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Bowie – mein großer Held

Mikko Stübner-Lankuttis11. Januar 2016

Musikfans in aller Welt trauern um David Robert Jones alias David Bowie. Der plötzliche Tod des 69-jährigen Popstars ist auch für Kultur-Redakteur und Bowie-Fan Mikko Stübner-Lankuttis ein Schock.

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Mehrere Plattencover von David Bowie
Bild: DW/M. Stübner-Lankuttis

Ahnen konnte man es schon länger. Zu groß war die Funkstille angesichts der großartigen Erfolge. Und die letzten Aufnahmen zeigten einfach nicht mehr den dynamischen Jungbrunnen, der David Bowie fast fünf Jahrzehnte lang gewesen war. Er war einfach zu mager geworden. Dabei hatte er doch erst am 8. Januar "Blackstar" veröffentlicht - sein 25. Studioalbum. Das Vorab-Video zum Titelsong illustrierte zehn Minuten lang David Bowies aktuelle Sound-Vision: mystisch, bizarr, verstörend - und wehmütig. Doch obwohl es so viele Vorzeichen für das Ende einer Pop-Ära gab, traf mich die Nachricht völlig unerwartet.

Wenn ich an David Bowie denke, sehe ich immer den unsterblichen Popstar vor mir. Den Vater von Ziggy Stardust, Major Tom und dem traurigen Clown aus "Ashes to Ashes". Den Dichter von so herzerwärmenden wie unergründlichen Texten wie "Life On Mars?". Dieser Musiker war der Inbegriff von Coolness - und seiner Zeit oft genug ein paar Jahre und Musikstile voraus.

David Bowie war jemand, der für seine Kunst brannte und litt. Mehrmals trieb er sich für die Inszenierung der perfekten Bühnenshow in den finanziellen Ruin. Wenn er wieder einmal pleite war, wechselte er die Stadt sowie die musikalische Persönlichkeit und nahm neue Platten auf. So einfach ging das damals.

Jede Platte eine Überraschung

David Bowie war ein Vollblut-Musiker, der sich für Produktionsweisen und Musik-Trends genauso interessierte wie für die Wurzeln der modernen Unterhaltungsmusik. Selbst wenn er von jedem Stil nur einen Bruchteil in seine eigenen Songs einfließen ließ. Nie hätte es eine reine Elektro- oder Indierock-Platte von David Bowie gegeben - doch als Inspirationsquellen taugten diese Genres allemal. Auch das unterschied ihn von vielen anderen Musikern.

Meine erste David Bowie-LP bekam ich zu meinem 13. Geburtstag geschenkt: "Never Let Me Down" aus dem Jahr 1987 gehört ganz sicher nicht zu den alles überragenden Werken, die in diesen Tagen zitiert werden, wenn es um die Würdigung seiner Lebensleitung geht. Doch für mich war dieses Album der Türöffner zum Kosmos David Bowie.

David Bowie Portrait
Bowies Musik gefiel schon dem 13-jährigen MikkoBild: Getty Images/AFP/R. Gatti

In den 1980er Jahren befand sich der Brite in seiner kommerziellen Hochphase. Mit Hits wie "Let's Dance", "China Girl" und "Dancing in the Street" lieferte er Material für das Diskotheken-Zeitalter. Diese Hits zünden bis heute verlässlich auf jeder Party. Optisch inszenierte er sich in dieser Zeit vergleichsweise gesittet: Seine dünnen Krawatten kombinierte er abwechselnd mit Lederjacken und Trenchcoats. Seine Gel-Frisuren waren die perfekte Blaupause für das Pop-Zeitalter. Seine Musikvideos waren ebenso durchdacht wie seine Live-Shows, denn wenn er auf eines Wert legte, dann auf die perfekte Inszenierung.

Der Yuppie-Bowie hatte mich neugierig gemacht. Also radelte ich zu meiner Stadtteil-Bibliothek und lieh mir alle Bowie-Alben aus, die ich bekommen konnte. Zuhause hörte ich mich kreuz und quer durch seine Stile und lernte nebenbei Ziggy Stardust kennen sowie den Thin White Duke. Einzig der düstere Sound seiner Berlin-Alben verstörte mich zunächst. Als ich dann aber auf einem Sampler "Helden" hörte, war ich gerührt, dass sich David Bowie die Zeit genommen hatte, seinen großen Berlin-Hit "Heroes" noch einmal auf Deutsch einzusingen. Der Typ hatte Stil.

Wie viel ihm meine Heimatstadt bedeutet haben muss, habe ich aber erst am 8. Januar 2013 so richtig begriffen. Quasi aus dem Nichts veröffentlichte er die Single "Where Are We Now?" - pünktlich zu seinem 66. Geburtstag. Das Lied war eine romantisch-melancholische Ballade und eine Hommage an die Stadt, in der er zwischen 1976 und 1978 gelebt hatte. Sein Text war ungewöhnlich klar - keine Spur von Verschlüsselungstechniken wie in früheren Werken. Hier fürchtete ich erstmals, dass es ein Abschiedslied werden könnte.

Eigene Ausstellung

Doch zwei Monate später folgte das Album "The Next Day" sowie eine besondere Ehrung: eine eigene Bowie-Retrospektive im Londoner Victoria and Albert Museum. Ich hatte das Glück, am Eröffnungstag darüber berichten zu dürfen - und war erschlagen von der schieren Menge der Ausstellungsgegenstände. Der kreative Output dieses Künstlers war einfach enorm und David Bowie hatte sich selbst gut archiviert. Mehr als 300 Kostüme, Fotos, Platten und handgeschriebene Notizen hatten sich die Kuratoren aus seinem persönlichen Besitz ausleihen dürfen. Es wurde die mit Abstand erfolgreichste Schau des altehrwürdigen Kunstmuseums - lediglich der Geehrte selbst blieb der Ausstellungseröffnung fern.

Bowie lehnt an einer Hauswand, daneben Blumen und Kerzen
Die Fans trauern um den MusikerBild: picture-alliance/dpa/J.Kalaene

Später las ich, dass sich der Musiker die Ausstellung zum Ende hin zusammen mit seiner Familie als ganz normaler Besucher angesehen hatte. Eine typische Bowie-Geste: Denn obwohl er als Mainstream-Künstler über Jahrzehnte im öffentlichen Fokus lebte, verstand er es, sein Privatleben weitestgehend abzuschotten: Wie er seine letzten 20 Lebensjahre verbrachte, wissen nur wenige Vertraute. David Bowie war eben kein Popstar zum Anfassen mit täglichen Updates seines Facebook-Status oder Instagram-Selfies von Gala-Veranstaltungen.

Als Popstar war er ein Held der alten Schule - ein unnahbares, unergründliches Mysterium. Natürlich gibt es haufenweise andere großartige Musiker, die immer noch tolle Platten veröffentlichen. Doch David wird mir immer schmerzlich fehlen.