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BTNG: „Bei uns im Leben ging’s immer nur um Anerkennung“

Jens von Larcher30. Oktober 2015

George Boateng alias BTNG wuchs in Berlin-Wedding auf. Seine Brüder sind die Fußballer Jérôme und Kevin-Prince Boateng. Im DW-Interview spricht der Rapper über seine Musik und seine Erfahrungen als schwarzer Deutscher.

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Bild: Ondro Ovesny

Deutsche Welle: George, Du hast gerade Dein Debütalbum „Gewachsen auf Beton“ veröffentlicht. Was bedeutet Rap für Dich?

BTNG: Zurzeit bedeutet mir das natürlich sehr viel, weil ich mich jetzt viel in diesen Kreisen bewege. Ich bin seit fünf, sechs Jahren dabei und zum Glück hat sich mein erstes Album auch gut platziert (in Deutschland auf #45, Anmerkung der Redaktion). Die Leute haben verstanden, dass das auch gute Musik ist, und gucken über den Rand, jetzt nicht immer nur auf den Namen Boateng.

Warst Du denn schon immer ein Rap-Fan?

Ja, diese Musik hat mich schon immer begleitet, na klar! Ich höre schon von klein auf Musik – ich bin so ein richtiger Musik-Junkie.

Was ist Dir bei deinen Texten wichtig?

Ich weiß, worauf Du jetzt hinaus willst: Ob ich mir jetzt so viel Kopf mache, was für Wörter ich verwende oder so… Ich rede einfach frei Schnauze. Da mache ich mir gar keinen Kopf, dass jetzt unbedingt irgendetwas Bestimmtes gesagt werden muss oder dass ich auf eine Vorbildfunktion achten muss oder sowas. So weit bin ich jetzt noch gar nicht. Ich habe mich erst mal ausgelebt bei dem Album und nicht an so viel gedacht. Das sind halt Momentaufnahmen von dem, was bis heute in meinem Leben passiert ist.

Du rappst sehr viel über den Stadtteil Wedding, in dem Du aufgewachsen bist und lange gewohnt hast. Was bedeutet Dir denn der Wedding noch?

Ich lebe hier nicht mehr, aber ich habe hier noch Familie und auch sehr viele Freunde. Es macht immer Spaß, hierher zu kommen. Heute habt Ihr mich hierher gerufen – der Wedding ist immer cool und ich sehe ja dann mindestens zehn Leute, die ich kenne. Und das ist halt super. Ich war auch gerade mit meinem Cousin unterwegs, den ich lange nicht mehr gesehen habe. Kurz bei der Familie vorbeigeschaut und jetzt habe ich mich mit Euch getroffen. Also, das ist alles cool.

Was ist denn cool am Wedding? Für viele ist das ja ein Problem-Stadtteil.

Der hat sich verändert über die Jahre. Aber was den Wedding früher ausgezeichnet hat, das war halt dieser Zusammenhalt. In einer Straße wohnen vielleicht 500 Familien und davon kennst Du einfach mal 80, 85 Prozent. Und jeder kennt Deine Familie und das war schon ganz gut. Das zeichnet den Wedding oder Bezirke wie Kreuzberg oder Neukölln aus. Du wächst halt immer so auf und weißt, Du achtest auch auf Dein Nachbarkind, seinen Bruder und so… Das zeichnet uns halt aus, so sind wir gestrickt.

Deine Brüder Jérôme und Kevin-Prince sind weltberühmte Fußballer und tauchen sowohl im Video „Käfigtiger“ als auch in vielen Texten auf. Was bedeutet Dir heute Deine Zeit mit Deinen Brüdern in Deiner Jugend?

Das bedeutet mir natürlich sehr viel - wie für jeden anderen Bruder auch. Wir haben super Zeiten gehabt, wir sind gut aufgewachsen, haben uns spät zusammen gefunden, aber dann richtig fest. Und was jetzt passiert ist, ist ja nicht mehr normal: Weltmeister-Titel, in Italien gespielt, bester Spieler Nummer zehn in Italien, die meistverkauften Trikots und so. Das sind alles Sachen, auf die wir sehr viel Wert legen. Bei uns im Leben ging’s immer nur um Anerkennung. Und ich glaube, die haben wir alle auch bekommen - jeder in seinem Feld. Ich bin jetzt auch auf dem besten Weg und extrem dankbar für die positive Resonanz, die die Leute mir entgegen bringen. Das macht natürlich dann mehr Spaß. Aber um auf das Thema nochmal zurück zu kommen: Meine Kindheit war natürlich super. Der Zusammenhalt ist halt, wie ich vorhin schon mal gesagt habe, immer da und wird hoffentlich auch immer bleiben.

Auf den Spuren der Boatengs im Wedding
Bild: picture-alliance/dpa

Du rappst darüber, wie ihr in einem ‚Käfig‘ zusammen Fußball gespielt habt. Wie war damals die Stimmung bei Euch?

Das ist halt eine raue Atmosphäre. Da steht kein Schiri in der Ecke und sagt: ‚Das ist jetzt ein Foul‘ oder ‚Ey, gib den Ball mal dem Kleinen, weil er jünger ist‘. Da musst Du Dich halt durchbeißen. Es ist jetzt auch nicht so, dass da jeden Tag Schlägereien waren, aber so einmal in ein, zwei Wochen konnte das schon mal passieren, dass da zwei Streithähne gegeneinander geknallt sind. Da ist dann keiner da, der die voneinander trennt. ‚Ellenbogen raus‘ sag ich dazu und das gehört einfach dazu.

Worum geht es in Deinem Track „Schattenbruder“?

Das ist eigentlich ganz leicht zu erklären: Früher stand ich im Schatten meiner Brüder und jetzt will ich raus aus dem Schatten. Das ist jetzt nicht immer negativ gemeint. Ein Vater ist ja auch immer im Schatten von seinem Sohn, weil er ja immer nach ihm guckt. Oder – in meinem Fall - ein großer Bruder, der nach seinem kleinen Bruder sieht. Aber jetzt ist diese Zeit vorbei, die brauchen meinen Schatten nicht mehr. Die sind jetzt erwachsene Männer, haben selber Kinder und Familien - ja, das sind gestandene Männer und jetzt reicht’s irgendwann mal.

Dein Vater Prince Boateng ist 1981 aus Ghana zum Studieren nach Deutschland gekommen und hat hier Deine Mutter Christine Rahn kennengelernt. Als Du noch ein Kind warst, haben sich Eure Eltern getrennt und Du bist bei Deiner Mutter aufgewachsen. Hat Dich Dein Vater trotzdem beeinflusst?

Ja, die ersten sechs Jahre sind beim Kind die wichtigsten. Und in den ersten sechs Jahren war er da und von daher wurde ich extrem geprägt… mit der Musik. Aber auch der ghanaische Lifestyle ist ganz anders als der typisch deutsche. Den Rest hab ich mir dann später selbst dazu geholt, weil ich ja irgendwann alleine war. Aber den ersten Kick hat mir auf jeden Fall mein Vater gegeben.

Inwiefern interessiert Dich Ghana denn auch musikalisch?

Ich bin für viele Sachen offen - wir Ghanaer sind ja musikalisch experimentierfreudig. Wir mögen viel Fröhliches und nicht immer unbedingt so deprimierende und aggressive Sachen. Anfangs war das aber noch nicht so: Da hab ich noch viel, viel Aggression und Depression und Hass gespürt und auch nach außen transportiert. Aber mit den Jahren ist das alles ein bisschen ruhiger geworden. Ich bin jetzt kein Friede-Freude-Eierkuchen-Typ, aber auf jeden Fall ein bisschen gechillter.

Berliner Rapper George Boateng alias BTNG
Bild: Warner Music

Habt Ihr viel mit Rassismus zu kämpfen gehabt?

Ja, damals noch viel mehr als heutzutage… Oder heutzutage sieht man’s nicht mehr, weil man’s nicht mehr so an sich ranlässt. Da hat man ein dickeres Fell bekommen. Aber natürlich - in der Jugend gab’s oft diese N-Wörter und solche Sprüche.

Was hat das mit Dir gemacht? Wie hast Du darauf reagiert?

Ja, ich hab darauf immer mit Gewalt reagiert, weil ich keinen Vater oder Bruder hatte, der mich verbal verteidigen konnte. Also hab ich das dann selbst gemacht – ich hab mir dann den entsprechenden Spieler auf dem Platz geschnappt und danach, wenn seine Eltern noch was wollten, hab ich mit denen auch nochmal kurz… Da war ich ganz offen für sowas früher, ja.

In ‚Himmel‘ rappst Du über ein Gefängnis. Du hast vor einigen Jahren ja auch mal mehrere Monate lang in Untersuchungshaft gesessen. Wie siehst Du diese Zeit heute und wie hat sie Dich geprägt?

Man wird halt auch älter und bei mir kamen dann halt mehrere Sachen dazu: Ich habe geheiratet, ein Kind bekommen und all diese Geschichten. Aber am Anfang lief das alles bei mir natürlich ganz anders. Das hat nicht lange gedauert, bis die Faust gelandet ist - das muss man halt ehrlich so sagen. Aggression war damals mein Hauptproblem. Ich hatte davon viel zu viel, den Adrenalin-Spiegel immer schön hoch und… ja, dann hat’s auch manchmal geknallt. Aber umso besser ist es heutzutage, das hätte ich damals nicht gemacht. Ich habe eins in meinem Leben gelernt: Die Entwicklung eines Menschen ist wie eine Pyramide, das heißt: step by step. Also, wenn Du jetzt anfängst, von der zweiten Stufe auf die fünfte zu springen, kannst Du Dir sicher sein: Mit 45 fährst Du mit einem fetten Ferrari-Cabrio und Deine ganzen Bekannten lachen Dich aus. Die sagen dann: ‚Das machst Du jetzt mit 28, aber was willst Du Lappen dann später überhaupt noch machen?‘ Ich werde ja oft gefragt: ‚Bereust Du was? Würdest Du was anders machen?‘ Ich bereue gar nichts! Alles ist zu dem Zeitpunkt genau so richtig gewesen. Ich bin kerngesund, ich hab ‘ne Familie, ich hab ein normales Gehirn - alles ist gut so. Da gibt es jetzt nichts, wo ich sage, das ist wahnsinnig schlimm gewesen oder hätte nicht passieren dürfen. Nur wegen all dieser Sachen bin ich der, der ich bin.

Welches Ereignis hat Dich in letzter Zeit besonders beschäftigt?

Letztens ist mal wieder das N-Wort in irgendeiner Talkshow gefallen. Da hat irgendein CSU-Politiker (Joachim Herrmann, Anmerkung der Redaktion) das N-Wort benutzt. Er hat gesagt, Roberto Blanco sei ein „wunderbarer Neger“ und bei Bayern München spielten ja auch welche. Das hat mich natürlich aufgeregt, weil mein Bruder bei den Bayern spielt, und mein Bruder ist kein „wunderbarer Neger“ sondern ein ganz normaler Mensch, der eine übertrieben gute Leistung bringt. Und den solltest Du auch daran messen – alles andere ist Schwachsinn. Und weder die Leute im Publikum oder in der Sitzrunde… Da hat sich keiner ein bisschen grade gemacht. Nicht für uns Afrikaner oder uns „schwarze Menschen“, sondern einfach gegen die Ungerechtigkeit, dass man überhaupt so abwertend über eine „Rasse“ reden darf. Und das ärgert mich und darum sind wir bei dem Punkt, dass ich sage: ‚Ich scheiß auf Politik.‘ Da muss Deutschland anfangen nachzudenken und nicht mich oder irgendwelche Leute fragen. Fragt Euch selbst, wie weit Ihr es habt kommen lassen, dass man das öffentlich im Fernsehen sagen kann und keine Sau sich beschwert.

Berliner Rapper George Boateng alias BTNG
Bild: Ondro Ovesny

Wie geht’s denn weiter bei Dir? Dein Album ist ja gerade veröffentlicht worden, was sind Deine nächsten Pläne?

Ich habe noch keine festen Pläne aber natürlich schon ein paar Ideen. Das mit der Musik wird mit Sicherheit weitergehen. Einen fließenden Strom soll man schließlich nicht aufhalten. Und so lange es gerade fließt, mach ich einfach direkt nahtlos weiter. Ein Veröffentlichungsdatum für eine neue Platte gibt es natürlich nicht, aber ich bin auf jeden Fall heiß darauf.