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Ziel in Sichtweite

Catherine Martens20. Oktober 2015

Tausende Flüchtlinge sitzen an der slowenisch-österreichischen Grenze fest. Sie sind über Kroatien in die EU gekommen, doch Österreich lässt sie vorerst nicht hinein. Catherine Martens berichtet von der Grenze.

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Grenzschild "Österreich" (Foto: DW/C. Martens)
Bild: DW/C. Martens

Der Boden ist nass. Ein paar Kinder kicken eine leere Plastikflasche über den Asphalt, ihre Füße stecken in schlammverschmierten Schuhen. Sentilj, Slowenien. Inmitten der herbstlichen Landschaft steht eines der größten Erstaufnahmelager für Flüchtlinge. Hunderte von ihnen stecken hier fest. Nur ein paar Meter entfernt von der österreichischen Grenze heißt es hier für sie Endstation.

Abdul Rahman hält seinen drei Monate alten Sohn fest an sich gedrückt. In seinem rosafarbenen Strampler sieht er aus wie ein kleines Mädchen. Der 27jährige Iraker Rahman ist froh, überhaupt Kleidung für das Kind zu haben. "Heute Nacht war es so kalt, wir hatten Angst, dass er nicht mehr aufwacht."

Die Bedingungen im Lager, erzählt Abdul Rahman, seien hart. Keine winterfesten Zelte, einige sind durch den Regen der vergangenen Nacht überschwemmt. Es ist acht Grad kalt. Draußen waschen sich Männer das Gesicht, neben Frauen und Kindern. Ein paar Schläuche mit kaltem Wasser dienen als Waschgelegenheit. Für die rund 3000 Menschen reichen sie nicht.

Abdul Rahman lässt sich davon nicht abschrecken, er hat es bis hierher mit seiner Familie geschafft. Im Irak war er professioneller Fußballspieler in der Regionalliga, erzählt er. Das war in einem anderen Leben. Jetzt sitzt der junge Familienvater hier fest und wartet in der klammen Kälte mit Tausenden von Flüchtlingen darauf, das etwas passiert.

Flüchtling mit kleinem Kind auf dem Arm (Foto: "DW/C. Martens)
Rahman mit seinem kleinen SohnBild: DW/C. Martens

Spannungen zwischen den Nachbarländern

"Erst haben uns kroatische Busse zur Grenze nach Slowenien gefahren, dann sind wir zu Fuß über die Felder, die erste Nacht haben wir in einem winzigen Zelt verbracht. Wieder haben uns Busse geholt, wir dachten, jetzt kommen wir nach Österreich, aber es war wieder Slowenien, nur ein anderes Lager."

Die Lage zwischen Kroatien und Slowenien ist angespannt. Sprecher der slowenischen Polizei bestätigen unhaltbare Zustände. Sie sehen die Schuld bei Kroatien, nur wenige Informationen dringen bis zu ihnen. "Wir wissen nur, dass Flüchtlinge kommen. Wie viele, keine Ahnung. Die Kroaten rufen uns an und sagen, in einer halben Stunde kommt der nächste Bus. Wie sollen wir das organisieren?"

Flüchtlinge und Polizisten (Foto: "DW/C. Martens)
Polizisten haben oft Mühe, die Lage zu kontrollierenBild: DW/C. Martens

Angst um die Kinder

Plötzlich Aufregung, die Absperrgitter werden auseinandergerückt. Ein kleiner Spalt ist offen, dahinter liegt Österreich. Hunderte Menschen drängen sich davor, jeder will es schaffen. Auch Abdul Rahman schiebt seine Familie vor sich her, aber etwas hält ihn zurück. "Ich will nicht mitten in die Menge, ich hab Angst um meine kleinen Kinder, die werden da erdrückt." Die Situation droht zu kippen, ein Polizist in slowenischer Uniform und Mundschutz zieht Abdul beiseite: "Warte. Hier an der Seite ist Platz."

Zusammen mit rund hundert anderen steht Abdul plötzlich auf der anderen Seite der Lagerumzäunung, die österreichischen Grenzpfosten in Sichtweite. Rucksack, Baby und Vliesdecken umgeschnallt, läuft er zu Fuß über die slowenisch-österreichische Grenze. Geschafft.

Doch ein Weiterkommen ist unmöglich. Österreichische Grenzpolizisten bilden einen Korridor. An dessen Ende: das österreische Auffanglager. Nur mit Mühe hält Abdul Rahan seine Tränen zurück: "In Slowenien haben sie uns gesagt, wir können jetzt nach Österreich, in Österreich sagt man uns jetzt, wir dürfen nicht mehr weiter. Ich kann nicht mehr."