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Der Deckmantel der Majestätsbeleidigung

Nicola Glass20. Februar 2009

Thailand kommt seit dem Sturz von Ministerpräsident Thaksin Shinawatra nicht zur Ruhe. Die Nerven liegen auch beim Militär blank - und ein Buchautor gießt zusätzlich Öl ins Feuer. Genau das wird ihm jetzt zum Verhängnis.

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Bild: DW / HGGF

Die Dinge haben für ihn eine drastische Wende genommen: Im Januar war der Politikwissenschaftler Giles Ungpakorn von der Polizei vorgeladen und offiziell der Majestätsbeleidigung beschuldigt worden. Der Grund: Sein Buch mit dem Titel „Ein Coup für die Reichen“. Dieses hatte er wenige Monate nach dem Putsch vom September 2006 veröffentlicht. In dem Buch untersucht Ungpakorn die Rolle der Monarchie und übt außerdem massive Kritik an den Militärs und der konservativen Elite im Lande. „Die Militärs behaupten oft von sich, die Verteidiger des an die Verfassung gebundenen Monarchen zu sein“, so der Politologe, „und doch hat Thailands Militär eine lange Geschichte von Coups aufzuweisen, und die waren verfassungswidrig.“ Die Staatsstreiche würden oft mit dem Schutz der Monarchie gerechtfertigt. Der Putsch vom 19. September 2006 gegen den damaligen Premier Thaksin Shinawatra sei dafür ein sehr gutes Beispiel.

Gesetzesmissbrauch macht Kritiker mundtot

Thailand Militär-Putsch Soldaten bewachen wichtige Zufahrtstraße in Bangkok, Thailand
Militärputsch 2006Bild: AP

Der Druck wurde so groß, dass Ungpakorn vor kurzem beschloss, Thailand den Rücken zu kehren und ins englische Oxford zu fliehen. Der Politologe, der sowohl die thailändische als auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt, befürchtete, keinen fairen Prozess zu bekommen. Seiner Überzeugung nach diene das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung dazu, Rede- und Meinungsfreiheit zu unterbinden. Und es erfüllt offensichtlich noch einen weiteren Zweck: „Das Gesetz wird vom Militär und anderen autoritären Eliten als Mittel dafür benutzt, um ihre eigenen Interessen zu schützen.“

Giles Ungpakorn ist bei weiten nicht der einzige Betroffene. Dutzende sehen sich mit Anschuldigungen oder Anklagen konfrontiert, darunter Akademiker, Aktivisten, Journalisten und Internetblogger. Und es sitzen bereits Menschen deswegen im Gefängnis. Menschenrechtler sprechen von einer „Hexenjagd“. Der Anwalt Somchai Homlaor nennt als Grund für die zunehmenden Zahl von Strafanzeigen den anhaltenden politischen Konflikt im Lande. „Die Anklagen wegen Majestätsbeleidigung werden entweder von Einzelpersonen oder politischen Gruppierungen als politisches Werkzeug gegen ihre Gegner benutzt.“

Anhänger von Thaksin Shinawatra halten Plakate vor dem Obersten Gericht in Bangkok
Anhänger von Thaksin demonstrieren in BangkokBild: AP

Thailands politische Krise hatte Ende 2008 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Massenproteste der sogenannten „Volksallianz für Demokratie“ gipfelten in der Besetzung beider Bangkoker Flughäfen und führten zum Sturz der damaligen Regierung. Diese hatte sich überwiegend aus Anhängern von Thaksin Shinawatra zusammen gesetzt. Besiegelt wurde deren Schicksal letztlich durch ein Urteil des Verfassungsgerichts von Anfang Dezember, wonach die regierende „People Power Party“ (PPP) wegen Wahlbetrugs aufgelöst wurde. PPP-Anhänger sprachen von einem „Putsch der Justiz“. Nutznießerin der politischen Konfrontation war die „Demokratische Partei“ (DP), die nun die neue Regierung führt. Kritiker sagen, die DP sei vor allem mit Hilfe des Militärs an die Macht gelangt.

Steigbügelhalter der Konservativen

Militärparade in Bangkok Thailand
Militärparade in BangkokBild: DW / HGGF

Seitdem, so scheint es, macht sich die DP-geführte Regierung zur Erfüllungsgehilfin des konservativen Establishments. Sie überzieht das Land mit einer fast beispiellosen Kampagne, die alles, was als Majestätsbeleidigung ausgelegt werden könnte, zensiert. Das Internet steht massiv unter Beobachtung, etliche tausend Webseiten wurden bereits blockiert. „Behörden und Politiker benutzen das Strafgesetz, um ihre Macht zu etablieren und ihren Ruf zu bewahren“, kritisiert auch die Organisation „Reporter ohne Grenzen“. Doch Thailands Justizministerium beharrt darauf, dass das Ganze eine Frage der nationalen Sicherheit sei.

In Wirklichkeit geht es um den Erhalt von Privilegien. Seit dem Sturz Thaksins sind Konfrontationen zwischen dessen Anhängern und Gegnern unausweichlich. Thaksin galt in den Augen der konservativen Elite, die aus weiten Teilen des Militärs, der Bürokratie sowie der Ober- und Mittelschicht besteht, als Emporkömmling. Die Mehrheit der armen Landbevölkerung im Norden und Nordosten hingegen liebte ihn. Aber wenn es nach der alten Elite ginge, hätten die Armen es nicht verdient, zu wählen. Das Establishment hält die Reisbauern und Tagelöhner für politisch unmündig.

Nichts geht ohne Militär

Militärparade in Bangkok Thailand
Demonstration der MachtBild: DW / HGGF

In dieser gesellschaftlichen Spaltung liege offenbar das harsche Vorgehen gegen Kritiker durch die von der „Demokratischen Partei“ geführte Regierung begründet, sagen Beobachter. Der Politologe Giles Ungpakorn begründet das so: „Weil die Demokratische Partei nicht durch ein demokratisches Prozedere an die Macht gekommen ist, sondern durch Rückendeckung des Militärs.“ Sie brauche Legitimation und spreche deshalb darüber, die Monarchie schützen zu wollen. „Das geschieht auf die gleiche Weise wie beim Militär.“

Viele Beobachter warnen vor dieser Entwicklung: Je weiter die Anklagen wegen Majestätsbeleidigung voran getrieben würden, desto größer sei letztlich der Imageschaden für das Land. „Wenn wir das Ganze einfach so weiter laufen lassen“, gibt der Anwalt Somchai Homlaor zu Bedenken, „dann leidet nicht nur jeder, der angeklagt wurde, sondern auch unsere Monarchie.“ Derzeit sieht es aber nicht danach aus, dass das harsche Gesetz gelockert oder gar abgeschafft wird. Die Debatten darüber gehen gerade erst los – mehr oder weniger öffentlich.