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"Den Deutschen die Rechnung präsentieren"

26. August 2004

Polnischer Sejm debattiert über mögliche Kriegsentschädigungsforderungen

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Warschau, 26.8.2004, ZYCIE, poln.

Ein Teil der Sejmabgeordneten will die polnische Regierung verpflichten, sich an die deutsche Bundesregierung mit Entschädigungsforderungen für die Verluste zu wenden, die Polen in Folge des Zweiten Weltkrieges erleiden musste. Diese Verluste werden auf insgesamt 640 Milliarden Dollar und allein in Warschau auf 30 Milliarden Dollar geschätzt.

Die Abgeordneten des polnischen Sejm haben gestern (25.8.) sechs Stunden lang über den Entwurf eines Beschlusses diskutiert, der von Jerzy Czerwinski, einem Abgeordneten der Fraktion Nationalkatholische Bewegung (RKN), vorgelegt wurde. Für die Verabschiedung dieses Beschlusses sprachen sich die Parteien Recht und Gerechtigkeit (PiS), Selbstverteidigung (Samoobrona), Liga Polnischer Familien (LPR) und die Bauernpartei PSL aus.

Die Abgeordneten der Parteien Bürgerplattform (PO), der Arbeitsunion (UP) und der Polnischen Sozialdemokratie (SDPL) hingegen plädieren dafür, Änderungen in dem Entwurf im Ausschuss für Außenpolitik vorzunehmen. Der Abgeordnete der Partei Polnische Sozialdemokratie, Tomasz Nalecz, sagte dazu, dass "die Veränderungen in dem Entwurf bewirken sollten, dass er der polnisch-deutschen Versöhnung dient und nicht neue Konflikte hervorruft".

Donald Tusk, der Spitzenpolitiker der Partei Bürgerplattform sagte, dass man die Entwicklung der deutschen Haltungen nicht übersehen könne. "Dort versucht man sich von der Geschichte zu befreien, die Geschichte neu zu schreiben und am liebsten würde man die Geschichte vergessen. Auf deutscher Seite sollte die Bundesregierung die volle finanzielle Verantwortung für alle eventuellen zivilen Ansprüche deutscher Bürger übernehmen", sagte Donald Tusk. Er betonte ferner, dass die Absicht der Polen in Wirklichkeit ein Europa ohne Reparationsforderungen sei. Sollte es jedoch irgendwelche Entschädigungsforderungen in Europa geben, müsse auch Deutschland die Verantwortung dafür übernehmen.

"Die Deutschen sind für die enormen Verluste verantwortlich, die das polnische Volk erleiden musste und sie sollten dafür aufkommen", sagte Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der Partei Recht und Gerechtigkeit und fügte hinzu: "Es kann keine Versöhnung ohne Wiedergutmachung geben". Seiner Meinung nach wird dieser Beschluss keine Verschlechterung der polnisch-deutschen Beziehungen hervorrufen.

Die regierende Partei Bündnis der Demokratischen Linken (SLD) lehnt diesen Entwurf entschieden ab. Die Abgeordnete der Partei SLD, Boguslawa Towolewska sagte, dass ein solcher Beschluss verfassungswidrig wäre und den polnischen Interessen sowie der polnischen Staatsraison schaden würde.

Der Vizeaußenminister Jan Truszczynski erklärte, dass die polnische Regierung den Entwurf des Beschlusses in der jetzigen Form nicht unterstützen könne, weil er weder nützlich noch angebracht sei. Er diene nämlich nicht den Interessen Polens und seiner Bürger.

Die Abstimmung über diesen Beschluss wird am kommenden Freitag (27.8.) stattfinden. (sta)