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"Das Virus will ja nicht unbedingt die Menschheit umlegen"

Die Fragen stellte Kay-Alexander Scholz13. Januar 2006

In der Türkei soll H5N1 mutiert sein und sich damit dem Menschen besser angepasst haben. DW-WORLD hat nachgefragt, wie gefährlich dieser Vorgang wirklich ist.

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Kampf gegen die Tierseuche in der TürkeiBild: AP

DW-WORLD: Wie gefährlich ist die von der WHO gemeldete Mutation des H5N1-Virus?

Dr. Christian Drosten: Das ist ein Einzelbefund, der bei einem Auftreten in einem Virus isoliert erstmal keine große Bedeutung hätte. Solche Einzelmutationen sagen noch nichts darüber aus, dass das Virus gefährlicher geworden wäre. Die Biologen sprechen immer von dem Unterschied zwischen dem Genotypen und dem Phänotypen. Wenn Sie eine Mutation im Genom haben, heißt das noch lange nicht, dass damit auch wirklich funktionell, also für die Übertragbarkeit etwas dahinter steckt.

Sondern?

Das Wichtigste ist immer zu beobachten, wie die Epidemie verläuft. In der Türkei sieht man im Moment das Gleiche, was man vor drei Jahren in Hongkong gesehen hat. Nur diejenigen Leute werden infiziert, die direkten Kontakt haben. Das war damals ein Einzelfall, der so nicht weitergegangen ist. Und das hat seine Gründe. Manchmal tauchen Mutationen auf, die eindeutig von Nachteil sind. Das Virus will ja nicht unbedingt die Menschheit umlegen. Dieses Virus will sich nur in irgendeinem Organismus halten - und normalerweise will es das im Huhn.

Liegt es also nicht im Interesse des Virus, sich an den Menschen anzupassen?

Das Virus hat kein Interesse, den Menschen dem Huhn zu bevorzugen. Es gibt sehr dichte Hühnerpopulationen, da hält sich das Virus sehr schön.

Trotzdem soll die große Epidemie von 1918 genau durch eine solche Mutation ausgelöst worden sein?

Es war nicht nur eine Mutation, die die Grippe ausgelöst hat, sondern eine ganze Reihe von Mutationen und auch da weiß man nicht, ob das ausgereicht hat. Weil man nämlich den Vorgänger des 1918-Virus nicht genau kennt.

Warum mutieren Viren überhaupt?

Weil sie schlampige Replikationsenzyme haben. Diese Virusenzyme machen sehr viele Tippfehler bei der physikalischen Reproduktion. Und die haben fast bei allen Viren keine Korrekturenzyme, die am Ende korregieren. Es entstehen dauernd Mutationen, die meisten sind schlecht und für das Virus tödlich.

Kann man Mutationen vorbeugen?

Mutationen vorbeugen kann man über den biologischen Mechanismus nicht. Aber was man machen kann, ist der Prozess, bei dem Mutationen enstehen, zu unterdrücken - und das ist die Replikation, also die Vermehrung. Im Fall H5N1 heißt das, man schafft die Massen der replizierenden Viren aus der Umwelt, indem man die infizierten Hühner tötet.

Dr. Christian Drosten ist Leiter der Virusdiagnostik am Bernhardt-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg