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Den Worten müssen Taten folgen

Günther Birkenstock18. Januar 2014

Nach weltweiter Empörung über das milliardenfache Datensammeln des US-Geheimdienstes NSA hat US-Präsident Obama Korrekturen versprochen. Seine Rede wird in Deutschland sehr unterschiedlich bewertet.

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USA PK Obama zur NSA-Affäre 17.1.2014
Bild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Es gibt ein klares Entgegenkommen", freut sich Stephan Mayer. Der CSU-Bundestagsabgeordnete ist von Obamas Rede am Freitag (17.01.2014) positiv überrascht. Die USA würden Europa und insbesondere die Deutschen mit ihrer Kritik ernst nehmen. Jetzt müssten allerdings den Worten Taten folgen. Sollte kein No-Spy-Abkommen zustande kommen, würde Deutschland aber keinesfalls die Beziehungen zu den USA abbrechen. "Dann werden wir weiter auf mehr Datenschutz und ein entsprechendes Abkommen drängen", erklärt Mayer im Gespräch mit der DW.

Sein Parteikollege Wolfgang Bosbach, Vorsitzender der Unionsfraktion, bewertet die Worte des US-Präsidenten kritischer. Demnächst keine Handys von Staatschefs mehr abzuhören, sei nichts besonderes, so Bosbach im Deutschlandfunk. "Die Zusage wird die Menschen nur bedingt beruhigen, denn die allermeisten Menschen auch in unserem Land sind ja weder Staats- noch Regierungschef." Im Grunde habe Obama hier nur etwas Selbstverständliches gesagt.

Wolfgang Bosbach MdB CDU
Wolfgang Bosbach: Barack Obama hat nichts Neues gesagtBild: CDU-NRW

Das Sicherheitsbedürfnis der USA verstehen

Der US-Präsident findet aber auch Verständnis - etwa beim SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Mützenich: "Leider sind die USA immer noch geprägt von den Anschlägen des 11. Septembers, aber auch durch den Anschlag im vergangenen Jahr in Boston. Das muss man bedenken." Obamas Zusage, die massenhafte Datenerfassung einzuschränken und vor allem in kriminellen Verdachtsfällen in Europa Menschen gezielt auszuspähen, sieht Mützenich im Gespräch mit der DW als Fortschritt. "Das war in den vergangenen Jahren in den USA gar nicht Thema. Aber aus deutscher Sicht ist das natürlich viel zu wenig." Auch müsse sich Europa selbst um einen internationalen Datenschutz bemühen und dafür Bündnispartner suchen. Gesetze zum Schutz der Privatsphäre seien absolut notwendig.

Datenschutzexperte Jan Albrecht, Abgeordneter der Grünen im EU-Parlament, zeigt sich von Obamas Rede nicht überrascht. "Das war nur ein Wechsel in der Rhetorik, aber nicht in der Sache. Die Massenüberwachung geht weiter." Europa müsse deshalb weiter Druck auf die USA ausüben und klarstellen, dass Datensicherheit für EU-Bürger ein wichtiges Gut sei. "Europa hat in den vergangenen Jahren einen erheblichen Wettbewerbsnachteil erlitten, dadurch, dass große IT-Unternehmen aus dem Silikon-Valley durch die US-Regierung unterstützt wurden und Monopolstellungen erlangt haben." Deshalb hätten diese Firmen Daten sammeln können, ohne dass irgendwelche Regeln gegolten hätten. "Damit muss Schluss sein", so Albrecht zur DW.

Jan Philipp Albrecht Europaabgeordneter der Grünen
Jan Albrecht: Europa darf sich nicht von der IT-Technologie der USA abhängig machenBild: picture-alliance/dpa

Europäische Standards entwickeln

Die EU-Regierungen müssten aber auch selber Konsequenzen ziehen. Die eigenen Geheimdienste würden der NSA wenig nachstehen. Außerdem sei wichtig, die lange ausstehende Datenschutzverordnung zu verabschieden. Es sei ein großer Fehler, dass die Mietgliedsländer das noch nicht beschlossen hätten. Und es sei wichtig, massiv in europäische Technik und Datensicherheit zu investieren. "Wir brauchen im Grunde einen digitalen New Deal, um europäische IT-Infrastruktur und Unternehmen endlich unabhängig zu machen", betonte Albrecht.

Ähnlich sieht das die netzpolitische Aktivistin Anna Biselli vom Internetportal netzwerk.org. "Aus meiner Informatiker-Sicht müssen in Europa Verschlüsselungsstandards entwickelt werden. Europa darf sich nicht mehr von US-amerikanischer Soft- und Hardware abhängig machen", erklärt sie im DW-Interview. Wichtig sei an Obamas Rede auch das, was er nicht gesagt habe, betont Biselli. Er habe zum Beispiel nicht angesprochen, dass die NSA auch Standards zur Datenverschlüsselung manipuliert habe. Die Konsequenz liegt nach Meinung von Anna Biselli auf der Hand: "Hier muss man davon ausgehen, dass das so weitergeht." Dennoch erkennt sie in der Obama-Rede auch einen Fortschritt. "Das Positive ist, dass die Genehmigung sich nicht mehr auf Massensammlung beschränken, sondern hin zu einer Genehmigung im Einzelfall gehen soll."

Anna Biselli Informatikerin
Anna Biselli: Die Verschlüsselungsstandards der EU müssen ausgebaut werdenBild: Privat

No-Spy-Abkommen reicht nicht

Die deutlichste Kritik kommt von der Bundestagsabgeordneten der Linken, Sevim Dağdelen. Sie findet es schockierend, "dass Obama im Grunde erklärt hat, mit der Praxis der Überwachung im weitesten Sinne und dem SMS-Speichern weiterzumachen". Die Bundesregierung müsse dagegen aktiv werden. Dezidiert formuliert Dağdelen im DW-Gespräch Maßnahmen, die die Bundesregierung beschließen sollte: Erstens "die sofortige Kündigung des Swift-Abkommens, das heißt, die Bankdatenübermittlung, zweitens das PNR-Abkommen zu den Fluggastdaten". Außerdem soll die EU das Freihandelsabkommen als Druckmittel einsetzen und drohen, die Verhandlungen darüber zu beenden. Das Wichtigste aber sei, die Infrastruktur für Spähangriffe und auch Geheimkriege in Deutschland zu zerschlagen - etwa die US-Kommandozentralen in Stuttgart und in Ramstein. "Als letztes muss die Bundesregierung UN-Abkommen unterstützen, die sich gegen die Grundrechtsverletzungen von Geheimdiensten stellt", aber auch einen wirksamen Schutz von Whistleblowern wie Edward Snowden garantierten. Ein No-Spy-Abkommen, so Dağdelen, reiche dafür nicht aus.

Sevim Dagdelen, MdB, Die Linke
Sevim Dagdelen: Die Bundesregierung muss harte Maßnahmen ergreifenBild: picture-alliance/ZB