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Das neue deutsche Duo

5. Oktober 2009

"Merkel hat ’nen Neuen", kommentierte die "Bild"-Zeitung das Wahl-Ergebnis gewohnt stilsicher und meinte damit den politischen Partnerwechsel der Bundeskanzlerin. Die Bewährungsprobe steht dem Paar aber erst noch bevor.

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Ein Foto wie ein Scherenschnitt, auf dem Angela Merkel und Guido Westerwelle im Profil abgebildet sind. Foto: dpa
Bislang herrschte eitel Sonnenschein zwischen Merkel und WesterwelleBild: dpa

Deutschland wird künftig von einem Bündnis aus Konservativen (CDU/CSU) und Liberalen (FDP) regiert werden. Dabei muss sich die seit 2005 amtierende Kanzlerin Angela Merkel an einen neuen Vizekanzler an ihrer Seite gewöhnen, den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle. Als Oppositionsführer hat er seiner künftigen Chefin in den vergangenen Jahren das Leben oft schwer gemacht. Persönlich hingegen verbindet die beiden eine Freundschaft, die bis in die 90er- Jahre zurückreicht.

Merkel lobt Westerwelle, Westerwelle lobt Merkel

Nach vier mehr oder weniger freudlosen Jahren mit den Sozialdemokraten, hat Merkel nun ihren liberalen Wunschpartner bekommen. "Ich schätze seine Vertrauensfreudigkeit, seine Berechenbarkeit und auch seine Verschwiegenheit, wenn es darauf ankommt", sagt Merkel über Westerwelle.

Angela Merkel als damalige Umweltministerin 1995 in Gorleben (Foto: DPA)
Angela Merkel als damalige Umweltministerin 1995 in GorlebenBild: dpa

Ein besseres Führungszeugnis kann man sich kaum vorstellen. Und auch Westerwelle lobt seine künftige Vorgesetzte. "Ich habe gar keinen Zweifel daran, dass wir mit unserem guten Verhältnis eine sehr solide persönliche Grundlage für eine gute Politik bilden können."

So viel Harmonie hat natürlich eine Vorgeschichte, die Mitte der 90er- Jahre begann. Damals regierten - wie demnächst wieder - Konservative und Liberale in einer gemeinsamen Koalition. Die 40-jährige Merkel war Umweltministerin im Kabinett Helmut Kohls. Westerwelle war mit Anfang 30 FDP-Generalsekretär. Zu diesem Zeitpunkt war ihr Verhältnis rein politischer Natur. Das änderte sich mehr und mehr nach dem Scheitern der schwarz-gelben Koalition 1998.

Aufmunternde Worte in der Oppositionszeit

Guido Westerwelle im Bundestagswahlkampf 2002 (Foto: AP)
Guido Westerwelle im Bundestagswahlkampf 2002Bild: AP

Merkel übernahm in der CDU den gleichen Posten, den Westerwelle in seiner Partei bereits inne hatte - den des Generalsekretärs. Merkel hatte die CDU-Spenden-Affäre zu meistern, Westerwelle bereitete seinen weiteren Aufstieg in der FDP vor. Anfang dieses Jahrtausends dann waren beide Partei-Vorsitzende. Bei der Bundestagswahl 2002 musste Merkel dem Vorsitzenden der bayerischen Schwesterpartei CSU, Edmund Stoiber, die Kanzlerkandidatur überlassen. Ein Rückschlag auf dem Weg nach ganz oben, über den ihr auch aufmunternde Worte Westerwelles hinweghalfen.

Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 sollte die inzwischen auch persönliche Freundschaft in ein neues politisches Bündnis zwischen Union und FDP münden. Dieses Ziel haben sie nun im zweiten Anlauf erreicht. Jetzt muss sich zeigen, wie belastbar das Verhältnis Merkel-Westerwelle wirklich ist. Und da legt die Kanzlerin Wert auf Distanz. Koalitionen sind ja nie Liebeshochzeiten. Privat ist privat, Beruf ist Beruf - daran lässt Merkel keinen Zweifel. Wobei es Situationen geben kann, in denen beide Ebenen Schnittmengen bilden.

Weichenstellungen beim gemeinsamen Essen

Das war in den Monaten vor der Bundespräsidenten-Wahl 2004 der Fall. Merkel und Westerwelle - zu diesem Zeitpunkt beide Oppositionsführer - fädelten bei gemeinsamen Essen in den eigenen vier Wänden die Kandidatur des einer breiten Öffentlichkeit unbekannten Horst Köhler ein. Ein umso bemerkenswerter Coup, als man aus dem Unionslager auch CSU-Chef Edmund Stoiber und Merkels Vorgänger an der CDU-Spitze, Wolfgang Schäuble, Ambitionen nachsagte.

Damals war es auch, dass Merkel und Westerwelle vom förmlichen "Sie" zum vertrauten "Du" übergingen. Vor diesem persönlichen Hintergrund begegnen sich die beiden nun in den Koalitionsverhandlungen. Und da stellt die Kanzlerin schon mal Bedingungen. "Bei den Mindestlöhnen nehme ich nichts zurück. Und auch die Grundstruktur des Gesundheitsfonds wird nicht angetastet." Westerwelle zeigt sich vom Vorpreschen seiner Freundin Merkel unbeeindruckt. Gegen derlei Begleitmusik sei er "absolut resistent". Forsche Worte Westerwelles, der in der Koalition aber Junior-Partner sein wird, während Merkel als Kanzlerin den Takt vorgeben wird.

Westerwelle und Merkel am 27. September 2009 in einer TV-Sendung (Foto: AP)
Die zukünftigen Koalitionäre nach der Bundestagswahl am 27. September 2009Bild: AP

Koch und Kellner am Kabinettstisch

Wer in einem schwarz-gelben Bündnis Koch und wer Kellner ist, stellte Merkel vorsorglich schon vor der Wahl klar. In einer Koalition wolle sie als Koch auftreten, ansonsten trete sie als Merkel auf. Ein Satz, der auch bei Westerwelle für Heiterkeit sorgte. Bei der FDP herrsche Gleichberechtigung, konterte er amüsiert. In seiner Partei stünden eben nicht nur die Frauen am Herd, sondern auch die Männer. "Ich kann sehr gut kochen, das weiß auch Angela Merkel. Sie hat sich jedenfalls noch nie beklagt, wenn ich gekocht habe", erinnerte Westerwelle an zahlreiche gemeinsame Essen.

Bei aller Harmonie in der Küche, am Kabinettstisch könnte es damit schnell vorbei sein. Zuvor aber müssen Merkel und Westerwelle erst einmal das richtige Rezept für die gemeinsame Regierungszeit finden. Und schon dabei wird man sich gegenseitig so manches Mal in die Suppe spucken - bei aller Freundschaft.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Kay-Alexander Scholz