahre hinweg aufgebaut und mit Jupp Heynckes einen neuen Trainer, der eine gewisse Sachautorität ausstrahlt. Dann habe ich Meister VfL Wolfsburg noch nicht genannt, den VfB Stuttgart und den Hamburger SV, der auch gewaltige Summen investiert hat. Borussia Dortmund ist da noch und Hertha BSC. Dazu kommt sicherlich noch ein Überraschungsverein. Es werden acht bis zehn Mannschaften sein, die um die ersten fünf Plätze spielen. Rein theoretisch wird davon die Hälfte enttäuscht werden."

Noch nicht abgehakt

"Leverkusen ist Vize-Pokalsieger geworden, dennoch ist das erste Ziel, die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb, verpasst worden. So gesehen verlief die Saison enttäuschend. Ist das abgehakt?"

"Nein, das ist nicht abgehakt. Wir merken ganz deutlich, dass nicht nur die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Angst vor der Zukunft unserer Geschäftskunden eine Rolle spielt, sondern auch die schlechte Rückrunde der alten Spielzeit und das Verpassen des Pokalsiegs. So betrachtet ist das noch nicht abgearbeitet. Wir haben zu unserem Bedauern Trainer Bruno Labbadia verloren. Wenn er dann schon gegangen ist, haben wir uns überlegt, mit Jupp Heynckes einen Trainer zu holen, der für die Mannschaft in der jetzigen Struktur und Entwicklungsphase vielleicht der richtigere Trainer ist.“

Trainer kommen, Trainer gehen

Hamburgs Trainer Bruno Labbadia, Foto: AP
HSV-Trainer LabbadiaBild: AP

"Sie haben es schon erwähnt, Heynckes hat Labbadia abgelöst, Labbadia hat Martin Jol in Hamburg ersetzt, Louis van Gaal hat wiederum Heynckes in München abgelöst. Insgesamt haben neun Vereine ihren Trainer ausgetauscht, ein unglaubliches Trainerkarussell also. Was ist da los, ist da eine neue Entwicklung zu sehen?"

"Nein, ich sehe das alles halb so dramatisch. In der Trainergilde hört man das zwar nicht gerne, aber ein Trainer ist nun mal, ob man will oder nicht, eine temporäre Größe. Das ist so. Trainer gehen, Trainer kommen. Und nur eines ist wichtig: Der Verein muss bleiben. Und deswegen ist es wichtig, dass man langfristig denkt. Aber die Aufgabe des Trainers besteht darin auch kurzfristigen Erfolg zu haben. Deswegen habe ich überhaupt kein Problem damit, wenn der Trainer beispielsweise sehr viel Geld verdient. Er muss aber auch damit leben, dass er der erste ist, der dran glauben muss. Das ist ungefähr so, wie wenn in einem großen Unternehmen der verantwortliche Vorstand von Platz zwei in der Rangfolge innerhalb eines halben Jahres auf Platz 15 oder 16 abgerutscht ist, dann wird auch da die Konsequenz gezogen werden müssen."

Die Spieler haben zu viel Macht

"Die Stars der Liga sind natürlich auch sehr wichtig. Diego ist jetzt weg, Ribery glaubt man, möchte auch gerne weg zu Real Madrid und zickt so ein bisschen herum beim FC Bayern. Haben die Spieler, die Stars inzwischen viel zu viel Macht?"

"Also, die Spieler haben grundsätzlich zu viel Macht. Aber die Spieler schaffen die Macht sich nicht selbst. Die Macht wird sehr stark von außen herüber gebracht und auch geprägt. Das ist nun mal so. Wenn ein Ribery als der Star der Bundesliga der letzten Spielzeit als eine unabkömmliche Größe im Team von Bayern München hochstilisiert wird, dann hat er eben eine faktische Macht, de jure hat er keine.

Nur einer bezahlt

"Es gibt unglaubliche Transfersummen: Ronaldo 95 Millionen Euro, in der Bundesliga Gomez über 30 Millionen Euro. Kann man das noch nachvollziehen?"

Bayern-Stürmer Mario Gomez im Pokalspiel gegen Neckarelz. Foto: AP
Transferkönig GomezBild: AP

"Grundsätzlich kann man das nicht nachvollziehen. Andererseits muss man auch das etwas entdramatisieren. In Wirklichkeit bezahlt eigentlich nur einer. Angefangen hat, wenn man es auf Deutschland bezieht, der FC Bayern München, der für Gomez, wie man hört, 35 Millionen Euro ausgegeben hat. Der VfB Stuttgart gibt eigentlich nur das Geld aus, was er für Gomez wieder eingenommen hat. Also hat letztlich der FC Bayern bezahlt. Da wird auch wieder einmal deutlich, wie wichtig die Münchener für die Bundesliga sind, sofern das Geld im Kreislauf der Bundesliga bleibt und nicht ins Ausland abwandert oder in andere Kanäle fließt wie hin zu Spielerberatern.

Betriebswirtschaftlich betrachtet ist das dann gar nicht so dramatisch, weil unter dem Strich eigentlich nur einer bezahlt. Wenn man es international betrachtet, bezahlt Real Madrid die ganze Chose, die sich im Fußball bewegt. Das wird auch teilweise dann von Bayern München dann nach Deutschland reingetragen."

Der Boom ist endlich

"Trotz aller wirtschaftlichen Probleme boomt die Bundesliga. Die Zuschauerzahlen werden wahrscheinlich wieder auf Rekordhöhe steigen. Auch die Sponsoreneinnahmen werden wohl eine neue Bestmarke bringen. Ist die Bundesliga wirklich ein Erfolgsmodell?"

Blick auf die Baustelle der BayArena in Leverkusen, Foto: dpa
Platz für 30.000 Fans: Leverkusens neue ArenaBild: picture-alliance/ ZB

"Ja, was heißt Erfolgsmodell? Unter Erfolgsmodell verstehe ich ein bisschen was anderes. Andererseits ist der deutsche Fußball im Vergleich zum englischen, italienischen und zum spanischen Fußball, wenn man den Auguren glauben darf, sehr wohl ein Erfolgsmodell, weil es seriös, sauber und auch, wie ich meine, sehr ordentlich betrieben wird. Das ist sicherlich so betrachtet ein Erfolgsmodell. Und ich will vielleicht noch eins sagen: Ich glaube nicht, dass dieser Boom, wie wir ihn in den letzten Jahren hatten, so weitergehen wird. Ich glaube, dass wir im Zuschauerbereich weitestgehend die Möglichkeiten ausgereizt haben. Wir haben sicherlich, das muss man sagen, im Verhältnis zu den Kollegen in Europa sehr sehr moderate Preise. Ich würde es aber für falsch halten, wenn wir in Deutschland die Preise auf europäisches Niveau anheben würden. Im Sponsoringbereich, dazu zähle ich auch das Fernsehen, hab ich so meine Zweifel, ob da in den nächsten Jahren noch eine große Mehrung erzielt werden kann. Ich glaube, dass diese boomenden Jahre, wie wir sie in den letzten fünf Jahren erlebt haben, vorerst mal vorbei sind. Wenngleich das Niveau sehr hoch ist."

15.30 Uhr war nicht zu halten

"Der neue Fernsehvertrag hat zur Folge, dass der Spieltag zersplittert ist. Es gibt jetzt fünf Anstoßzeiten von Freitag bis Sonntag. Für die Fans, für die Tabelle, für die Übersichtlichkeit ist das eigentlich nicht mehr so schön. Der Samstag als ursprünglicher Spieltag ist doch auch für die Bundesliga prägend?"

"Ich bin von Haus aus Markenmensch. Und ich war immer der Meinung, dass dieser ‚Samstag 15.30 Uhr Anpfiff Bundesliga' ein Markenbegriff ist, den man nicht aufgeben darf. Ich habe mich als Jugendlicher gefreut und das typische deutsche Autowaschen immer auf Samstag 15.30 Uhr gelegt, damit ich die Bundesliga im Autoradio hören konnte. Andererseits war es bei der heutigen Marktlage nicht möglich, diesen 15.30-Uhr-Begriff aufrecht zu erhalten. Ich weiß, dass alle Kollegen das gerne gehabt hätten. Aber die Vermarktungszwänge, die sicherlich auch durch nicht nachvollziehbare Entscheidungen des Kartellamtes entstanden sind, zwangen nun mal unsere Verhandlungsführer dazu, Kompromisse einzugehen.

Der Kompromiss, den sie erzielt haben, tut zwar weh, aber es ist der best denkbare Kompromiss für alle Zeiten gewesen. Wir haben dadurch höhere Einnahmen. Mit den höheren Einnahmen können wir unser hohes Niveau halten. Und damit können wir letztlich auch das Interesse unserer Zuschauer befriedigen. Deswegen werden wir auch mit diesen etwas unübersichtlichen Spieltagen leben müssen. Den weg zurück zu der 15.30-Uhr-Samstagszeit wird es wohl nicht mehr geben."

Autor: Arnulf Boettcher

Redaktion: Joachim Falkenhagen