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Politik

Deniz Yücel zieht Fazit seiner Haft

18. März 2018

Im ersten großen Interview nach seiner Freilassung dankt der Journalist Deniz Yücel der deutschen Regierung für ihren Einsatz. Gleichzeitig übt er auch deutliche Kritik an Kanzlerin Merkel.

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Türkei Freilassung von Deniz Yücel
Yücel nach seiner Freilassung in Istanbul am 16. FebruarBild: Getty Images/AFP/Y. Akgul

Mitte Februar wurde Deniz Yücel aus türkischer Haft entlassen, nun gibt der Journalist in der "Welt am Sonntag" und der Online-Ausgabe der Berliner "tageszeitung" erstmals ausführlich Auskunft über sein privates Befinden und die Inhaftierung. Es gehe ihm sehr gut, erklärte der 44-Jährige. "Zum einen, weil ich das große Glück hatte, dass meine Frau Dilek immer an meiner Seite stand und alles für mich getan hat, das gerade nötig war." Zudem seien seine Anwälte, die vielen Unterstützer, sein Arbeitgeber, Preise und Briefe für ihn eine große Stütze gewesen. Yücel erklärte, er genieße nun die wiedergewonnene Freiheit. Gleichzeitig gebe es immer wieder Momente, an denen er innehalte und merke, dass Dinge, die er vorher für selbstverständlich hielt, etwas Kostbares geworden seien.

In dem Interview äußerte sich der Journalist auch zur Rolle der deutschen Regierung und der Diplomaten vor Ort. "Ich glaube, die Bundesregierung war sehr in Sorge und hat sich nach Kräften um meine Freilassung bemüht", so Yücel. "Der deutsche Generalkonsul Georg Birgelen, der mich etwa einmal im Monat besuchen kam, hat seine Sache wirklich großartig gemacht." Zu den nach der Freilassung entstandenen Gerüchten, seine Entlassung sei im Zuge eines bilateralen Abkommens verfügt worden, erklärte Yücel, er sei sich durchaus bewusst, dass ein Geiselnehmer seine Geisel freilässt, wenn er meint, eine Gegenleistung bekommen zu haben. Da er aber selbst zum Gegenstand des deutsch-türkischen Verhältnisses geworden sei, wolle er die Türkei-Politik der Bundesregierung nicht im Lichte seiner Geschichte bewerten.

"Zweifacher Verrat" 

Deutliche Kritik äußerte Yücel aber am Verhalten Deutschlands vor seiner Verhaftung. Erst habe man einer Türkei, die am EU-Beitritt interessiert war, rigoros die Türe verschlossen. Jahre später, kurz vor der türkischen Parlamentswahl im November 2015, habe Angela Merkel der Türkei im Rahmen des Flüchtlingsabkommens eine Aufhebung der Visumspflicht in Aussicht gestellt und damit Präsident Recep Tayyip Erdogan Wahlhilfe geleistet. Dies komme einem zweifachen Verrat der progressiven und demokratischen Kräfte in der Türkei gleich.

Yücel saß mehr als ein Jahr ohne Anklage in der Nähe von Istanbul in Untersuchungshaft. Ihm werden "Propaganda für eine Terrororganisation" und "Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit" vorgeworfen. Das Verfahren läuft noch. Die erste Sitzung ist für den Juni angesetzt. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu 18 Jahre Haft.

djo/qu (epd, taz.de)