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Precision Farming

11. November 2009

Auf der Agritechnica in Hannover werben die Landmaschinenhersteller für "Precision Farming". Sie hoffen auf eine goldene Zukunft, denn im Jahr 2050 müssen neun Milliarden Menschen ernährt werden.

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Eine knallrote Landmaschine (Foto: DLG)
Riesenmaschinen, die das Technik-Herz höher schlagen lassenBild: DLG-Pressestelle

Die Stimmung auf der Messe ist gut, die Unternehmen strotzen vor Zuversicht. 2.300 Aussteller, sieben Prozent mehr als letztes Mal, 1.100 kommen aus dem Ausland, fast doppelt so viele wie 2005. Von Krise ist wenig zu spüren - und das hat seinen Grund: "Mittel- und langfristig laufen alle Trends und Rahmenbedingungen auf den Sektor Landwirtschaft zu", sagt Reinhard Grandke, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Landwirtschafts- Gesellschaft DLG.

Und die Trends sind eindeutig. Im Jahr 2050 werden nach Hochrechnungen der Welternährungsorganisation FAO rund neun Milliarden Menschen auf der Erde leben, und die müssen ernährt werden. Die verfügbare Fläche für die Landwirtschaft ist dagegen nicht vermehrbar, im Gegenteil: Durch den Klimawandel versteppen weltweit immer mehr Flächen, die Niederschläge werden zunehmend unkalkulierbar. Nach Angaben der Vereinten Nationen und der FAO stehen jedem Menschen bis zum Jahr 2050 nur noch 1.800 Quadratmeter für den Ackerbau zur Verfügung – im Jahr 1950 waren es noch 5.100 Quadratmeter.

Moderater Rückgang

Traktor mit mannshohen Rädern (Foto: DLG)
Traktoren und Zugmaschinen von 50 bis &00 PS finden sich in den Messehallen - dieser ist "Traktor des Jahres"Bild: DLG-Pressestelle

Ein zweiter Faktor ist die stark steigende Nachfrage nach Bioenergie, durch die weltweit immer mehr Flächen für den Anbau von Energiepflanzen genutzt werden. Das bedeutet eine höhere Flächenauslastung – auf einer Gesamtnutzfläche, die zunehmend knapper wird. Keine Frage: Da ist moderne und intelligente Landtechnik gefragt – ein Markt, der im Jahr 2008 ein weltweites Volumen von 67 Milliarden Euro erreicht hat, und der die Krise trotz allem weniger spürt als andere Branchen.

"Wir erwarten in diesem Jahr einen Produktionsrückgang in der deutschen Landtechnikindustrie von circa 25 Prozent", sagt Bernd Scherer, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbandes Landtechnik. Das ist, verglichen mit anderen Branchen wie etwa den Baumaschinen oder Nutzfahrzeugen, ein recht moderater Rückgang. Zudem will die Branche, die in Deutschland rund 7,5 Milliarden Euro umsetzt und etwa 30.000 Menschen beschäftigt, ihr Stammpersonal unbedingt halten. Denn es kommen auch wieder bessere Zeiten, und zyklische Schwankungen ist man in der Landwirtschaft ohnehin gewöhnt.

Protektionismus in Russland

Ein Mähdrescher (Foto DLG)
Mähdrescher haben heute Arbeitsbreite von bis zu 14 MeternBild: DLG-Pressestelle

Schade nur, dass gerade Osteuropa als Nachfrager in der Krise ausgefallen ist: "Dort hat die Finanz- und Wirtschaftskrise sich sehr rasch und auch sehr deutlich bemerkbar gemacht", sagt Scherer, "auch weil die Landwirtschaft dort auf einen hohen Anteil an Fremdfinanzierung beim Kauf von Landtechnik angewiesen ist." Gleichzeitig hatten sich viele Märkte der Region gerade für die deutschen Hersteller zu den größten Exportmärkten entwickelt. Deutschland ist in einigen Ländern Osteuropas nach wie vor der wichtigste Lieferant von Landtechnik.

Sauer ist die Branche auf Russland, das in der Krise zum Mittel des Protektionismus gegriffen hat. Die Importzölle für Landtechnik sind um 15 Prozent gestiegen. Für Traktoren und Zugmaschinen bedeutet das ein Plus von 120 Euro pro Kilowatt Leistung – und das alles nur, um die ohnehin kaum vorhandene russische Traktorenindustrie vor der Konkurrenz zu schützen. Doch die ist längst vor Ort: "Die westlichen Hersteller, zumindest wir drei, sind angetreten. Russland ist ein Riesenmarkt, da ist Platz für alle", sagt Martin Richenhagen, Präsident und Vorstandsvorsitzender der AGCO Corporation, zweitgrößter Landmaschinenhersteller der Welt. Wir drei, damit meint er neben seinem Unternehmen den amerikanischen Weltmarktführer John Deere und das Familienunternehmen Claas in Harsewinkel bei Gütersloh, das als Nummer drei immerhin auch noch für rund drei Milliarden Euro Umsatz steht.

Nur noch drei globale Player

Eine Maschine für die Ernte von Maispflanzen (Foto: DLG)
Moderne Landmaschinen gibt es für jeden Zweck, aber nicht für jeden GeldbeutelBild: DLG-Pressestelle

Auf der Agritechnica in Hannover sitzen die drei einträchtig nebeneinander und tun sich nicht weh: "Wir haben den Riesenvorteil, dass die Hersteller von Landmaschinen in den vergangenen 50 Jahren eine große Konsolidierung erlebt haben, und hier treffen Sie also die Überlebenskünstler", sagt Richenhagen. Es gibt nur noch drei globale Player. "Wir haben eigentlich weniger Wettbewerb als in der Vergangenheit", sagt der AGCO-Vorstandschef. "Aber das heißt nicht, dass das Leben einfacher wird, weil die Firmen insgesamt wesentlich besser geworden sind."

Das kann man auf der Agritechnika beobachten. Das Bild des Landmannes auf der Scholle gehört längst der Vergangenheit an, heute arbeitet er mit Computern und der neuesten Mess- und Steuerungstechnik. Mit Satellitenunterstützung sagt ihm der Computer, wo er nächstes Jahr mehr düngen und wo er mehr Pflanzenschutzmittel ausbringen muss, die High-Tech-Erntemaschinen drücken die Verluste auf weniger als 0,2 Prozent. "Precision Farming", die Präzisions-Landwirtschaft heißt das neue Schlagwort.

Roboter auf dem Acker?

Eine grün lackerte Heuwende- Vorrichtung auf einem Traktor (Foto: DLG)
Manche Geräte seher eher aus wie UfosBild: DLG-Pressestelle

Und Markwart von Pentz, Präsident der Deere Company, hat noch ein weiteres Feld entdeckt: "Nur ein Prozent der gesamten Wassermenge auf dem Globus ist Süßwasser. Und von diesem einen Prozent werden 70 Prozent in der Landwirtschaft verwendet. Grund für uns, auch in "precision irrigation" einzusteigen, also Präzisionsbewässerung."

High-Tech in der Landwirtschaft – werden wir bald nur noch Roboter auf dem Acker sehen? Hermann Garbers, Geschäftsführer Technik bei Claas, glaubt nicht daran: "Die Verkehrsplaner in den 70er Jahren haben gedacht, im Jahr 2000 werde der Verkehr ferngesteuert, man brauche sich nur in irgendeine Kabine setzen. Aber das ist alles nicht gekommen. Die Vision, dass wir in zehn Jahren nur noch Roboter auf dem Acker haben, die sehe ich noch nicht."

Carl Albrecht Bartmer, Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft DLG (Foto: DLG)
Carl Albrecht Bartmer, Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft DLGBild: DLG-Pressestelle

Vor allem wohl auch, weil die schöne neue Technik nicht ganz billig ist. Im Grunde können sich solche Investitionen nur noch Maschinenringe, Genossenschaften und spezialisierte Dienstleister erlauben. Denn welcher Landwirt kann sich schon eine Maschine für eine Viertelmillion oder mehr leisten? "Vor zwei Jahren hätte ich Ihnen recht gegeben", sagt Carl-Albrecht Bartmer, Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft DLG. "Aber heute können Sie Notebooks und Blackberrys an jeder Ecke für einen Appel und ein Ei kaufen. Und das gleiche Phänomen erleben wir hier auf der Agritechnica: Die neue Technik wird auch für mittlere Betriebsstrukturen erschwinglich."

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Klaus Ulrich