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Das Verbot der Folter ist absolut

Ulrike Mast-Kirschning 10. Dezember 2005

"Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden" - heißt es in Artikel 5 der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte der UN. Ein Kommentar.

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Sichtbare Spuren der QualenBild: dpa

Ist das generelle Verbot der Folter eingeschränkt im Falle von Terrorismus, Notstand und Krieg? Das ist die Kernfrage, die derzeit diskutiert wird - und nicht nur in der amerikanischen Gesellschaft. Wer die Grundlagen menschlichen Zusammenlebens nicht in Frage stellen will, muss diese Frage mit einem klaren Nein beantworten.

UN-Menschenrechtstag

Das Verbot der Folter - 1948 in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen festgeschrieben - ist universell gültig und nicht verhandelbar. Am 10. Dezember ist der UN-Menschenrechtstag. Auch wenn die meisten Menschenrechte in engen Grenzen Einschränkungen erfahren können - für das Verbot der Folter gibt es diese Möglichkeit nicht. Das Verbot ist absolut.

Jeder Verstoß gegen die Menschenrechte bedeutet eine Missachtung der Menschenwürde. Folter aber ist weit mehr. Die Entwürdigung des Menschen wird nicht nur in Kauf genommen, sondern sie ist das Ziel. Wird ein Mensch zum Zweck der Gewinnung von Informationen auf ein hilfloses Bündel aus Schmerz, Angst und Scham reduziert, dann wird er als eigenständiges Subjekt zerstört. Er wird seines "Menschseins" beraubt. Er verliert Selbstachtung und Selbstvertrauen. Weit folgenreicher noch für die Zukunft: Er verliert das zum Menschsein gehörende Grundvertrauen in Andere und in die Gemeinschaft.

Folgen für Opfer und Täter

Folter hat nicht nur gravierende Folgen für die Opfer. Sie ist auch fatal für die, die sie ausüben. Wer einen anderen Menschen auf diese Weise herabwürdigt, ihn praktisch zur Sache macht und als bloßes Mittel funktionalisiert, der nimmt auch sich selbst die Würde. Er funktionalisiert sich selbst. Ein Staat, der Folter duldet, rechtfertigt oder gar anordnet, gibt die Achtung der Menschenwürde als Prinzip preis. Ohne Achtung der Würde jedoch - der eigenen und der Menschenwürde der anderen - können moralische und rechtliche Verbindlichkeiten zwischen Menschen weder entstehen noch aufrechterhalten werden. Es wäre ein Rückschritt der Menschheit und die Akzeptanz der Barbarei. Der Rechtsstaat wäre im Kern bedroht.

Wer im Kampf gegen mutmaßliche "Feinde der Freiheit" eigene menschenrechtliche Prinzipien aufgibt, verliert seine Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Bürger. Gerade auf dieses Vertrauen aber ist der Staat im Kampf gegen den Terrorismus angewiesen. Nicht der Eintritt in den Wettlauf um Barbarei verschafft mehr Autorität und Handlungsfähigkeit, sondern die konsequente Verwirklichung der Menschenrechte.

Ohne Spielraum

Nicht nur für die USA sondern vor allem auch für die EU ist es eine politische, rechtliche und moralische Verpflichtung zu handeln - denn es ist auch eine Frage des Selbstschutzes. Eine Mitwisserschaft oder gar Mittäterschaft bei CIA-Gefängnissen und der Folter von Gefangenen muss strafrechtlich verfolgt werden. Denn: alle Parlamentarier in den Ländern Europas haben in dieser Sache einen klaren Auftrag - für Folter gibt es keinen Spielraum.