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Der Falke im Präsidentenamt

Nils Naumann24. Juli 2014

Er gilt als politischer Hardliner, aber auch als Verfechter demokratischer Werte. Reuven Rivlin ist Israels neuer Präsident. Am Donnerstag legte der Nachfolger von Schimon Peres seinen Amtseid ab.

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Reuven Rivlin (Foto: REUTERS/Ronen Zvulun)
Bild: Reuters

Reuven Rivlin ist ein freundlicher, aber hartnäckiger Mensch. Einer, der seine Ziele auch nach Rückschlägen nicht aus den Augen verliert. 2007 musste Rivlin seine Kandidatur für das israelische Präsidentenamt zurückziehen. Eine Mehrheit der Knesset, die in Israel den Präsidenten wählt, stand hinter Schimon Peres. Die Niederlage hielt Rivlin nicht davon ab, seinen Hut 2014 erneut in den Ring zu werfen. Und diesmal klappte alles. Im Juni wählte die Knesset den inzwischen 74-jährigen Rivlin zum Nachfolger von Schimon Peres.

Eine große Feier zur Amtseinführung an diesem Donnerstag (24.07.2014) verkniff sich der verheiratete Vater von vier Kindern trotzdem. Israel ist im Krieg. Soldaten und Zivilisten sterben. "Deswegen haben wir entschieden, das Ereignis kleiner und zurückhaltender zu gestalten", erklärten Rivlin und Knesset-Sprecher Yuri Edelstein in einem gemeinsamen Statement im Vorfeld der Vereidigung. "Wir unterstützen unsere Soldaten in ihrer heiligen Aufgabe, Ruhe und Frieden für alle Bürger Israels zu schaffen."

Freund der Siedlerbewegung

Rivlin, auch unter dem Spitznamen "Rubi" bekannt, gilt als politischer Hardliner. "Er steht voll und ganz hinter der Politik von Regierungschef Benjamin Netanjahu", sagt der israelische Historiker Moshe Zimmermann von der Universität Jerusalem. Rivlin werde nicht für eine friedliche Lösung des aktuellen Konflikts intervenieren. "Er kommt aus derselben politischen Linie wie Netanjahu." Beide Politiker stammen aus der rechten Likud-Partei.

Israelische Siedlung Itamar im Westjordanland (Foto: EPA/ABIR SULTAN)
Vorposten im Palästinensergebiet: In den vergangenen Jahren sind die israelischen Siedlungen massiv ausgebaut wordenBild: picture-alliance/dpa

Im Gegensatz zu Netanjahu lehnt Rivlin, 1939 in Jerusalem geboren, die Gründung eines Palästinenserstaats offen ab. Aus seiner Vision eines Großisraels vom Jordan bis zum Mittelmeer hat er nie einen Hehl gemacht. 2010 erklärte Rivlin, er würde "lieber Palästinenser als israelische Staatsbürger akzeptieren, als Israel und das Westjordanland zu trennen". Rivlin werde seine Amtszeit nutzen, "um den Siedlungsbau im Westjordanland, der ihm heilig ist, voranzutreiben", vermutet Ari Schavit von der israelischen Tageszeitung "Haaretz".

Einsatz für demokratische Rechte

Trotz seiner rechten und siedlerfreundlichen Positionen hat Rivlin gute Beziehungen zu arabischen oder zu linken Knesset-Abgeordneten. Das liegt auch daran, dass sich Rivlin in seiner Funktion als Parlamentspräsident (2003-2006 und 2009-2013) immer wieder für die demokratischen Rechte von Minderheiten eingesetzt hat. Ein Beispiel ist der Streit um Haneen Zoabi. Die arabische Knesset-Abgeordnete hatte 2010 mit einer Flotte von Schiffen versucht, die Blockade des Gaza-Streifen zu durchbrechen. Als israelisches Militär die MS Mavi Marmara enterte, starben mehrere Menschen. Ein Komitee der Knesset empfahl danach, die parlamentarische Immunität Zoabis aufzuheben. Parlamentspräsident Rivlin lehnte das ab.

Proteste israelischer Araber in Israel (AFP PHOTO / JACK GUEZ)
Schwieriges Zusammenleben: Immer wieder kommt es zu Spannungen zwischen jüdischen und arabischen IsraelisBild: Jack Guez/AFP/Getty Images

Der Jurist und frühere Offizier des Militärgeheimdienstes zeigt durchaus Verständnis für die Situation der Palästinenser. 2009 erklärte er: "Die Gründung von Israel war von viel Schmerz und einem echten Trauma für die Palästinenser begleitet." Damals rief Rivlin zu einer "echten Partnerschaft zwischen Juden und Arabern" auf. Und kurz vor Ausbruch des jüngsten Gaza-Kriegs forderte er in einem gemeinsamen Kommentar mit Schimon Peres in der Tageszeitung "Yedioth Ahronoth" ein Ende der Gewalt. "Das Blutvergießen wird erst enden, wenn wir uns alle klarwerden, dass unser Zusammenleben nicht ein Unglück des Schicksals ist, sondern vielmehr unsere Bestimmung." Rivlins Lösung für den jahrzehntelangen Konflikt: Mehr Rechte für die Palästinenser - aber in einem gemeinsamen föderativen Staat. Der Historiker Moshe Zimmermann sieht das kritisch: "Rivlin versucht, die Palästinenser mit Gleichberechtigung zu besänftigen".

Vom außen- zum innenpolitischen Präsidenten

Die Macht liegt in Israel beim Premierminister und der Regierung. Der Präsident hat nur wenige Befugnisse. Er übt vor allem repräsentative Aufgaben aus. Seine wichtigsten Befugnisse sind die Begnadigung von Häftlingen und die Erteilung eines Auftrages zur Regierungsbildung nach Wahlen.

Rivlins Vorgänger Schimon Peres hatte seine Position auch dazu genutzt, um sich für einen Frieden mit den Palästinensern einzusetzen. Rivlin sieht seine Rolle deutlich zurückhaltender. Er hat bereits erklärt, er wolle sich als Präsident nicht in die Entscheidungen der Volksvertreter einmischen.

Reuven Rivlin und Premierminister Benjamin Netanjahu (rechts) (Foto: imago)
Innige Abneigung: Reuven Rivlin und Benjamin NetanjahuBild: imago/David Vaaknin

Auch Reuven Hazan, Politikwissenschaftler an der Hebräischen Universität Jerusalem, glaubt, dass Rivlin die "vor allem zeremonielle und symbolische Funktion" der Präsidentschaft respektieren wird. "Peres war ein außenpolitischer Präsident. Reuven Rivlin wird sich auf Israel konzentrieren. Und er wird ein Präsident für die Menschen, die Gesellschaft, die Israelis sein. Einer der hoffentlich eine Brücke zwischen jüdischen und arabischen Israelis bauen wird."

Doch zunächst muss Rivlin eine Brücke zu Premierminister Netanjahu bauen. Denn der hatte ihn erst in allerletzter Minute und nur zähneknirschend unterstützt. Rivlin und Netanjahu, obwohl in derselben Partei und mit ähnlichen politischen Zielen, verbindet eine innige Abneigung. Rivlin hatte dem Premierminister in der Vergangenheit vorgeworfen, er würde das Parlament nicht respektieren. Mehrmals verweigerte er Netanjahu in der Knesset die Unterstützung. Und so ist Rivlin für Israels Karikaturisten eine große grüne Giftkröte, die Netanjahu nun schlucken muss.