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Das schärfste Schwert der Opposition

Martin Koch27. September 2012

Ein Untersuchungsausschuss gilt als wirksamstes Instrument der Opposition bei der Kontrolle der Regierung. Sogar Regierungschefs - wie nun Kanzlerin Merkel - müssen erscheinen, wenn sie vorgeladen werden.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel musste am Vormittag vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen. Die Opposition will ihr nachweisen, dass sie in ihrer Zeit als Umweltministerin (1994-1998) unter Bundeskanzler Helmut Kohl bei der Suche nach einem Endlager für atomaren Müll Fehler begangen hat.

In der Geschichte der Bundesrepublik ist es der 39. Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA). Im Grundgesetz (Art. 44) ist ein solcher Ausschuss als Instrument der parlamentarischen Kontrolle auf Bundes- und Länderebene vorgesehen. Wenn zum Beispiel ein Viertel aller Abgeordneten des Bundestages einen Antrag unterstützen, muss ein Untersuchungsausschuss eingerichtet werden. In den einzelnen Bundesländern gelten zum Teil andere Kriterien. Auf Bundes- wie auf Länderebene gilt: Im Untersuchungsausschuss sitzen Mitglieder aller im Parlament vertretenen Parteien entsprechend ihrer Fraktionsgröße. Sie können von der Regierung alle Akten anfordern, die es im Zusammenhang mit der fraglichen Angelegenheit gibt, und sie können Zeugen vorladen. Natürlich bemühen sich die Ausschussmitglieder, möglichst hochrangige Vertreter der Regierung zum Thema zu befragen, wie zum Beispiel im aktuellen Fall die Kanzlerin oder beim Flick-Parteispenden-Untersuchungsausschuss ihren Vorgänger Helmut Kohl.

Wahrheitspflicht wie in einem Strafprozess

Das Verfahren beim PUA ist an den Ablauf eines Strafprozesses angelehnt, erklärt der Jurist Paul J. Glauben, stellvertretender Landtagsdirektor von Rheinland-Pfalz und Mitautor eines Standardwerks über Untersuchungsausschüsse. "Das heißt, die Wahrheitspflicht besteht auch gegenüber einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, so dass durchaus die Einleitung eines Verfahrens wegen falscher uneidlicher Aussage möglich ist, wenn jemand vor dem Untersuchungsausschuss nicht die Wahrheit sagt." Dafür könne in einem dann folgenden Strafverfahren eine Geld- oder sogar eine Freiheitsstrafe verhängt werden.

Ministerialdirigent Dr. jur. Paul Glauben, Leiter der Wissenschaftlichen Dienste des Landtages Rheinland-Pfalz, Mainz und Stellvertretender Landtagsdirektor. Copyright: VWA Koblenz.
Ministerialdirigent Dr. Paul GlaubenBild: VWA Koblenz

Die Besonderheit eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist das Recht der Mitglieder, die Akten zu allen fraglichen Vorgängen persönlich studieren zu können. Das sorge für Respekt gegenüber dem Parlament, betont der Politikwissenschaftler Professor Gerd Langguth von der Universität Bonn: "Sonst gibt es nur die Möglichkeit der mündlichen und schriftlichen Anfragen. Denen kann gut ausgewichen werden. Beim Untersuchungsausschuss gibt es eine verfeinerte Befragungstechnik, da kann alles rauskommen, wenn man will."

Ein gutes Beispiel seien die zahlreichen neuen Erkenntnisse des aktuellen Untersuchungsausschusses, der Ermittlungspannen im Zusammenhang mit der rechtsextremistischen Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" untersucht.

Parteispenden, Wahlbetrug und Geheimdienstpannen

Einer der spektakulärsten Untersuchungsausschüsse der Vergangenheit befasste sich mit dem CDU-Parteispendenskandal, zu dem 1985 unter anderem der damalige Kanzler Helmut Kohl befragt wurde. Auch sein Nachfolger Gerhard Schröder musste sich vor einem PUA verantworten: bei ihm ging es um den Vorwurf des Wahlbetrugs im Zusammenhang mit der Bundestagswahl 2002.

Politikwissenschaftler Gerd Langguth. Foto: Soeren Stache dpa pixel
Politikwissenschaftler Prof. Gerd LangguthBild: picture-alliance/dpa

Eine Sonderrolle spielt der Verteidigungsausschuss, der sich ohne einen Antrag von Parlamentariern eigenständig als Untersuchungsausschuss einsetzen kann. In anderen Ländern gilt die Praxis der deutschen Untersuchungsausschüsse als vorbildlich, sagt der Politologe Gerd Langguth. Denn nicht überall würden auch militärische Ereignisse durch das Parlament untersucht, wie es beim Untersuchungsausschuss zum versehentlichen Beschuss eines Tanklastzuges in Afghanistan mit vielen Toten der Fall war. "Bei uns hat das Parlament relativ viel zu sagen, siehe den Euro-Rettungsschirm ESM, und da hat der deutsche Bundestag immer auch eine Vorbildwirkung auf andere Parlamente".