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Das Matterhorn feiert Jubiläum

Arno Stroncik13. Juli 2015

Vor 150 Jahren wurde der "Berg der Berge" in den Alpen erstmals bestiegen. Der Abstieg zurück ins schweizerische Zermatt endete in einer Tragödie, die auch 150 Jahre später immer noch nicht aufgeklärt ist.

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Schweiz Illumination am Matterhorn
Bild: Reuters/D. Balibouse

Es sind nur noch wenige Meter. Voller Ungeduld und das Ziel vor Augen löst sich Edwin Whymper von seiner Seilschaft und stürmt den Gipfel. Am 14. Juli 1865 um 13.40 Uhr steht der Brite als erster Mensch auf dem Matterhorn. Einer der letzten "unbesteigbaren" Viertausender der Alpen ist besiegt, der "Wettlauf" gegen eine zweite, italienische Expedition, gewonnen. Doch der Triumph wird beim Abstieg zur Tragödie. "Vier sind abgestürzt, nur drei haben überlebt", berichtet Gianni Mazzone. Der Bergführer ist Urururenkel von Peter Taugwalder junior, der mit seinem gleichnamigen Vater sowie Whymper zu den Überlebenden der Erstbesteigung gehörte. Noch heute wird über die Ursache des spekuliert: War es ein Unfall, Sabotage oder gar Mord?

Goldenes Zeitalter

Das 4478 Meter hohe Matterhorn ist nicht der höchste, wohl aber der vielleicht schönste Viertausender der Alpen. Er liegt auf der Grenze zwischen Italien und der Schweiz und gilt als "Hausberg" von Zermatt im Schweizer Kanton Wallis. "In dieser Pracht sieht man sonst keinen Berg", schwärmt Mazzone. "Diese phantastischen Linien und dieses Dreieck sind imposant." Spektakulär seien auch die Wolkenspiele und Stimmungen im Morgen- oder Abendrot. Das hat auch der Kommerz für sich entdeckt und das Naturwunder zur Werbeikone gemacht. Und für Alpinisten? "Der Weg ist ja das Ziel. Aber wenn man auf den Gipfel darf, ist das die Krönung."

Schweiz Matterhorn Alpinismus Nacht
Bild: picture alliance/AP Photo/J. C. Bott

Das war schon Mitte des 19. Jahrhunderts so. Die Zeit zwischen 1854 und 1865 wird als goldenes Zeitalter des Bergsteigens und der Erschließung der Alpen beschrieben. Es herrschte ein verbissener Prestigekampf. Wem die Erstbesteigung eines Viertausenders gelang, der avancierte zum Helden. Die Alpinisten waren in der Regel wohlhabende Briten. Für sie stand die sportliche Seite des Bergssteigens im Vordergrund. Edwin Whymper schrieb einmal, er betrachte seine Touren als "sport and nothing more".

Abstieg in die Katastrophe

Whymper gehörte bereits mit 25 Jahren zu den erfolgreichsten Bergsteigern seiner Zeit. Er stammte aus einfachen Verhältnissen und galt als egoistisch und von Ehrgeiz getrieben. Der Brite arbeitete als Zeichner, Holzschneider, Journalist und Schriftsteller. Mehrfach schon war er am Matterhorn gescheitert. Als er hörte, im italienischen Cerviglia sei eine Seilschaft unter Führung von Jean-Antoine Carrel zum Gipfel aufgebrochen, handelte Whymper schnell. In Zermatt stellte er eine Expedition zusammen: Dazu gehörten die beiden Taugwalders aus der Schweiz, der Franzose Michel Croz sowie die Briten Lord Francis Douglas, Referend Charles Hudson und der unerfahrene Douglas Robert Hadow. Obwohl in dieser Formation noch nie zusammen geklettert, gelang allen Sieben die Erstbesteigung.

Doch der Abstieg über die Nordwand führte die Seilschaft in die Katastrophe. Whymper berichtete, Hadow sei 200 Meter unter dem Gipfel gestürzt und habe Croz, Hudson und Douglas mit sich in den 1000 Meter tiefen Abgrund gerissen. Ein nur sechs Millimeter dünnes Reserveseil zwischen Douglas und Taugwalder senior riss entzwei. Indem Taugwalder das feste Seil, mit dem er an Whymper angebunden war, um einen Felsvorsprung gewunden hatte, rettete er seinem Sohn, Whymper und sich selbst das Leben.

Originalseil der Matterhorn-Erstbesteigung im Museum in Zermatt
Originalseil der Matterhorn-ErstbesteigungBild: S. Stroncik

Ein Gericht in Zermatt untersuchte den Fall. Es tauchten Berichte auf, das dünne Seil - ausgestellt noch heute im Matterhorn Museum - sei zerschnitten worden. Die Presse beschuldigt Whymper des Mordes. Erbittert wurde um die Wahrheit gestritten, geklärt wurde sie nie. Das Verfahren wurde schließlich eingestellt. "Es war schlussendlich ein Unfall", bemerkt Mazzone. Später hat Whymper das Buch "Matterhorn. Der lange Weg auf den Gipfel" geschrieben. Der Brite warf darin Taugwalder senior Sabotage vor. "Die Menschen glaubten damals dem geschriebenen Wort", sagt Mazzone. "Die Taugwalders konnten sich gegen die Vorwürfe kaum zur Wehr setzen."

"Entschleunigung" am Hörnligrat

Nach wie vor ist es eine Herausforderung, das Matterhorn zu besteigen. Der Alpinist sollte sich einem Bergführer anvertrauen und gute Fähigkeiten im Klettern auf Felsen oder mit Steigeisen bei Schnee haben. "Die Idealroute am Hörnligrat ist nur ein bis zwei Meter breit. Genau auf der Route ist man sicher, auch vor Steinschlag. Wenn man vom Idealweg abkommt, wird es gefährlich", warnt Kurt Lauber, seit mehr als 20 Jahren Wirt der zum Jubiläum neu gestalteten Hörnlihütte. Hier, auf 3.260 Meter Höhe, starten viele Expeditionen. "Der Einstieg ist wie ein Nadelöhr, und es ist schwer zu Überholen. Morgens um vier, wenn es losgeht, ist es fast wie ein Wettrennen", klagt Lauber, der selbst schon 400 Mal auf dem Matterhorn war. Entspannt habe sich die Situation aber, seitdem man einheimischen Bergführern den Vortritt einräumte.

Schweiz Matterhorn Alpinismus Hörnli Hütte
An der Hörnlihütte beginnt der AufstiegBild: picture alliance/dpa

Während der Montblanc, der höchste Berg der Alpen, von 30.000 Bergsteigern pro Jahr bestiegen wird, sind es am Matterhorn nur 3000. Dennoch ist "Entschleunigung" angesagt. Die Zahl der Plätze in der Hütte wurde reduziert, das Biwakieren und Campieren ist verboten. "Ich hoffe, dass es nie zu einem Massentourismus kommt", betont Lauber: "Dafür ist der Berg zu schön." Dazu passt auch die "Gipfelsperre" am 14. Juli 2015. "An dem ganz speziellen Tag machen wir auf der Hütte gar nichts, um den Berg effektiv unseren Respekt zu zeigen."

Start des Tourismus

Die Leiche des vor 150 Jahren abgestürzten Lord Douglas, einem Verwandten der damaligen Königin Victoria, hat man nie gefunden, wahrscheinlich ist sie in eine Gletscherspalte gefallen. "Er ist da unten nicht allein", stellt Edy Schmid fest, Präsident des Matterhorn Museums. "Für viele ist da oben ein ganz kaltes Grab." Seit der Erstbesteigung sind mehr als 500 Menschen am Matterhorn tödlich verunglückt. Zwischen 40 und 50 von ihnen gelten als verschollen.

Schweiz Matterhorn Alpinismus, Bildmontage Seilschaft der Erstbesteiger (Foto: (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
Die Seilschaft der Erstbesteiger um Edwin WhymperBild: picture alliance/KEYSTONE

"Wertvolles englische Blut ist am Matterhorn vergeudet worden", beklagte Queen Victoria nach dem Unglück. Sie fragte sich, ob man Bergsteigen nicht verbieten müsse. Das führte zu dem Effekt, dass die Neugier vieler Briten geweckt wurde und diese in Scharen in das ehemals ärmliche Bergdorf reisten. Es war der Start des Tourismus in Zermatt. Und noch heute zieht das Matterhorn Alpinisten aus der ganzen Welt magisch an - auf den Spuren von Edward Whymper. Zum 150. Jubiläum macht nun das Freilichttheater "The Matterhorn Story" die Erstbesteigung erlebbar.