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Der Boss kommt

30. Mai 2003

Es ist das erste Mal seit dem Irakkrieg, dass US-Präsident Bush fast alle trifft, die in Europa Rang und Namen haben: In St. Petersburg und Evian dürfte jede seiner Gesten und Äußerungen auf die Goldwaage gelegt werden.

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Den Russen vergeben, die Deutschen ignorieren und die Franzosen bestrafenBild: AP

Russland setzt seinem Außenminister zufolge nach dem Streit mit den USA über den Irakkrieg auf bessere Beziehungen zu der Regierung in Washington. "Wir können sicher sagen, dass die russisch-amerikanischen Beziehungen einen weiteren ernsten Test hinter sich haben", schrieb Außenminister Igor Iwanow in einem Beitrag für die britische Tageszeitung "Times".

Putin und Bush wollen sich im russischen St. Petersburg und anschließend auf dem Gipfel der sieben führenden Industrienationen und Russlands (G8) in Frankreich treffen. Russland hatte wie Deutschland und Frankreich den US-geführten Irakkrieg abgelehnt. US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sagte im Vorfeld, Bush wolle auf seiner Europa-Reise den Streit um den Irakkrieg hinter sich lassen.

Keine Versöhnung in Sicht

Wer vom Oberbefehlshaber der einzigen Supermacht freundliche Versöhnungsgesten erwartet, wird dennoch enttäuscht werden. Bush sei zwar bereit, die tiefen Gräben, die sich im Streit aufgetan haben, zu überwinden - allerdings nur zu seinen Bedingungen und ohne Konzessionen an die alten Verbündeten, die sich als Kriegsgegner profiliert haben, hieß es im Weißen Haus. "Der Präsident hat Verständnis für ehrliche Meinungsverschiedenheiten. Keiner versteht aber, wenn so etwas eine anti-amerikanische Färbung bekommt", sagt Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice. Genau das kreiden die Amerikaner Franzosen und Deutschen aber an. "Wir werden sehen, dass er (Bush) Chirac und Schröder die kalte Schulter zeigt", sagt Ivo Daalder, renommierter Polit-Analytiker der Washingtoner Denkfabrik Brookings, voraus.

Weitreichende Verstimmung

Die politischen Folgen der schweren transatlantischen Verstimmung könnten aber über persönliche Verstimmtheit weit hinausgehen, meint Daalder. Die Tage der uneingeschränkten amerikanischen Unterstützung für die europäische Einigung seien vorbei. "Wir sind an einem Punkt, wo wir nicht mehr zu der Freundschaft, die mehr als 50 Jahre vorhanden war, zurückkehren." Der Eindruck vertiefe sich, dass Bush das Auseinanderdriften Europas in der Irakfrage ganz gelegen komme. "Die USA sind bereit, das Messer in die Wunde zu stecken und noch ein bisschen darin herumzurühren, damit Europa noch weiter auseinander fällt und Verbündete je nach Lage gesucht werden können", gibt Daalder diesen Eindruck wieder. Wo Bushs Präferenzen liegen, wird schon an der Reiseroute deutlich: Erste Station war Polen.

Wenn Routen wichtig werden

Polens Staatspräsident Aleksander Kwasniewski gilt als "bester Freund" der US-Regierung, der den Vertrauenstest mit Bravour bestand - uneingeschränkte Unterstützung für die USA auf dem Irakkurs, untermauert durch die symbolische Entsendung von polnischen Elitetruppen in den Krieg. Dann Russland. Obwohl auch Präsident Wladimir Putin den Irakkrieg nicht wollte, will Bush an dieser Front so schnell wie möglich gutes Wetter machen. Bush hat Putin nach eigenen Angaben bei der ersten Begegnung in Slowenien vor zwei Jahren tief "in die Seele geblickt" und gesehen, dass dieser Vertrauen verdient.

Von einem solchen Seelenblick war weder bei Chirac noch Schröder je die Rede. Nach Chiracs Blockadepolitik gegen die von Washington gewünschte UN-Resolution zur Kriegsermächtigung ist die Chance der Annäherung vertan. Und mit dem Namen Schröder verbindet Bush nach wie vor ein gebrochenes Versprechen: Nach Washingtoner Lesart versprach der Kanzler im vergangenen Jahr, den Irak nicht zum Wahlkampfthema zu machen. Die anschließenden Breitseiten aus Berlin haben Bush schwer verärgert. (arn)