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Der Druck auf Duisburgs OB nimmt zu

30. Juli 2010

Nach der Massenpanik bei der Loveparade wächst der Druck auf den Duisburger Bürgermeister, von seinem Amt zurückzutreten. Sauerland wies jedoch erneut jede Verantwortung zurück. Ihm droht der Verlust seiner Pension.

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Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland (Archivbild: dpa)
Duisburgs Oberbürgermeister SauerlandBild: picture alliance / dpa

Knapp eine Woche nach der Tragödie bei der Techno-Party in Duisburg wird dem CDU-Politiker Adolf Sauerland auch aus den eigenen Reihen der Rücktritt nahe gelegt. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, sagte am Donnerstagabend im ZDF, sein Parteifreund Sauerland trage die politische Verantwortung und hafte damit auch politisch für mögliche Fehler seiner Mitarbeiter. Ob er eine Verfügung unterschrieben habe oder nicht, sei völlig zweitrangig.

Bei Rücktritt verliert Sauerland seine Pension

Mahnwache am Unglücksort in Duisburg (Archivbild: AP)
Mahnwache am UnglücksortBild: AP

Der Duisburger Oberbürgermeister hatte eine Mitschuld für den tödlichen Ausgang der Loveparade erneut zurückgewiesen und dies damit begründet, dass er keine Genehmigung für die Veranstaltung unterschrieben habe. Er sagte der "Bild"-Zeitung, die Abschlussgenehmigung habe "einer unserer besten Kollegen" abgezeichnet. Auch einen Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt lehnte Sauerland erneut ab. "Ich habe mein Leben - 21 andere Menschen haben es verloren. Ich will erst wissen warum. Danach entscheide ich über persönliche Konsequenzen."

Sauerland würde bei einem freiwilligen Rücktritt sämtliche Pensionsansprüche verlieren. Das berichtete die "Neue Presse" in ihrer Freitagsausgabe (30.07.2010) unter Berufung auf den Steuerzahlerbund Nordrhein-Westfalen. Auch die Pensionsansprüche, die sich Sauerland vor der Wahl zum Oberbürgermeister 2004 in langen Jahren als Oberstudienrat in Krefeld erworben habe, wären damit verloren. Erhalten blieben diese Ansprüche nur, wenn Sauerland die Amtszeit, die bis 2014 geht, beende oder aber abgewählt werde, schreibt die Zeitung.

Kraft sieht politische Verantwortung bei Sauerland

Ministerpräsidentin Kraft im Auto (Foto: AP)
Hannelore Kraft, am Sonntag auf der Fahrt zum Ort der KatastropheBild: AP

Hunderte Menschen forderten am Donnerstag bei einer Demonstration vor dem Rathaus in Duisburg den Rücktritt Sauerlands. Auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) drängte den CDU-Politiker zum Rückzug. Sie sagte der Düsseldorfer Zeitung "Rheinische Post": "Der Duisburger Oberbürgermeister und die Verantwortlichen in der Stadtspitze werden sich letztendlich der politischen Verantwortung stellen müssen."

Sie habe den Eindruck, dass OB Adolf Sauerland glaube, er würde Schuld eingestehen, wenn er die politische Verantwortung übernähme. "Diesen Zusammenhang gibt es aber nicht", betonte die SPD-Politikerin.

Die Duisburger Stadtverwaltung lehnte ebenfalls erneut die Verantwortung für die Todesfälle vom Samstag bei der Massenpanik im Loveparade-Tunnel ab. Baudezernent Jürgen Dressler wies ähnlich wie zuvor der Veranstalter des Techno-Musik-Festes, Rainer Schaller, der Polizei die Schuld zu. "Der Tunnelbereich gehörte zum öffentlichen Raum außerhalb des Veranstaltungsgeländes. Für die Sicherheit im öffentlichen Raum ist die Polizei zuständig", sagte Dressler der "Rheinischen Post". Außerdem erklärte der Baudezernent, die Polizei habe auf der Loveparade Fluchtwege blockiert. Dresslers Behörde hatte die Durchführung der Loveparade auf dem ehemaligen Güterbahnhof in Duisburg genehmigt.

Nach der Massenpanik: Rettungskräfte leisten Erste Hilfe (Foto: AP)
Nach der Massenpanik: Rettungskräfte leisten Erste HilfeBild: AP

Landesregierung attackiert Veranstalter

Mit dieser Argumentation stellte sich der Kommunalpolitiker auch gegen Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) und den Inspekteur der nordrhein-westfälischen Polizei, Dieter Wehe. Beide hatten am Mittwoch schwere Vorwürfe gegen den Loveparaden-Veranstalter erhoben. Allein dieser trage die Verantwortung für die Geschehnisse auf dem Festgelände und damit für die Todesopfer, betonte Jäger. Aufgabe der Polizei sei gewesen, außerhalb des Veranstaltungsgeländes für Sicherheit zu sorgen. Die Polizei habe verhindert, dass es noch mehr Tote und Verletzte gegeben habe.

In einem vorläufigen Bericht schilderten Jäger und Wehe detailliert die Ereignisse, die zu der Massenpanik geführt hatten: Am einzigen Zugang zum Festgelände - dem Tunnel - sei es zu einem Stau gekommen. Immer mehr Menschen seien in das Nadelöhr geströmt. Als die Lage kritisch wurde, seien die Ordner des Veranstalters angewiesen worden, die Zugänge vor dem Tunnel zu schließen. Dies sei jedoch aus unbekannten Gründen nicht geschehen. Gleichzeitig sei der Weg aus dem Tunnel auf das Festgelände blockiert gewesen, weil dort eine Menschenmenge den Weg nicht frei gemacht habe. Nach dem Sicherheitskonzept der Veranstalter hätten Ordner die Menschen aber dazu bewegen sollen, auf die Freifläche zu gehen. Die Ordner hätten "ihre Aufgabe nicht erfüllt".

Minister erwartet Strafverfahren

Jäger betonte, die Erkenntnisse seien vorläufig und lieferten "noch kein vollständiges und detailliertes Bild". Es sei aber "unerträglich", dass "Verantwortung auf Seiten des Veranstalters der Loveparade und der Stadt als Genehmigungsbehörde abgeschoben wird - und zwar bevor überhaupt alle Fakten bekannt sind". Im Ersten Deutschen Fernsehen zeigte sich der Minister am Mittwochabend überzeugt, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Strafverfahren münden würden. "Da wird natürlich der Staatsanwalt auch die Rolle der Stadt Duisburg zu prüfen haben".

Loveparade-Chef Schaller reagierte zurückhaltend auf die Vorwürfe aus Düsseldorf. Die Darstellung des Innenministers werfe "viele Fragen auf". Inwieweit auch das Verhalten der Polizei die Situation mitverursacht habe, "werde die Staatsanwaltschaft herausfinden", erklärte der Unternehmer, dem eine Fitness-Kette gehört. Die Staatsanwaltschaft sei im Besitz des vollständigen Videomaterials der sechs Kameras im Tunnel- und Eingangsbereich.

Trauermarsch von Duisburger Fußballfans für die Opfer der Massenpanik (Foto: dpa)
Trauermarsch von Duisburger Fußballfans für die Opfer der MassenpanikBild: picture alliance/dpa

Trauerbeflaggung und Gedenkmesse

An diesem Samstag - eine Woche nach der Katastrophe - sollen die Fahnen in Deutschland auf halbmast wehen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ordnete zur Gedenkfeier Trauerbeflaggung an. Der ökumenische Gottesdienst findet um 11.00 Uhr in der Duisburger Salvatorkirche statt. Teilnehmen wollen auch Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Autor: Michael Wehling / Ursula Kissel (dpa, rtr, afp, apn)
Redaktion: Ulrike Quast

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