1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Debatte um Einführung der lateinischen Schrift für die kasachische Sprache

16. Juli 2004

- Präsident Nursultan Nasarbajew tritt für Abschaffung des kyrillischen Alphabets ein

https://p.dw.com/p/5K6f

Bonn, 15.7.2004, DW-RADIO / Russisch

In Kasachstan hat eine heftige Debatte darüber begonnen, ob die kasachische Sprache von der kyrillischen zur lateinischen Schrift übergehen soll. Diskutiert wird darüber schon seit Jahren, aber besonders seit Präsident Nursultan Nasarbajews Rede während seines Besuchs in Tatarstan am 30. Juni dieses Jahres, wo er erklärt hatte, die kasachische Sprache werde möglicherweise schon in naher Zukunft zum lateinischen Alphabet übergehen. Die Idee des Präsidenten griff das kasachische Kulturministerium sofort auf. Der stellvertretende Kulturminister Bekbolat Tleuchanow, der in Astana bei einem Seminar über die aktuellen Probleme der kasachischen Terminologie einen Vortag hielt, unterstrich, dass das kasachische Alphabet 41 Buchstaben enthalte und dass einige von ihnen der kasachischen Sprache widersprächen. Nach Ansicht von Bekbolat Tleuchanow können die Probleme der phonetischen Regeln nur durch einen Übergang der Staatssprache zum lateinischen Alphabet gelöst werden.

Die Meinung des stellvertretenden Kulturministers teilen der Direktor der Nationalbibliothek Kasachstans, Murat Auesow, und der bekannte kasachische Schriftsteller Gerold Belger. Murat Auesow sagte der Deutschen Welle, dass der Übergang der Staatssprache vom kyrillischen Alphabet zum lateinischen in erster Linie große politische Bedeutung habe, weil dies seiner Ansicht nach den kasachischen Staat von der russischen kolonialen Abhängigkeit noch weiter lösen wird. Außerdem werde die Einführung der lateinischen Schrift, so Murat Auesow, die Turkvölker einen, die wegen des Wechsels zum kyrillischen Alphabet ihre sprachlichen Verbindungen verloren hätten.

Gerold Belger sagte der Deutschen Welle, dass er selbst schon seit langem für die Einführung des lateinischen Alphabets plädiere, weil dies ermöglichen werde, nach Vereinbarungen zwischen den Regierungen der turksprachigen Länder einheitliche Regeln für Laute aufzustellen. Ihm zufolge gibt es heute keine solchen Regeln, was die Kommunikation zwischen den verwandten Völkern sehr erschwere.

Gerold Belger: "In der Zeit, in der wir das kyrillische Alphabet verwendeten, haben sich die Turkvölker zu weit auseinandergelebt. So weit, dass sie begannen, ein und dieselben Worte unterschiedlich zu schreiben und auszusprechen. Sie begannen sogar, nicht von einer zur anderen Sprache zu übersetzen, sondern über das Russische. Beispielsweise wurde Nurpeisows ‚Blut und Schweiß‘ aus dem Russischen ins Usbekische übersetzt."

Allerdings treten nicht alle Kulturschaffenden in Kasachstan für die Einführung der lateinischen Schrift ein. Der bekannte kasachische Dichter und Autor Muchtar Schachanow meint, dass die Rückkehr zum lateinischen Alphabet der Kultur des Landes unwiederbringlichen Schaden zufügen würde. Seiner Ansicht nach wird dies zu einer gewaltigen Anzahl von Analphabeten führen und die Verbreitung der Staatssprache unter der nichtautochthonen Bevölkerung des Landes erschweren. Ferner meint Muchtar Schachanow, dass Kasachstan große finanzielle Ausgaben zu tragen haben werde. Der Übergang zum lateinischen Alphabet ist dem kasachischen Dichter zufolge "Teil der amerikanischen Globalisierung, durch die das Kasachische überhaupt aus der Weltkultur verschwinden könnte".

Befürworter eines Übergangs der kasachischen Sprache zur lateinischen Schrift gehen davon aus, dass ein solcher Wechsel mindestens 10 bis 15 Jahre dauern würde. Man wolle die Fehler Usbekistans, Turkmenistan und Aserbaidschans nicht wiederholen. Murat Auesow und Gerold Belger zufolge sollen die Medien die Einführung der lateinischen Schrift nicht forcieren, sondern in einer Übergangszeit alles in zwei Ausführungen abdrucken. (MO)