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Forschung aus religiöser Perspektive

Rebecca Hofmann/Sebastian Kistler/Zarrin Monajati9. April 2013

Wie gehen Menschen mit dem Verlust ihrer Heimat durch Klimawandel um, sind Klimaverträge gerecht, formt Religion den Öko-Standpunkt einer Person? Drei Doktoranden erklären ihre Forschung.

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Rebecca Hoffmann
Bild: Rebecca Hofmann

Wie sieht Klimaforschung an in einem religiösen Fach aus? Global Ideas stellt die Projekte dreier Promotionsstudenten der Katholischen Fakultät der LMU München vor.

Warum der Klimawandel kulturelle Narben hinterlässt

Rebecca Hoffmann
Bild: Rebecca Hofmann

Rebecca Hofmann reist in die entlegensten Winkel der Erde, um mit Menschen zu sprechen. Denn nur so findet sie heraus, welchen unsichtbaren Schaden der Klimawandel anrichten kann.

Mit dem Klimawandel werden oft Flüchtlingströme in Verbindung gebracht. Die Bewohner kleiner pazifischer Inselstaaten sind dabei die Ersten, die ihr Land verlassen müssen: Wie gehen sie mit dieser Bedrohung um? Was bedeutet es für sie, ihre Heimat zu verlieren? Wohin würden sie im Ernstfall gehen?

Im mikronesischen Inseltstaat Chuuk versuche ich im Gespräch mit den Bewohnern Antworten auf diese Fragen zu finden. Hier ist das Land sehr tief stark mit Familientradition, Ansehen und der Persönlichkeit verknüpft.

Während der elf Monate, die ich dort verbracht habe, hat mich der offensichtliche Gegensatz zwischen der starken Verbundenheit zu ihrem Land einerseits und der hohen Akzeptanz von Migration andererseits immer wieder überrascht. Bei allen Gesprächen gab es aber immer ein zentrales Element: die Möglichkeit der Rückkehr. Wird diese aber durch die zerstörenden Auswirkungen des Klimawandels verwehrt, erleben die Menschen ein Abwandern als Trauma. Denn sie verlassen ja nicht nur ihre traditionellen Siedlungen, sondern sie lassen auch religiöse und kulturell wichtige Stätten zurück. So beeinflusst der Klimawandel das Leben nicht nur auf sichtbare Weise, sondern hinterlässt auch Narben im kulturellen Gedächtnis der Gemeinschaft.

Als Folge von Evangelisierung und Globalisierung begannen die Menschen, die Risiken des Klimawandels anders wahrzunehmen und ihre Bewältigungsstrategien zu ändern. Die wirtschaftliche Abhängigkeit von anderen Staaten führt dazu, dass die Einwohner immer weniger Einflussmöglichkeit sehen und das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten verlieren. Was man aber auch nicht vergessen darf: Aktuelle Umweltprobleme wie Müllentsorgung, Ab- und Frischwasserversorgung sind erst einmal viel dringlicher als die schleichenden Veränderungen der globalen Erwärmung. Daher gilt es, möglichst nachhaltige Strukturen zu schaffen, die den Menschen den endgültigen Abschied von der Heimat so lange als irgend möglich ersparen.

Wann Gleichheit ungerecht sein kann

Sebastian Kistler
Sebastian KistlerBild: Sebastian Kistler

Sebastian Kistler will Argumenten mehr Gewicht geben und herausfinden, was gerecht ist: So tragen nicht alle Menschen gleichermaßen zum CO2-Ausstoß bei, jedoch wird jedem dieselbe Menge an Emissionen zugestanden.

Die meisten Entwürfe für Weltklimaverträge nehmen Entwicklungsländer von CO2-Reduktionsverpflichtungen aus. Dadurch soll ihr Recht auf Entwicklung nicht beeinträchtigt werden. Da ich allerdings davon ausgehe, dass sich auf lange Sicht regenerative Energiesysteme durchsetzen werden, laufen Entwicklungsländer, die sich heute ihre Energieversorgung auf fossile Energieträger aufbauen, Gefahr, den Anschluss an ein neues Energiezeitalter zu verlieren. Dann blieben genau die Strukturen erhalten, die diese Länder heute und bereits in der Vergangenheit auf eine entwicklungspolitische Verliererposition brachten.

Generell untersuche ich die Tragfähigkeit und Widerspruchsfreiheit von Gerechtigkeitskonzepten, mit denen im Klimawandel diskutiert wird. In meiner wissenschaftlichen Arbeit untersuche ich Gerechtigungskonzepte, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel diskutiert werden, auf ihre Tragfähigkeit und Logik. Ernteausfälle, Trinkwasserverknappung und ein Anstieg des Meeresspiegels werden zu enormen Migrationswellen und einer Bedrohung des Friedens und der Entwicklung führen. Ein wichtiger Bezugspunkt zur christlichen Religion ist die Würde des Menschen als Person. Genau diese Personwürde wird dann bedroht, wenn durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels vielen Menschen die Existenzgrundlage genommen wird.

Durch den Klimawandel entsteht außerdem ein Gerechtigkeitsproblem in noch nie da gewesener globaler Dimension: Diejenigen Länder - vor allem Entwicklungsländer-, die am wenigsten zur Verursachung des Klimawandels beigetragen haben, leiden am stärksten unter dessen negativen Folgen. Der Dringlichkeit der Problematik steht ein sehr schleppendes Vorankommen der jährlich stattfindenden Weltklimakonferenzen gegenüber. Für mich ist offensichtlich, dass überzeugende Gerechtigkeitskonzepte fehlen, die die Weltgemeinschaft zu einer Modifizierung des ökonomischen Wachstumsparadigmas und zu wirkungsvollen Klimaschutzmaßnahmen veranlassen könnten.

Hier setzt meine Dissertation an: Um die Überzeugungskraft von Gerechtigkeitsargumenten zu verbessern, hinterfrage ich Klimaschutzinstrumente vor dem Hintergrund einer aktuellen philosophischen Debatte (Egalitarismus – Non-Egalitarismus) zum Thema: „Wie viel Gleichheit ist gerecht?“. Bezogen auf die Emissionsrechte frage ich zum Beispiel, ob es wirklich gerecht ist, dass jedem Menschen eine gleiche Menge an CO2-Emissionen zusteht.

Wie Religion umweltfreundliches Verhalten beeinflusst

Zarrin Monajati
Zarrin MonajatiBild: Zarrin Monajati

Zarrin Monajati schaut viele iranische Filme - aber nicht in ihrer Freizeit, sondern für ihre Doktorarbeit. Sie will herausfinden, wie die Religionskultur die Haltung des Einzelnen zu Umwelt und Natur beeinflussen kann.

Viele Denker unterschiedlicher Religionen und Kulturen sind sich einig, dass eine gesunde Interaktion zwischen Mensch und Natur und die Lösung der Umweltkrise nur aus den religiösen und spirituellen Grundfesten einer jeden Gesellschaft entstehen kann. Dazu gibt es auch viele muslimische Diskussionsschriften, doch die meisten sind recht unbekannt. Aber ich finde diese Sichtweise wichtig - besonders vor dem Hintergrund zunehmender Missverständnisse zwischen den islamischen Ländern und dem Rest der Welt. Deswegen untersuche ich in meiner Arbeit die Schriften muslimischer Denker zu diesem Thema in einem iranisch-schiitischen Kontext. Das scheint zwar sehr speziell, aber tatsächlich gilt jede Umweltbewegung als geeignetes Beispiel für die Vernetzung des Lokalen mit dem Globalen.

Mit meiner Arbeit will ich herausfinden, welche Ursprüge und welche Wechselwirkung es zwischen den komplexen Prozessen in der Natur und den religiösen und sozialen Entwicklungen im Iran gibt.

Das mache ich über zwei Wege: Zum einen studiere ich die Literatur dreier zeitgenössischer iranisch-muslimischer Autoren, die sich vor allem mit ökologischen Werten in der islamischen Tradition befassen. Sie interpretieren heilige Texte und islamische Gebote, um umweltfreundliche Lebensstile einzuführen. Obwohl sie dieselben Referenzen für ihre Ideen benutzt haben, war ich überrascht, wie jeder von ihnen diese für seine jeweilige Sichtweise ausgelegt hat. Die zweite Ebene meiner Arbeit ist eher auf einem künstlerisch-gesellschaftlichen Level: Ich analysiere iranische Kinofilme, die Naturelemente beinhalten und sich mit Umweltschutz befassen, um zu verstehen, welche gesellschaftliche Perspektive der Iran auf Umweltprobleme hat.

Ingesamt will ich so herausfinden, welche Perspektiven und Möglichkeiten es gibt, heutige Lebensstile zu überdenken und eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen.