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Die "Kondomnonne" aus Afrika Text

7. September 2009

Sie hat lange Jahre in der Aidsarbeit in Tansania und Simbabwe gearbeitet. Doch weil sie Kondome verteilte, wurde Majella Lenzen aus ihrem Orden ausgeschlossen. In einer Biografie erzählt die Ex-Nonne ihre Geschichte.

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Buchautorin Majella LenzenBild: Stephanie Gebert / DW

Majella Lenzen ist eine freundliche, hochgewachsene Frau, die jedoch zusammenzuckt, sobald sie den Titel hört, der ihr soviel Ärger und das Ende der Missionarszeit einbrachte. "Kondomnonne" so taufte die Regenbogenpresse in Simbabwe Majella Lenzen, weil sie Anfang der 1990er Jahre als Schwester Maria Lauda mit einer Ärztin Aufklärungsarbeit in Bordellen leistete.

"Kondome sind notwendig – gerade in der Prostitution"

Majella Lenzen mit Kindern in Tansania
Majella Lenzen mit Kindern in TansaniaBild: DuMont-Verlag

Sie halte es nach wie vor für sinnvoll, zum Schutz vor dem HI-Virus Kondome zu verteilten, erklärt Lenzen heute mit Nachdruck. Auch wenn sie selbst nie ein Kondom an den Mann oder die Frau gebracht habe. Sie habe die Verhütungsmittel lediglich in dem Auto der Diözese transportiert und eine Ärztin beim Verteilen der Kondome begleitet. "Meine Aufgabe bei diesen Besuchen war es, mit denen, die starben und schwerkrank waren zu sprechen und sie zu trösten. Und das sind ja wohl zwei Paar Schuhe." Sie würde diese Aktion jedoch jederzeit wiederholen, fügt Lenzen noch hinzu und betont: "Man muss einfach wissen, wo Kondome unbedingt nötig sind. Und das ist nun mal bei den Prostituierten."

Gegen die Regeln der Kirche

Diese Haltung widerspricht den Regeln der katholischen Kirche und das bekommen alle Ordensleute mit abweichender Meinung deutlich zu spüren. Man habe für Schwester Maria Lauda in Afrika keine Verwendung mehr, teilte der Orden "Vom kostbaren Blut" Majella Lenzen mit. Die gebürtige Aachenerin hatte gerade ihre Mutter in Deutschland besucht. Sie tritt freiwillig aus dem Orden aus. Vierzig Jahre lang war Majella Lenzen bis dato im Hospital des Ordens gegen Malaria, Cholera und HIV gekämpft – fast rund um die Uhr.

Majella Lenzen im Kreis weiterer Missionsschwestern
Im Kreis ihrer MissionsschwesternBild: DuMont-Verlag

Jahrelang hatte sie die Leitung des Krankenhauses in Turiani im Nordwesten Tansanias inne und habe aufgrund fehlenden Personals auch die Nachtschicht übernommen. "Wenn jemand eingeliefert wurde", erinnert sich Lenzen, "kam der Nachtwächter immer an meinem Fenster vorbei. Meistens wurde ich schon wach und hörte seinen Gang. Und dann hieß es: ‚Ein Patient ist gekommen, bitte steh auf’. Dieser ständige Einsatz ohne Pausen kam fast einer Ausbeutung gleich.“

Einsatz bis zur Erschöpfung

Eben diesen Einsatz bis zur Erschöpfung, prangert Lenzen in ihrer Biografie an. Die Arbeit mit den vom Bürgerkrieg traumatisierten Menschen in Simbabwe oder Tansania sorge bei vielen Missionaren für das klassische Burn-out-Syndrom, so die Beobachtung der ehemaligen Nonne. Sie selbst sei jedoch oft zu naiv gewesen und habe nicht die verkrusteten Strukturen und die fehlende Hilfe ihres Ordens, sondern sich selbst für die Zusammenbrüche verantwortlich gemacht.

"Ich war bereit mein Leben dieser Aufgabe zu opfern"

Majella Lenzen bei einer Untersuchung
Majella Lenzen kümmerte sich in ihrer Missionszeit um KinderBild: DuMont-Verlag

Ihre große Abenteuerlust und der Wunsch ihrer Patentante – einer Missionarin in Ostafrika – nachzufolgen, hatten Majella Lenzen 1956 nach Afrika gebracht. Sie habe sogar schießen und Autofahren gelernt bevor es an den Kilimandscharo ging, erinnert sich die heute 71-Jährige nicht ohne Stolz. Als junge Nonne habe sie voller Motivation gesteckt. "Bei meiner Aussendung hat der Prälat so eindringlich gepredigt, dass ich klatschnass geschwitzt war. Er hat an unsere religiöse Motivation appelliert und uns erklärt, wir müssten alles auf uns nehmen, was kommt", erinnert sich Lenzen. Sie sei tatsächlich bereit gewesen, ihr Leben für diese Aufgabe zu opfern.

Ihre Aufgabe führte Majella Lenzen vom Hospital in Tansania nach Simbabwe. Dort baute sie als Provinzoberin eine Bibliothek auf und wurde Anfang der 1990er Jahre zurück nach Tansania berufen. Dort gründete sie das Zentrum für HIV-Infizierte namens "Rainbow-Center", bis sie bei der Aidsaufklärung, nach Meinung ihres Ordens, einen Schritt zu weit ging.

Tiefe Verbundenheit mit Afrika

All diese Stationen ihres bewegten Lebens schildert Majella Lenzen in ihrem Buch mit einer Intensität, die auch eine tiefe Verbundenheit mit Afrika erkennen lässt. Aber der Leser kann auch nachempfinden, wie die engagierte Ordensfrau mit sich und ihrem Glauben ringt. Die Kritik an der katholischen Kirche und ihren hierarchischen Strukturen wird deutlich, aber auch der Versuch der Autorin ihren Frieden zu schließen mit ihrem jahrelangen Arbeitgeber. Der jedoch hat ihr jegliche Unterstützung versagt: Majella Lenzen muss nach dem Austritt aus dem Orden um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen.

Buchtipp: Majella Lenzen: "Das möge Gott verhüten – Warum ich keine Nonne mehr sein kann", DuMont-Verlag, 2009, 19,95 Euro.

Autorin: Stephanie Gebert

Redaktion: Dirk Bathe