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"Die Armen sind die Verlierer“

Interview: Martin Fritz31. März 2014

Die Mitautorin des Weltklimaberichts, die Inderin Purnamita Dasgupta, erwartet gravierende Folgen für ländliche Gebiete in Schwellenländern. Im DW-Interview erklärt sie, welche und wieso.

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Purnamita Dasgupta Foto: privat
Bild: P. Dasgupta

Deutsche Welle: Frau Dasgupta, wie schätzen Sie die Auswirkung des Klimawandels auf ländliche Gebiete ein?

Purnamita Dasgupta: Der Bericht des Weltklimarates stellt fest, dass der Klimawandel auch in ländlichen Gebieten bereits stattfindet. Wir beobachten sinkende Ernteerträge und mehr Überschwemmungen und Dürren.

Wie ist der Zusammenhang zwischen Klimawandel und den Bedingungen im ländlichen Raum, etwa für Bauern in Indien?

Wir stellen fest, dass die Erderwärmung die Ernteerträge beeinflusst und zur Verschiebung der Produktionsgebiete führt. In einigen Gebieten kann man vielleicht mehr ernten, aber im Gesamtbild dominiert der negative Einfluss. Wir sehen bereits größere Rückgänge bei Weizen und Mais und kleinere bei Reis und Soja. Die Kaffeeproduktion in Amerika wird bis 2040 um bis zu 40 Prozent sinken.

Letztes Jahr war der Monsun in Indien sehr ausgeprägt, aber in Australien gab es eine Dürre. Wie passt das in das Bild?

Einzelne Nationen sind nicht mehr isoliert. Wo die eigene Produktion fällt, ist man auf das weltweite Angebot angewiesen. Die Modelle für den Klimawandel und die tatsächlichen Daten zeigen, dass der durchschnittliche Monsun-Regenfall in Indien über die letzten Jahrzehnte gesunken ist. In Zukunft wird es mehr extreme Ereignisse geben. Auch das Anbauverhalten auf dem Subkontinent wird sich mit der Regenmenge ändern.

Wer den neuen Klimabericht liest, bekommt den Eindruck, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Und die Gewinner sind eher die Industrieländern und die Verlierer eher die Schwellenländer. Stimmt das?

In den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer leben 70 Prozent der Armen der Welt. Wenn der Einfluss des Klimawandels dort stark ist, dann ist auch eine große Zahl von Armen betroffen. Zugleich sind die ländlichen Armen verletzbarer, weil sie nur eine geringe Anpassungsfähigkeit haben, ihre Bildung ist niedrig, die Infrastruktur ist schlecht. Ihnen fehlen die Mittel, um auf die Folgen der Erwärmung zu reagieren. Der Stress, unter dem die Armen leiden, wird also noch größer.

Wie sieht es mit den Folgen für die Industrieländer aus?

Auch in Industrieländern wird sich der Klimawandel auswirken, zum Beispiel in mehr Überschwemmungen in Europa. Aber weit größere Gebiete in Afrika und Asien werden davon in Mitleidenschaft gezogen, auch bei der Nahrungsmittelproduktion, und diese Gebiete sind in einer beschleunigten Weise betroffen.

Der Klimabericht sagt auch steigende Preise für Nahrungsmittel vorher. Was haben wir da zu erwarten?

Die Preise hängen von der Produktion ab. Die Preisschocks werden daher auch jene Länder spüren, die von Importen abhängig sind. Es wird auch einige Gebiete mit steigender Produktion geben, wo sich die Erwärmung positiv auswirkt. Aber weltweit gesehen werden die Preise steigen.

Kaffeebohne Foto: HLPhoto
Dasgupta: "Die Kaffeeproduktion in Amerika wird sinken"Bild: Fotolia

Der Klimarat verlangt mehr Aktionen gegen die Erderwärmung. Gibt es einen Unterschied zwischen Armutsbekämpfung und dem Kampf gegen den Klimawandel - oder sind das zwei Seiten einer Medaille?

Entwicklung und Adaption sind oft komplementär, aber es gibt dabei Grenzen. Entwicklung ist keine hundertprozentige Antwort auf Klimawandel. Es lassen sich Maßnahmen gegen die Folgen der Erderwärmung in einen Entwicklungsplan einbauen, zum Beispiel die effiziente Nutzung von Wasser oder der Anbau von dürreresistentem Getreide. Aber wenn die Entwicklungsanstrengungen den Klimawandel nicht berücksichtigen, dann kommt es zu falschen Anpassungen.

Frau Dasgupta, Sie kommen aus Indien. Wie groß ist das Bewusstsein für die Gefahren des Klimawandels in Indien und im übrigen Asien?

Indien hat eine solche Bewusstseinsbildung versucht. Wir haben zum Beispiel einen nationalen Aktionsplan gegen Klimawandel. Aber Asien als Region könnte viel mehr tun - in Sachen Bewusstseinsbildung und auch bei der Umsetzung von Maßnahmen gegen den Klimawandel.

Ein Argument zum Beispiel von China ist, dass man ein Recht auf Entwicklung habe. Das sei besser, als Geld gegen den Klimawandel einzusetzen. Was ist Ihre Antwort?

Der Klimawandel ist unübersehbar. Es scheint mir nicht ganzheitlich zu sein, diesen Wandel auszuklammern. Schwellenländer erleben eine schnelle Urbanisierung. Wenn wir bei der Planung für diese Städte den Klimawandel nicht berücksichtigen, wird dies nachteilige Folgen für das Wirtschaftswachstum haben.

Es gibt immer noch Leute, die die Wirkung des Klimawandels bezweifeln oder für vernachlässigbar halten. Was denken Sie darüber?

Diese Leute sollten den Bericht lesen, denn darin finden sich viele Beweise, dass der Klimawandel bereits jetzt passiert und sich in allen Regionen beobachten lässt. Die Wissenschaft verbessert sich aber dadurch, dass kritische Fragen gestellt werden. Diese Fragen haben geholfen, die Fachliteratur tiefer zu erkunden und die diversen Meinungen im Klimabericht zu berücksichtigen. Alle Autoren tun ihr Bestes, um durch gute Wissenschaft ihre Glaubwürdigkeit zu sichern.

Purnamita Dasgupta vom Institut für Wirtschaftswachstum im indischen Neu-Delhi war die koordinierende Autorin für Kapital über ländliche Gebiete im neuen Weltklimabericht. Sie ist Expertin für Armut, Entwicklung und Anpassung.