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Demokratie auf Russisch

Darius Cierpialkowski 16. März 2004

Die Moskauer erzählten sich am Wahltag folgende Anekdote: "Wann gehen wir zu den Putin-Wahlen?", fragt die Ehefrau ihren Mann und fügt hinzu: "Übrigens, wem gibst Du deine Stimme?"

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Rund um Krasnojarsk und Irkutsk hätte Wladimir Putin noch einmal zur Wahl antreten müssen. Die Wahlbeteiligung lag dort unter 50 Prozent. Enttäuschend, der Plan wurde nicht erfüllt. Alle anderen Regionen Russlands haben sich an die Vorgaben des Kremls gehalten. Haushoher Sieger, die Republik Kabardino-Balkarien im Kaukasus - 94 Prozent der Wähler eilten dort an die Wahlurnen. Ein Traumergebnis, wie zu Sowjetzeiten.

Putins Versprechen

Gleich nach seiner Wiederwahl versprach der alte und neue Präsident, die demokratischen Errungenschaften in seinem Land zu sichern. Die wenigsten haben verstanden, was der Kremlherr damit meint. Vielleicht den überaus korrekten Ablauf der Präsidentschaftswahl, die allen demokratischen Regeln entsprach? Vielleicht.

Da ist es schon befremdlich, dass die internationalen Wahlbeobachter der OSZE sich als Spielverderber entlarvten und den Wahltriumph als undemokratisch brandmarkten. Was heißt schon: "fehlende politische Auseinandersetzung" oder "mangelnder Pluralismus". Das Endergebnis spricht doch Bände: Die Russen lieben Wladimir Putin und sie haben ihn mit über 70 Prozent der Stimmen gewählt.

Ohne Wahl

Gut, es gab auch kleine Unregelmäßigkeiten – aber wo gesägt wird, fallen auch Späne. Etwa in einer Moskauer Nervenklinik, wo alle Wahlzettel bereits für Putin angekreuzt waren. Zwei Kranke wollten einen neuen Wahlzettel haben. Dies wurde ihnen verweigert. Die trockene Antwort hieß, es gibt keine anderen. Anderswo wurden von den Wählern außer dem Pass zusätzliche Dokumente verlangt, da könnte ja jeder kommen. Andere Bürger dagegen waren herzlich willkommen. Mit kleinen Geschenken wurden sie in die Wahllokale gelockt. Was tut man nicht alles für Wladimir Putin. Eine Radiostation versprach sogar Freikarten für ein Rockkonzert. Viele junge Wähler wurden aber enttäuscht. Trotz ihrer positiven Einstellung zu der demokratischen Stimmabgabe, bekamen sie keine gratis Eintrittskarten. Die meisten verweigerten daraufhin ihre Stimme – für nichts gibt’s nichts.

Gut, es sollen auch Hunderttausende Wahlzettel im großen Stil gefälscht worden sein, aber wer will das schon wissen. Da hat der strahlende Wahlsieger Wladimir Putin doch völlig Recht, wenn er den schwarzen Peter an den Westen weiterreicht. Auf kritische Fragen aufgeregter Journalisten reagierte er russisch unterkühlt: "Auch so genannte entwickelte Demokratien" hätten "Probleme mit ihren demokratischen Regeln und Wahlen, sagte der Präsident. Vor vier Jahren hätten schließlich auch die USA mit einigen Pannen zu kämpfen gehabt."