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Das traurige Ende des Piraten

Stefan Nestler11. Februar 2009

Vor fünf Jahren starb Marco Pantani, Italiens gefallener Radsportheld, an einer Überdosis Kokain. Der Tour-de-France-Sieger von 1998 wurde nur 34 Jahre alt.

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Marco Pantani mit skeptischem Blick bei einer Pressekonferenz im Mai 2003. Quelle: ap
Gefallener HeldBild: AP
Der Sarg Marco Pantanis, mit Blumen geschmückt, wird im Trauerzug durch Cesenatico getragen. Quelle: ap
20.000 Fans beim Trauerzug in CesenaticoBild: AP

14. Februar 2004, Valentinstag, Hotel "Le Rose" in Rimini an der italienischen Adriaküste. Der Portier ruft Marco Pantani in seinem Zimmer an. Als sich der prominente Gast nicht meldet, alarmiert der Hotelangestellte die Polizei. Pantani liegt tot auf dem Teppich, neben ihm Schachteln mit Medikamenten: Beruhungsmittel, Antidepressiva. Der erste Eindruck lässt Selbstmord vermuten. Die Obduktion ergibt später, dass eine Überdosis Kokain den 34-Jährigen das Leben gekostet hat. Das tragische Ende eines gefallenen Superstars.

Ein Pirat entert die Radsportwelt

Marco Pantani sitzt beim Fahrerstreik der Tour de France 1998 auf der Straße. Quelle: ap
"Il pirata"Bild: AP

Marco Pantani kommt aus einfachsten Verhältnissen. Sein Vater verdient sein Geld als Klempner in Cesenatico nahe Rimini, seine Mutter backt und verkauft Piadina, gefülltes Fladenbrot. Mit Schule hat der junge Marco wenig am Hut. Er treibt lieber Sport, spielt zunächst Fußball, später fährt er Rennrad. Mit 14 Jahren gewinnt Pantani sein erstes Rennen, nach einer Soloflucht. Eine erfolgreiche Amateurkarriere folgt. Höhepunkt ist 1992 der Sieg beim "Baby-Giro", der Italien-Rundfahrt für Amateure. Anschließend wechselt Pantani zu den Profis. Seine Spezialität sind Bergetappen, die für ihn gar nicht steil genug sein können. Pantani ist 1,71 groß und wiegt nur 62 Kilogramm. Wegen seiner abstehenden Ohren nennen ihn einige abfällig "Il elefantino", kleiner Elefant. Für seine Fans aber ist Pantani wegen seines Rings im linken Ohr und des Kopftuches, das er meist über seinen rasierten Schädel gezogen hat, schlicht "Il pirata", der Pirat, der Freibeuter der Landstraße.

Bergauf- und Stehauf-Qualitäten

1994 gelingt Pantani der Durchbruch. Er wird Zweiter beim Giro und als bester Nachwuchsfahrer Dritter bei der Tour de France. 1995 triumphiert er erstmals in Alpe d´Huez, in Rekordzeit fliegt er regelrecht die legendären Serpentinen hinauf. Immer wieder aber muss Pantani auch Rückschläge hinnehmen. Zwei Mal wird er von Autos angefahren, einmal stürzt er bei einem Rennen über eine streunende Katze. Doch nach jeder schweren Verletzung findet Pantani wieder zu alter Stärke. Die Fans lieben ihn dafür umso mehr. 1997 siegt Pantani erneut in Alpe d´Huez, wieder in Rekordzeit. Die Tour beendet er auf Platz drei hinter Jan Ullrich und dem Franzosen Richard Virenque. "Ich bin noch längst nicht hundertprozentig in Form. Der beste Pantani ist der Pantani der Zukunft", orakelt der Italiener.

Traumjahr 1998

Siegerehrung der Tour de France 1998: Jan Ullrich, Marco Pantani und Bobby Julich auf dem Siegerpodest in Paris. Quelle: ap
(v.li.) Ullrich, Pantani, JulichBild: picture-alliance / Sven Simon

Tatsächlich erreicht er 1998 den Zenit seiner Karriere. Erst gewinnt Pantani den Giro d´Italia, dann die Tour de France. Auf der Königsetappe der Tour mit dem Schlussanstieg nach Les Deux Alpes fährt er trotz Regen und Kälte der Konkurrenz in seiner unwiderstehlichen Art auf und davon. Pantani jagt Jan Ullrich das Gelbe Trikot ab und trägt es bis auf die Champs Elysées in Paris. Dass die Tour von der Festina-Dopingaffäre überschattet wird, tut der Begeisterung um den Sieger in Italien keinen Abbruch. Alles scheint bereitet für die große Radsport-Ära Pantani.

"In Seele und Kopf verletzt"

Marco Pantani winkt bei seinem Comebackversuch 2003 vom Rad aus seinen Fans zu. Quelle: ap
Pantani fühlt sich verratenBild: AP

Bis zum 5. Juni 1999: Am vorletzten Tag des Giro d´Italia, den sicheren Sieg vor Augen, wird der Superstar wegen eines erhöhten Hämatokritwertes aus dem Rennen genommen. Pantani versteht die Welt nicht mehr. Warum wird er für etwas bestraft, dass unter den Profis, wie man heute weiß, gang und gäbe ist? Er fühlt sich allein gelassen und verraten: "Ich empfinde Wut, Enttäuschung und Schande. Ich bin in meiner Seele und in meinem Kopf verletzt". Seine damalige Freundin wird nach seinem Tod sagen, der Radprofi habe damals erstmals zu Kokain gegriffen. Auch die Justiz ermittelt gegen den Superstar. 2000 wird Pantani von einem Gericht wegen Sportbetrugs zu drei Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Auch wenn das Urteil später aufgehoben wird, ist Pantani psychisch schwer angeschlagen. Für ihn gibt es nur eine Therapie: Radfahren.

Form und Freundin weg

Marco Pantani mit Lance Armstrong bei der Tour de France 2000. Quelle: ap
Letztes Aufflackern seiner KlasseBild: AP

2000 kann Pantani noch einmal bei der Tour de France zwei Bergetappen vor Lance Armstrong gewinnen. Es sind seine letzten spektakulären Siege. Wegen Dopings mit Insulin wird er 2002 für acht Monate gesperrt. Wieder versucht Pantani ein Comeback. Die Form vergangener glorreicher Tage erreicht er 2003 jedoch nicht einmal annähernd. Sein Team berücksichtigt ihn nicht für die Tour de France. "Ich habe meinen Renninstinkt und die Fantasie verloren", gibt der Profi resigniert zu Protokoll. Zur sportlichen Krise gesellt sich die private. Seine langjährige dänische Freundin trennt sich von ihm, "um meine eigene Gesundheit zu retten, sowohl körperlich, als auch geistig." Pantani nimmt inzwischen regelmäßig Kokain. Er zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Selbst von der Familie will er nichts mehr wissen. In dem Hotelzimmer, in dem Marco Pantani stirbt, findet man später Notizen von ihm. "Ich bin kein Lügner", beschließt Pantani seine Zeilen, "ich bin verletzt und ich hoffe, dass alle, die an mich glaubten, vortreten und sprechen. Ciao, Marco."