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Das Theaterjahr 2001: Phantomdebatte und viele Neuanfänge

Elke Vogel3. Januar 2002

Um den Muff aus den Theatersälen zu vertreiben, zogen 2001 an vielen Häusern neue Intendanten ein. Manchmal wurde dabei nur Staub aufgewirbelt, manchmal aber auch eine ganz neue künstlerische Perspektive eröffnet.

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Gelungener Neustart für Bernd Wilms und das Deutsche Theater in BerlinBild: DT

Eines der am stärksten diskutierten Themen des Jahres war der angebliche Widerspruch zwischen "altem und jungem Theater". Der vermeintliche Generationenkonflikt führte dazu, dass das altehrwürdige Theatertreffen in Berlin erstmals wieder Konkurrenz durch die wiederbelebte "Experimenta" in Frankfurt am Main erhielt, wo sich junge Regisseure versammelten. Am Ende der Phantomdiskussion rauften sich die Jungen und die Alten aber wieder zusammen und waren sich einig: Es gibt kein junges und altes Theater, sondern nur gutes und schlechtes. Danach rückte wieder die Kunst selbst in den Mittelpunkt. Zahlreiche Neustarts galt es zu verfolgen.

Neue Besen kehren gut?

In München zog Dieter Dorn mit fast komplettem Ensemble von den Kammerspielen ins Residenztheater um, wo er sein solid-verlässliches Schauspielertheater fortsetzte. Er brachte eine ebenso traditionelle wie feinfühlige Inszenierung von Shakespeares "Kaufmann von Venedig" auf die Bühne, und das Publikum jubelte.

Ebenso gelungen war Frank Baumbauers Einstand an den Kammerspielen. Er setzte auf Zeitgenössisches und eröffnete mit Herbert Achternbuschs "Daphne von Andechs", einer Liebeserklärung an München mit Josef Bierbichler. Weniger Zuschauerlob erhielt die deutschsprachige Erstaufführung von
Sarah Kanes letztem Stück "4.48 Psychose" in der Regie von Thirza Bruncken.

Neustart auch an zwei großen Berliner Bühnen. Viele neue Gesichter und Premieren fast im Wochenrhythmus gab es am Deutschen Theater unter der neuen Intendanz von Bernd Wilms zu bestaunen. Als Hausregisseure verpflichtete er Konstanze Lauterbach und Hans Neuenfels. Weder Lauterbachs Lorca-Inszenierung "Bluthochzeit" noch Neuenfels' Shakespeare-Arbeit "Titus Andronicus" riss die Kritiker zu Beifallsstürmen hin. Großen Erfolg hatte jedoch Michael Thalheimer mit seiner radikal verkürzten und verfremdeten Inszenierung von Lessings Drama "Emilia Galotti".

Schwieriger war der Neuanfang am Berliner Maxim-Gorki-Theater. Dort gelang dem neuen Theaterleiter Volker Hesse mit der Uraufführung von Theresia Walsers "Die Heldin von Potsdam" nur ein schwacher Auftakt. Begeisterten Beifall fand aber dann die Uraufführung der Polit-Revue "Merkels Brüder" in der Regie von Hajo Kurzenberger und Stephan Müller.

Von vielen Kritikern verrissen wurde der Saison-Auftakt an der Schaubühne, wo Ko-Theaterleiterin Sasha Waltz mit "17-
25/4 (Dialoge 2001)" eine tänzerische Exkursion auf die Straßen rund um das Theater unternahm.

Eine glücklichere Hand hatte Claus Peymann am Berliner Ensemble. Dort zog zum Beispiel Rolf Hochhuths 42 Jahre altes Stück "Der Stellvertreter" über das Verhältnis von Kirche und Staat im "Dritten Reich" in der Regie von Philip Tiedemann das Publikum in seinen Bann.

Volksbühnen-Intendant Frank Castorf mischte die Stockholmer Theaterszene auf, wo seine fünfstündige Inszenierung von Michail Bulgakows "Flucht" allerdings auf sehr geteiltes Echo stieß. Ebenso unentschieden reagierte das Publikum auf Christoph Marthalers Volksbühnen-Produktion "Die Zehn Gebote".

Als Zumutung empfand ein Teil des Publikums die ersten Premieren unter der Intendanz von Elisabeth Schweeger am Frankfurter Schauspiel, wo zum Auftakt Peter Greenaways "Gold" gezeigt wurde. Schweeger konterte und beklagte, dass das Publikum oft schon mit einer fertigen ästhetischen Erwartung ins Theater komme, die dann zwangsläufig enttäuscht werde.

Zu den Höhepunkten des Theaterjahres gehört zweifellos Andrea Breths umjubelte Inszenierung von Schillers "Maria Stuart", die am Wiener Burgtheater zu einem spannenden Politkrimi um Macht und Eitelkeit wurde.

Am Schauspielhaus in Zürich - laut Kritikerurteil das "Theater des Jahres" - sorgte Christoph Schlingensiefs umstrittenes "Hamlet"-Projekt mit aussteigewilligen Neonazis für Aufregung.

Einen schweren Stand hat noch immer Tom Stromberg am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Die Reaktionen auf die ersten Inszenierungen nach seinem Start in der vergangenen Saison waren niederschmetternd. Stromberg meinte, die Zuschauer müssten sich eben erst an die neue Ästhetik des Theaters gewöhnen und versprach, künftig mehr auf das Publikum zugehen zu wollen. Das gelang ihm nur
teilweise: Sebastian Hartmanns wüste Inszenierung von Schillers "Räuber" provozierte einige Zuschauer zu der Feststellung: "Das ist ja Zeitverschwendung." Mehr Fortune hatten die Kammerspiele mit Peter Zadeks "Bash"-Inszenierung.