1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Superwahljahr 2009

22. Mai 2009

Vom "Schicksalstag der Nation" ist schon mal die Rede, wenn die Deutschen einen neuen Bundestag wählen. Am 27. September ist es wieder so weit. Davor gibt es aber noch einige kaum minder spannende Vorentscheidungen.

https://p.dw.com/p/Hqup
Symbolgrafik Wahlen in Deutschland
Bild: DW

Ein Dramaturg hätte sich das nicht besser ausdenken können. Mehrmals und an verschiedenen Schauplätzen in Deutschland steuert der Kampf um Mehrheiten auf Höhepunkte zu, bis es am Ende zur ganz großen Entscheidung kommt. Bevor aber die eigentlichen Akteure, die Wähler, ihren ersten Auftritt haben, stimmt ein Vorspiel in anderer Besetzung darauf ein.

Plenarsaal Bundestag (Foto: AP)
Hier im Plenarsaal findet am 23. Mai die Bundespräsidentenwahl statt - dann werden auch mehr Plätze besetzt seinBild: AP

Im Berliner Reichstagsgebäude, dem Sitz des Deutschen Bundestages, tritt am 23. Mai ein Verfassungsorgan in Aktion, das nur alle fünf Jahre und zu einem einzigen Zweck gebildet wird: Die Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten, also das deutsche Staatsoberhaupt, wählt. Sie setzt sich zusammen aus den 662 Abgeordneten des Deutschen Bundestages und einer gleich großen Zahl von Mitgliedern, die von den 16 Landesparlamenten benannt wurden - entsprechend der Stärke, in der die einzelnen Parteien in ihnen vertreten sind. Die Bundesversammlung spiegelt damit die Ergebnisse der letzten Wahlen sowohl im Bund als auch in den Ländern wider.

Vorentscheid unter der Reichstagskuppel

Vor fünf Jahren hatten die damaligen Oppositionsparteien im Bundestag - CDU, CSU und FDP - ihren Kandidaten für das höchste Staatsamt, Horst Köhler, durchsetzen können, weil sie in den Ländern stark genug geworden waren. Ein Jahr darauf war die Bundesregierung aus SPD und Grünen am Ende, Angela Merkel wurde Bundeskanzlerin.

Gesine Schwan und Horst Köhler (Foto: AP)
Gesine Schwan und Horst KöhlerBild: AP

Diesmal nun verfügen CDU, CSU und FDP, die Horst Köhler zur Wiederwahl vorgeschlagen haben, über keine Stimmenmehrheit mehr. Nur weil die parteiunabhängigen Freien Wähler, die im Herbst erstmals in den bayerischen Landtag eingezogen sind, ebenfalls ihre Unterstützung für Köhler signalisiert haben, scheint dessen Mehrheit gesichert. Allerdings genügen einige wenige Abweichler, um diese Rechnung zu durchkreuzen. Würde das eintreten und die SPD-Kandidatin Gesine Schwan zur Bundespräsidentin gewählt, die Ausgangslage für die folgenden Wahlen bis hin zur Bundestagswahl würde sich schlagartig ändern.

Bei Europa spielen manche Wähler verrückt

Als erstes würde sich das auf die Europawahl auswirken, die schon zwei Wochen später, am 7. Juni, stattfindet. Die Sozialdemokraten könnten plötzlich mit einem Sieger-Image in den Wahlkampf ziehen, die Motivation der Parteibasis bekäme einen Schub. Aber selbst wenn die Überraschung bei der Bundespräsidentenwahl nicht gelingt, können die Sozialdemokraten der Wahl zum Europaparlament relativ gelassen entgegensehen. Denn vor fünf Jahren hatten sie ein so desaströses Ergebnis, dass es fast nur noch aufwärts gehen kann.

Logo Europawahl (Foto: DPA)
Am 7. Juni ist EuropawahlBild: picture-alliance/dpa

Generell allerdings gelten Europawahlen als besonders unberechenbar. Viele Wähler wissen nicht, welche weitreichende Kompetenzen das EU-Parlament mittlerweile hat. Deshalb glauben sie, hier schadlos Dampf ablassen zu können. Da wird schon mal eine Splitterpartei gewählt, deren Ansichten man gar nicht teilt, nur um es denen in Berlin mal zu zeigen. Momentaner Ärger über die nationale Politik führt dann die Hand in der Wahlkabine, und nicht eine europapolitische Erwägung. Andere gehen erst gar nicht zur Wahl; die Beteiligung ist bei Europawahlen stets viel niedriger als sonst.

Großer nationaler Stimmungstest

Das führt zu Ergebnissen, die nur sehr bedingt Schlüsse auf die bevorstehende Bundestagswahl zulassen. Dennoch gilt die Europawahl am 7. Juni als der große nationale Stimmungstest vor der Entscheidung im September. Wer hier gewinnt, bekommt Auftrieb. Wer verliert, tut sich schwer zu erklären, warum damit für die Bundestagswahl noch gar nichts verloren ist.

Besonders vor der Europawahl zittern muss die CSU. Sie tritt nur in Bayern an. Sollte sie so schlecht abschneiden wie bei der Landtagswahl im Herbst 2008, und sollte dann auch noch die Wahlbeteiligung in Bayern deutlich unter dem Bundesdurchschnitt liegen, dann könnte es passieren, dass die CSU weniger als fünf Prozent der in ganz Deutschland gültig abgegebenen Stimmen erhält. Dann aber dürfte sie, wegen der Fünf-Prozent-Sperrklausel, keinen einzigen Abgeordneten ins Europaparlament entsenden. Für die Christlich-Sozialen wäre das eine Blamage ohnegleichen - und das ein Vierteljahr vor der Bundestagswahl.

Drei Mal Spannung in der Regionalliga

Am 30. August werden die Nerven der Politiker und aller politisch interessierter Menschen noch einmal aufs Äußerste angespannt sein. In drei Bundesländern wird dann gewählt, und in allen ist ein Regierungswechsel nicht unwahrscheinlich. In Sachsen, Thüringen und dem Saarland stellt die CDU bisher den Ministerpräsidenten, in den letzten beiden Ländern können die Christdemokraten sogar ohne Koalitionspartner regieren.

Montage Ministerpräsidenten (GrafiK: DW)
Diese Ministerpräsidenten wollen wiedergewählt werden: Dieter Althaus (CDU) in Thüringen, Stanislaw Tillich (CDU) in Sachsen, Peter Müller (CDU) im Saarland und Matthias Platzeck (SPD) in BrandenburgBild: AP/Montage DW

Die Große Koalition im Bundestag hat nun aber zum Erstarken der kleineren, oppositionellen Parteien geführt. Das könnte sich bei diesen regionalen Wahlen auswirken - zu Lasten vor allem der Christdemokraten, im Saarland aber auch zu Lasten der Sozialdemokraten. Denn dort tritt Oskar Lafontaine für die Linkspartei mit dem Ziel an, Ministerpräsident zu werden.

Lafontaine war, damals noch für die SPD, viele Jahre saarländischer Ministerpräsident. Er regierte mit absoluter Mehrheit, bevor er sich in die Bundespolitik verabschiedete - und dann mit Gerhard Schröder überwarf und seine Partei verließ. Nun führt Lafontaine die Linkspartei in Deutschland und macht in seiner Heimat an der Saar den Sozialdemokraten den zweiten Platz hinter der CDU streitig.

Großes Finale mit Nachschlag

Je nach Ausgang könnten die drei Landtagswahlen die politische Ausgangslage noch mal kräftig verändern, mit der es ins große Finale geht, den Kampf um den Deutschen Bundestag. Und wenn dann am Abend des 27. September Sieger und Verlierer verkündet sind und der Vorhang nach diesem letzten Akt des Wahldramas fällt - dann wird der Vorhang noch mal ein klein bisschen geöffnet werden und das Land Brandenburg hindurchspitzen. Dort wird nämlich am selben Tag der Landtag neu gewählt. Doch anders als bei all den Wahlen zuvor wird das Publikum davon nur noch am Rande Notiz nehmen.

Autor: Peter Stützle

Redaktion: Kay-Alexander Scholz