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Ehemalige Militärflächen sind wertvoll für den Artenschutz

28. Oktober 2016

Die Bundesstiftung Umwelt verwaltet ehemalige Truppenübungsplätze. Wo einst Militärs den Kriegseinsatz probten, sollen sich nun Wildnis und seltene Arten entwickeln können, sagt Förster Werner Wahmhoff.

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Panzer Bundeswehrgelände Truppenübungsplatz Fürstenau Bundeswehr
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Professor Wahmhoff, im Rückblick auf 25 Jahre Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Auf welche Maßnahmen sind Sie besonders stolz?

Werner Wahmhoff: Wir haben in 25 Jahren etwa 8000 Projekte gefördert. Die Projekte im Bereich Naturschutz sind besonders interessant. Eine herausragende Leistung aus meiner Sicht ist die Gründung der DBU-Naturerbe GmbH. Das Unternehmen verwaltet 70.000 Hektar wertvoller Naturschutzflächen, die der Bund als Nationales Naturerbe zur Verfügung gestellt hat und die wir als Stiftung dauerhaft verwalten, mit dem Ziel, dort erstklassigen und hochrangigen Naturschutz zu betreiben.

Deutschland Werner Wahmhoff Experte der Deutschen Bundesstiftung Umwelt
Prof.Werner Wahmhoff: Die DBU betreibt erstklassigen NaturschutzBild: Deutsche Bundesstiftung Umwelt

Es handelt sich dabei größtenteils um Tagebaue und militärisch genutzte Truppenübungsplätze, um kontaminiertes und zum Teil vermintes Gelände. Wie kann man da von wertvollen Naturschutzflächen sprechen?

Die militärischen Übungsflächen sind meist schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts angelegt worden, auf Flächen, die für die landwirtschaftliche Nutzung nicht geeignet waren. Auf sehr nährstoffarmen sandigen Böden. Und auf diesen Flächen gab es noch Reste alter Kulturlandschaften, Heidelandschaften.

Dort hatten sich viele Arten erhalten, die schon seit der vorletzten Jahrhundertwende, um 1900, selten geworden waren. Infolge der militärischen Nutzung sind sie bis heute erhalten geblieben. Wir finden in diesen Gebieten eine hohe Anzahl an Tier- und Pflanzenarten, die in unserer normalen Landschaft, die stärker besiedelt und frequentiert ist, nicht mehr vorkommen.

Wir hatten früher einzelne Bäume in lichten Parklandschaften, in denen Tiere weideten. Diese Landschaften sind angepasst an bestimmte Arten. Wenn man diese Landschaften nicht mehr hat, weil sie bewirtschaftet oder bebaut wurden, gehen die Arten verloren. Der Wiedehopf gehört dazu. Durch den Einsatz der Militärs finden wir auf Truppenübungsplätzen eine sehr hohe Artenvielfalt und auch den Wiedehopf. 

Der Wiedehopf
Der Wiedehopf liebt nährstoffarme Heidegebiete mit wenigen BäumenBild: picture-alliance/dpa

Aber von den militärischen Altlasten gehen doch auch Gefahren aus? 

Ja, das stimmt, aber die Gefahren sind von Fläche zu Fläche unterschiedlich. Übungsplätze, auf denen nur mit Platzpatronen geschossen wurde, sind relativ harmlos. Als anderes Extrem haben wir Bombenabwurfflächen oder Areale, auf denen Panzer mit scharfer Munition schossen. Da gibt es Gebiete, kleinere allerdings, die man überhaupt nicht betreten darf. Die sind heute Wildnis. Dort entwickelt sich die Natur völlig frei.

Auf anderen Flächen kann man mit Tieren beweiden oder mit entsprechender Technik Heide mähen oder Bäume ernten. Wir setzen Fahrzeuge ein, deren Boden zum Schutz der Fahrer mit einer speziellen Panzerplatte gesichert ist. Viele Flächen sind für Besucher gesperrt, weil der Aufenthalt dort zu gefährlich wäre. 

Wir konnten aber auch viele Flächen öffnen, nachdem wir die Wege von Munition und Altlasten geräumt haben. So ist es möglich, dass Besucher die Natur erleben können. Das ist uns ein wichtiges Anliegen.

Die Natur wird sich nicht gänzlich selbst überlassen. Esel, Ziegen, Schafe, Wasserbüffel werden beispielsweise eingesetzt, die Gräser, Kräuter, Moose fressen. Ist das sinnvoll?

Wir verfolgen eine Doppelstrategie. Auf der einen Seite soll sich die Natur entwickeln. Das würde in Deutschland aber allmählich zur Bewaldung führen. Langfristig würden wir hier Urwälder finden. Auf der anderen Seite haben wir Offenland mit Wiesen, Weiden und Heiden, dass sich durch Eingriffe der Menschen in 2000 Jahren so entwickelte.

Auf diesen Flächen finden wir eine große Artenvielfalt, die in Wäldern nicht vorkommt. Um diese Arten zu erhalten, muss die Waldentwicklung verhindert werden. Das praktizieren wir auf einer kleineren Fläche. Wir wollen gezielt seltene Lebensräume wie Heiden, Feuchtgebiete, Trockenrasen oder Bergwiesen erhalten. Das ist der zweite Ansatz.

Mit dieser Doppelstrategie ist es möglich, die gesamte Vielfalt der Arten in Deutschland zu erhalten. Aber insgesamt bleiben 80 bis 85 Prozent der Flächen des DBU-Naturerbes sich selbst überlassen. Den größeren Artenreichtum finden wir allerdings auf den etwa 15 Prozent der Flächen, die wir pflegen.

Truppenübungsplatz Bombodrom bei Wittstock
Betreten verboten: Hier kann sich Wildnis entwickeln Bild: picture-alliance/dpa/W. Wagner

Woran liegt das?

Auf diesen Offenlandflächen ist die Zahl der Biotoptypen größer.

Die Flächen, die Sie bisher verwaltet haben, befinden sich zum größten Teil im Osten Deutschlands. Wie unterscheiden sich diese von Arealen in Westdeutschland?

Im Osten gab es eine hohe Dichte an militärischen Flächen. Allein im Bundesland Brandenburg waren zehn Prozent der Landfläche durch die Sowjetarmee und Nationale Volksarmee der DDR in Beschlag genommen. Im Westen haben wir kleinere Standortübungsplätze direkt an den Kasernen, die mit der Verkleinerung der Bundeswehr ins Naturerbe übernommen werden.

Auf diesen Plätzen wurde nur mit Übungsmunition wie Platzpatronen geschossen. Das ist ungefährlich und erleichtert die Pflege. Und diese Flächen sind häufig stadtnah wie die Wahner Heide am Flughafen Köln/ Bonn.

Bei der Pflege der Flächen arbeitet die Stiftungsgesellschaft mit Partnern wie Naturschutzorganisationen zusammen. Wie funktioniert das?

Die Stiftung selbst hat nur 20 Mitarbeiter. Die Arbeit auf der Fläche führen die Forstmitarbeiter der Bundesforsten aus. Wir arbeiten auch eng mit den lokalen Naturschutzbehörden und Umweltverbänden zusammen. 

Sie verfügen über ein Kapital von mehr als 2,2 Milliarden Euro. Wie setzen Sie das Geld ein?

Ginster Wahner Heide
Ein Meer aus Ginster, wo früher Panzer rolltenBild: Fotolia/armin_eckstein

Die Stiftung verwaltet das Vermögen, dass für Förderzwecke der Deutschen Bundestiftung Umwelt ausgegeben wird. Die DBU-Tochtergesellschaft, die DBU-Naturerbe GmbH, erhält davon Geld, um die insgesamt 70.000 Hektar zu bewirtschaften und zu managen.

Der überwiegende Teil der Mittel wird für Förderprojekte eingesetzt wie für gemeinnützige, Naturschutz- und Umweltprojekte. Dazu gehören die Energiewende und die Umweltbildung. Wir unterstützen auch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken. Dazu arbeiten wir mit der Industrie zusammen, um Herstellungsprozesse energiesparender zu machen oder um die Häuserdämmung zu verbessern. Bei einer Aktion wurden über Handwerker Hausbesitzer angesprochen, um ihre Häuser energetisch zu sanieren.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt besteht seit 25 Jahren. Welche Schwerpunkte für Ihre Arbeit sehen Sie in Zukunft?

Wir werden weitere Projekte fördern, die mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen. Der Biodiversitätsverlust ist nicht gestoppt. Wir werden auch im Bereich des Naturschutzes viele Projekte unterstützen. Und da auf der globalen Ebene die Entscheidung gefallen sind, die Welt nachhaltiger zu machen, wird dieses Thema bei der Förder-Arbeit der DBU künftig auch eine große und prominente Rolle spielen. 

Das Interview führte Karin Jäger

Professor Werner Wahmhoff ist Stellvertretender Generalsekretär und  Abteilungsleiter Umweltforschung und Naturschutz sowie Prokurist der DBU-Naturerbe GmbH. Er studierte Agrarwissenschaften und ist Experte für Pflanzenbau und nachhaltige Landnutzung.