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Davos: Kann Big Business die Welt retten?

Malte Rohwer-Kahlmann z.Zt. Davos (bea)
24. Januar 2020

Die Weltwirtschaft schafft Wohlstand - aber auch Unmengen an Treibhausgasen, wachsende Ungleichheit und einen Verlust an Artenvielfalt. Jetzt beteuern Konzerne, all die Probleme lösen zu wollen. Ernsthaft?

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Schweiz | Promenade in Davos während dem Weltwirtschaftsforum
Bild: picture-alliance/KEYSTONE/A. Della Valle

Wenn man über die Promenade geht, die Hauptstraße von Davos, kann man fast den Eindruck gewinnen, in der Stadt finde eine Wohltätigkeitsveranstaltung statt, und nicht ein Treffen von 119 Milliardären und vielen Konzernbossen und Wirtschaftsvertretern.

"Lasst uns die Geschäftswelt zur größten Plattform für Veränderung machen", steht an einem Laden, den ein Konzern angemietet hat. Ein weiteres Schild fragt: "Ist Wachstum eine Illusion?" - in einer hellen und kurvigen Neonschrift, die man eher an der Wand eines Hipster-Cafés erwarten würde.

Weiter unten befindet sich das "SDG-Zelt", wo in offenen Sitzungen über Themen wie die Zukunft des Kapitalismus, nachhaltige Finanzen oder LGBTI-Rechte diskutiert wird - alles bezahlt von Unternehmen, die ihr Engagement für die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) der Vereinten Nationen demonstrieren wollen.

Nachhaltigkeit - diesmal wirklich?

Welche Botschaft die Firmen auf diese Weise vermitteln wollen, ist offensichtlich: Wir sind aufgewacht, rufen sie. Vorbei die Zeiten, da Profit vor Moral ging. Wir kümmern uns jetzt um die Umwelt. Wir wollen die Welt zu einem besseren Ort machen.

Aber erzählen Konzerne diese Geschichte nicht schon ebenso lange, wie es das Weltwirtschaftsforum (WEF) gibt? Doch noch immer verfehlt die Welt die selbst gesteckten Ziele - nehmen wir nur das Pariser Klimaabkommen von 2015 oder die UN-Nachhaltigkeitsziele. Werden die Großkonzerne ihre Versprechen dieses Mal wirklich einhalten?

Die Anti-WEF-Protestler auf der Promenade haben sich bereits entschieden. "Glauben Sie wirklich, dass sich Institutionen und Konzerne, die lange auf eine bestimmte Art gedacht und gehandelt haben, sich plötzlich einfach so ändern, weil sie jetzt nett sein wollen?", fragte Sebastian Justiniano. "Ich glaube das nicht."

Schweiz Davos | Demonstranten protestieren gegen das Weltwirtschaftsforum 2020
Demonstranten in Davos sind skeptisch, dass Firmen es ernst meinen mit dem UmweltschutzBild: DW/M. Rohwer-Kahlmann

Sich ändern, um mehr Geld machen

Svein Tore Holsether ist anderer Meinung. Er ist Vorstandsvorsitzender von Yara, einem norwegischen Chemiekonzern, dessen Hauptgeschäft die Herstellung von synthetischen Düngemitteln ist. Yara ist damit Teil des Agrarsektors, der für ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.

In einer ruhigen Ecke in einer der schicken Hotellobbys von Davos erklärt Holsether, warum er Yara zu einem nachhaltigeren Unternehmen machen will. "Das ist eine unglaubliche Geschäftsgelegenheit", sagt er. "Wir wollen Profit machen, den wir dann reinvestieren, um uns weiterzuentwickeln."

Holsether erzählt, wie Yara nach dem Pariser Klimaabkommen seine Strategie auf neue Geschäftsfelder verlagert hat. So wolle die Firma jetzt Landwirten helfen, ihre Erträge zu steigern, damit sie weniger Land benötigen - das dann frei wäre für Bäume, die CO2 aus der Luft binden könnten. Und wie gut dies für die Umwelt, die Ernährungssicherheit, die Bauern wäre - und natürlich auch für die Bilanz von Yara.

"In den vergangenen Jahren ist zunehmend deutlich geworden, dass nur die Unternehmen überleben werden, die in der Lage sind, ihre Geschäftsmodelle sowohl an die Herausforderungen als auch an die Chancen anpassen", sagte er.

Grün oder pleite?

Vielleicht aber haben Unternehmen bald kaum noch die Wahl, sich für oder gegen ein grünes Geschäftsmodell zu entscheiden. Der vor dem WEF veröffentlichte "Global Risk Report" sieht Umweltprobleme als die größte Bedrohung der bestehenden Weltordnung an. Extremwetter und Naturkatastrophen, die durch den Klimawandel verursacht werden, schaden der Wirtschaft.

Und selbst Larry Fink, der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, warnte Firmenvorstände kürzlich: Wenn sie es nicht ernst meinen mit der Nachhaltigkeit, werden sie bald Schwierigkeiten bei der Finanzierung bekommen. Ob eine solche marktgetriebene Veränderung der Wirtschaft auch schnell genug vor sich geht, ist eine andere Frage. So sind die CO2-Emissionen von Yara von rund 10 Millionen Tonnen im Jahr 2013 auf 16,6 Tonnen im Jahr 2018 gestiegen - trotz der neuen Nachhaltigkeitsstrategie.

Wenn Marktkräfte also zu langsam wirken, um Firmen nachhaltiger zu machen, was wären dann schnellere Wege? Einige Stimmen fordern ein grundsätzliches Umdenken über Sinn und Zweck von Unternehmen.

In Davos war in diesem Jahr viel vom Stakeholder-Kapitalismus die Rede. Das Konzept besagt, dass sich Firmen nicht nur darauf konzentrieren dürfen, Profite für ihre Investoren zu erwirtschaften. Vielmehr haben sie eine Verantwortung gegenüber allen, die von den Unternehmensentscheidungen betroffen sind - also den Mitarbeitern, den Kunden und auch der Umwelt.

Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos |
Blackrock-Chef Larry Fink warnt Firmenvorstände, der Klimawandel werde auch die Unternehmensfinanzierung verändernBild: picture-alliance/AP Photo/M. Euler

Kann das funktionieren?

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato findet das Konzept gut, solange es nicht nur ein leeres Schlagwort ist. "Angesichts der Krise, der wir uns gegenübersehen - Klima, Ungleichheit, Gesundheitssysteme und das Kollabieren des Wohlfahrtsstaats - haben wir schlicht keine Zeit für Phrasendrescherei", sagt sie.

Regierungen sollten überdenken, wie sie in ihre Wirtschaft investieren und vor allem, was sie als Gegenleistung dafür verlangen. Denn wenn eine Firma Geld erhält, wird auch sie zu einem Stakeholder. Als gelungenes Beispiel nennt sie die deutsche Regierung, die öffentliche Kredite an Stahlunternehmen von deren Fähigkeit abhängig gemacht habe, ihren fossilen Fußabdrucks zu verkleinern.

"Man muss Bedingungen vorgeben", sagt sie. "Firmen können die annehmen oder sterben. In anderen Bereichen machen wir das doch auch. Fabriken dürfen keine Kinder beschäftigen. So steht es im Gesetz, und wer sich nicht daran hält, muss seinen Laden dicht machen. Vorgaben müssen verpflichtend sein."

Voraussetzung seien allerdings funktionierende Kennzahlen und Prüfverfahren, so Mazzucato. Nur so könne sichergestellt werden, dass Firmen die Vorgaben auch einhalten.

Eine Initiative, die solche Kennzahlen entwickelt, ist die gemeinnützige World Benchmarking Alliance (WBA). Sie hat eine Liste der 2000 einflussreichsten Unternehmen der Welt erstellt, die zusammen die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung ausmachen. Derzeit arbeitet ein Team von etwa 50 Mitarbeitern daran, die Firmen nach ihrem Beitrag zur Erreichung der verschiedenen UN-Nachhaltigkeitsziele zu ordnen.

Die Organisation stellt ihre Benchmarks kostenlos zur Verfügung. Sie will damit einen Beitrag leisten, damit Unternehmen ihrer Verantwortung gerecht werden und notfalls zur Rechenschaft gezogen werden können.

"Es ist wie bei guten Vorsätzen für das neue Jahr. Wir wissen, dass es schwer ist, sie einzuhalten. Für Unternehmen ist das genau so. Schon im Februar fällt es schwer, weiter ins Fitnessstudio zu gehen. Deshalb brauchen wir diese Benchmarks", sagt WBA-Chef Gerbrand Haberkamp.

Und jetzt?

Sind die hübschen Kampagnen für mehr Nachhaltigkeit also nur Blendwerk und Ablenkungsmanöver? Sind Unternehmen wirklich bereit, sich verantwortungsvoller zu verhalten? Ja, bei einigen scheint das der Fall. Nicht unbedingt, weil sie plötzlich mitfühlend geworden sind, sondern weil es unternehmerisch sinnvoll ist.

Ändern sie sich schnell genug? Nein, das tun sie ganz sicher nicht. Der Klimawissenschaftler Johan Rockström hat es so formuliert: "Es gibt einige Inseln des Erfolgs in einem Ozean der Unwissenheit."