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Das Tarifsignal 2004

Karl Zawadzky12. Februar 2004

Dem Tarifabschluss für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg kommt Signalwirkung zu. Die Ergebnisse sind für die Einkommensentwicklung in anderen Branchen bis 2006 richtungsweisend, meint Karl Zawadzky.

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Vor allem eines zeichnet den Tarifabschluss für die 800.000 Beschäftigten der baden-württembergischen Metall- und Elektroindustrie aus: Er passt in das wirtschaftliche Umfeld. Er beteiligt die Arbeitnehmer am Wachstum der Wirtschaft und verbessert gleichzeitig die Rahmenbedingungen für den beginnenden Aufschwung der Konjunktur. Das erklärt die allseitige Zufriedenheit sowohl der Verhandlungspartner als auch der Politik.

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement sprach beispielsweise von einem "glänzenden Einstieg" in das Jahr 2004 und mit Blick auf die weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit von einem "echten Fortschritt". Dieser Bewertung kann nur zugestimmt werden. Hinzufügen lässt sich noch, dass die Tarifpartnerschaft von Arbeitgebern und Gewerkschaften trotz des Gegenwindes aus Teilen der Öffentlichkeit und Politik wieder einmal eine Bewährungsprobe erfolgreich bestanden hat.

Gute Stimmung ohne Streik

Das war auch nötig. Denn ein Scheitern der Verhandlungen hätte unweigerlich fatale Konsequenzen, nämlich einen Arbeitskampf, nach sich gezogen. Man mag sich das gar nicht vorstellen: Ein Streik hätte dem gerade keimenden Aufschwung der Wirtschaft einen harten Schlag versetzt und über die wirtschaftlichen Schäden für die Unternehmen hinaus vor allem auf die Stimmung im Lande gedrückt.

Dabei ist nichts wichtiger als eine Verbesserung der allgemeinen Stimmung, denn die ist deutlich schlechter als die wirtschaftliche Lage und entspricht schon gar nicht den noch viel besseren Perspektiven. Trotz der preislichen Erschwernisse beim Export in den Dollar-Raum wird Deutschland von der anlaufenden Erholung der Weltkonjunktur in besonderem Maße und wieder einmal überproportional profitieren.

Aufschwung eingeplant

Der Tarifabschluss beteiligt die Arbeitnehmer an der wirtschaftlichen Erholung. Mit Beginn des kommenden Monats steigen die tariflichen Einkommen um 2,2 Prozent; am 1. März kommenden Jahres folgt eine weitere Erhöhung um 2,7 Prozent. Das heißt: Arbeitgeber und Gewerkschaften gehen davon aus, dass der Aufschwung nicht nur über einen längeren Zeitraum anhält, sondern sich auch noch verstärkt. Die vergleichsweise lange Laufzeit des Vertrages gibt den Unternehmen bei den Personalkosten Planungssicherheit bis Ende Februar 2006.

Flexibler arbeiten

Noch wichtiger ist für die Betriebe, dass die Industriegewerkschaft Metall sich auf ein höheres Maß an Flexibilität bei der Arbeitszeit eingelassen hat. Das heißt: Für besonders qualifizierte Arbeitnehmer ist nun eine längere Arbeitszeit möglich. Künftig das die Hälfte der Beschäftigten eines Betriebes bis zu 40 Stunden pro Woche arbeiten.

Damit wird in vielen Betrieben bei prinzipieller Beibehaltung der 35-Stunden-Woche ein wesentlicher Engpass beseitigt. Während nämlich die Produktion in den deutschen Industrieunternehmen bereits weitgehend automatisiert ist bzw. mit flexiblen Arbeitszeitmodellen rund um die Uhr ausgelastet werden kann, bestand bislang in den Entwicklungsabteilungen und Konstruktionsbüros ein enormer Personalmangel.

Vorlage für Wettbewerbsfähigkeit

Wenn sich dieser Tarifabschluss mit der längeren Arbeitszeit ohne Überstundenzuschläge für Beschäftigte mit hoher Qualifikation auch in anderen Branchen durchsetzt, wird das für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft von erheblichem Vorteil sein. Dass dies so kommt, ist absehbar. Denn die Tarifpartner der Metall- und Elektroindustrie sind sich bereits darin einig, dass der Kompromiss von Baden-Württemberg auf alle anderen Tarifbezirke und damit auf die insgesamt 3,5 Millionen Beschäftigten des größten Wirtschaftszweiges in Deutschland übertragen wird. Die Vernunft gebietet, dass dieser Abschluss auch von anderen Branchen, die vor Tarifverhandlungen stehen, übernommen wird.