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"Der Anschlag war keine Überraschung"

3. Januar 2011

In Deutschland leben rund 10.000 Kopten. Ihr geistliches Oberhaupt ist Anba Damian, der Bischof der koptischen Gemeinde. Im DW-Interview erzählt er, wie sie den Anschlag in Ägypten aufgenommen hat.

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Bischof Anba Damian (Foto: Anba Damian)
Bischof Anba DamianBild: Anba Damian

DW-WORLD.DE: Bischof Damian, wie haben Sie und Ihre Gemeinde auf die Nachricht von den verheerenden Anschlägen in der Silvesternacht reagiert?

BISCHOF DAMIAN: Wir sind schockiert. Wir haben nicht geglaubt, was wir sehen und hören. Wörter reichen nicht aus, um die Tiefe unserer Wunden und die Schmerzen in unserem Herzen zu beschreiben. Wir beten für die Toten, die Verletzten, die Angehörigen und das ganze koptische Volk weltweit.

Sie sind traurig, sind Sie auch wütend?

Wir sind nicht glücklich über das, was in unserem Heimatland geschieht. Das ist nicht die erste Geschichte. Es ist eine Serie von Verletzungen in der Würde der Kopten. Diese Serie ist ununterbrochen. Letztes Jahr am 6. Januar wurden sechs Kopten ermordet, unmittelbar nach der Christmette vor der Kirche. Bis heute sind die Täter noch nicht verurteilt. Uns stellt sich die Frage, ob die ägyptischen Behörden uns nicht schützen können oder wollen?

Sie haben es beschrieben: Die Situation für die Kopten ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Haben Sie mit einem solchen Anschlag gerechnet?

Die Atmosphäre war sehr grausam. Die Menschen verließen die Moscheen nach dem Freitagsgebet mit Demonstrationen und hitzigen Parolen. Sie beschimpften unseren Papst. Sie äußerten Drohungen. Als ich zum letzten Mal im November 2010 in Ägypten war, war die Atmosphäre nicht gesund. Die Stimmung war deprimierend. Islamisten äußerten in Fernsehstatements Drohungen. Auch in Deutschland waren Drohungen im Umlauf. Von daher war der Anschlag keine allzu große Überraschung. Trotzdem ist diese Grausamkeit für unser Heimatland Ägypten absolut fremd.

Warum ist das Klima zwischen Kopten und Muslimen in der letzten Zeit immer schlechter geworden?

Die Menschen sind frustriert. Muslime kommen voller Wut und Hass aus den Moscheen. Eine Predigt am Freitag ist fast wie eine Kriegserklärung. Viele Menschen werden dort aufgehetzt und gehen dann auf die Christen los.

Welche Verantwortung trägt denn Ihrer Meinung nach Ägyptens Regierung für diese Entwicklung zwischen Christen und Muslimen?

Sie trägt die volle Verantwortung und zwar allein. Die Kopten waren nie gewaltsam, wir haben keine politischen Ambitionen. Wir waren immer treu gegenüber der Regierung. Als Präsident Mubarak im Krankenhaus war, haben wir gebetet und Gottesdienste abgehalten. Und die Belohnung ist, das Oberhaupt der Kopten in Ägypten zu beschimpfen oder beschimpfen zu lassen.

Was können denn Europa und insbesondere Deutschland tun, um die Situation der Kopten in Ägypten zu verbessern?

Sie müssen ernsthaft mit der Regierung sprechen. Sie müssen sie zur Vernunft bringen und dafür Sorge tragen, dass die Christen in Ägypten ebenso wie die Muslime zu ihren Rechten kommen. Die Regierung sollte sich um ihre drei wichtigsten Elemente kümmern: Bekämpfung von Krankheit, Ignoranz und Armut. Ich frage mich, ob die Regierung diese Ziele überhaupt noch vor Augen hat. Ich weiß nicht, ob das Einmischen in religiöse Angelegenheiten überhaupt zu den Aufgaben der Regierung gehört.

Das Gespräch führte Günter Birkenstock

Redaktion: Katrin Ogunsade