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Das Leben mit der neuen Mehrwertsteuer

Marianthi Milona (Thessaloniki)1. August 2015

Seit zwei Wochen gilt in Griechenland eine höhere Mehrwertsteuer. Ein Plan zur Unzeit, finden viele Griechen. Wie gehen sie damit um? Worauf müssen sie verzichten? Marinathi Milona berichtet aus Thessaloniki.

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Griechische Taverne
Bild: Fotolia/magenjitsu

Zwei Wochen ist es jetzt her, da begann die griechische Regierung damit, eine der in Brüssel ausgehandelten neuen Reform-Maßnahmen im Land umzusetzen: die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Am meisten davon betroffen ist die griechische Tourismusindustrie. Inmitten der Sommersaison suchen Restaurant- und Hotelbesitzer jetzt nach einer fairen Umsetzung. Denn die Deals und Preiskalkulationen sind bereits im Vorfeld mit Reiseveranstaltern und Fluggesellschaften ausgehandelt worden. Und wer seine Reise im Vorfeld bezahlt hat, möchte ungern noch einmal zur Kasse gebeten werden.

"Das ist sehr negativ für die Tourismusbranche, aber auch generell für alle im Land", sagt Giorgos Livanis, Restaurantbesitzer an der olympischen Riviera in Nordgriechenland. "Wir werden so auf Dauer nicht mehr mit den anderen Mittelmeerländern wie der Türkei, Italien und Spanien konkurrieren können." Die Mehrwertsteuer sei überall viel niedriger als in Griechenland. "Die reiben sich doch alle die Hände, wenn bei uns alles teurer wird." Livanis wird die Mehrwertsteuer erst einmal nicht erhöhen und die Preise so halten wie bisher. "Alle Preise waren mit 13 Prozent kalkuliert, doch jetzt müssten eigentlich 23 Prozent berechnet werden."

Griechenland ein Tag vor Referendum
Bild: Reuters/C. McNaughton

Kompromissbereitschaft vorhanden

Giorgos Livanis ist mit diesem Problem nicht allein. Die meisten griechischen Geschäftsleute sind mit den ausgehandelten Deals, die die griechische Regierung in Brüssel erreicht hat, zwar prinzipiell einverstanden, auch wenn jeder Cent an höheren Steuern der griechischen Wirtschaft weh tut. Die griechische Tourismusbranche ist eher vom Zeitpunkt überrascht, in dem eine solch große Mehrwertsteuererhöhung angesetzt worden ist. Und Giorgos Livanis ist davon überzeugt, das sie in diesem Sommer gar nicht richtig umsetzbar ist. "Dieser Plan wird nicht aufgehen", beteuert er. Er bekommt mit, dass selbst beim Eisverkäufer die Kundschaft ausbleibt, obwohl das Eis nur wenig teurer geworden ist.

Diskrepanz zwischen Stadt und Land

"Ich denke im Augenblick viel an die Menschen in der Stadt, die sich alles kaufen müssen. Wir hier auf dem Land haben es etwas leichter", erklärt die 50jährige Maria Vassiliadu. Sie ist Mutter von zwei Töchtern um die 20. Sie ist froh, auf dem Land zu leben. In der Stadt könnte sie die immer wieder angehobenen Preise auf fast alle Lebensmittel auf Dauer nicht mehr bezahlen, glaubt sie. "Auf dem Land haben viele von uns längst schon für schwierige Zeiten vorgesorgt. Wir haben Oliven und Olivenöl, ein kleines Boot, um selbst fischen gehen zu können und einen Gemüsegarten, in dem fast alles wachsen kann", erklärt die emsige Griechin, während sie in ihrem Garten die Tomatenstauden bewundert.

Hotel Heliotopos Santorini
Bild: Heliotopos Hotel

Entlastung der Gäste

Auch Anna Karenu, Pensionsbesitzerin an der nordgriechischen Badeküste, sucht nach Lösungen. Sie will ihre Stammkundschaft mit den erhöhten Mehrwertsteuerpreisen nicht vergraulen. Auch wenn die Erhöhung für sie erst zum Oktober dieses Jahres zur Pflicht wird. Viel mehr als 70 Euro für eine Übernachtung mit Frühstück kann sie in ihrer 14-Zimmer-Pension nicht verlangen. Die griechischen Stammkunden sind ja jetzt schon bereits ausgeblieben. Sie denkt über Alternativen nach. "Belasse ich die alten Preise, muss ich selbst für die Erhöhung aufkommen. Erhöhe ich die Zimmerpreise, dann wird sich der Gast überlegen, vielleicht nicht zu buchen."

Die umtriebige Geschäftsfrau grübelt. Für ihr Gewerbe steigt die Steuer von sechs auf 13 Prozent. "Ich weiß einfach nicht, wie ich das für mich regeln soll. Die Buchungen stehen ja bereits fest. Für dieses Jahr kann ich nicht mehr viel ändern." Und im kommenden Jahr? Werden die Gäste dann ausbleiben? Anna Karenu schüttelt unschlüssig den Kopf. "Vielleicht sollte ich mir den Mehraufwand mit den Gästen teilen. Ich werde die Preise wegen der Steuer vielleicht nicht auf 13 Prozent, sondern nur auf zehn Prozent erhöhen."

Eine Sache der Mentalität

Für Stavros Driwas, Cafebesitzer auf der Halbinsel Halkidiki ist es ganz klar. "Sie können machen, was sie wollen, wir funktionieren nicht nur mit Zahlen. Auch deshalb machen uns diese Veränderungen zu schaffen." Der Mann mischt seit dreißig Jahren in der Tourismusbranche mit und hat eine Menge Erfahrung. Stavros Driwas wird die nichtalkoholischen Getränke zunächst einmal beim alten Preis belassen. Zwei Euro die Tasse Kaffee, 2,50 Sodawasser und Limonade. Nur bei Spirituosen, wie Whiskey, Wein und Wodka will er die 23 Prozent Mehrwertsteuer berechnen.

Driwas will vor allem eines nicht: dass sich die Gäste unwohl fühlen. Lieber macht auch er weniger Gewinn. Und erklärt warum. "Bei uns geht es um zwischenmenschliche Gefühle und Emotionen." Ein deutscher Freund, mit dem er früher täglich zusammen saß, habe ihn einmal getadelt, weil er seinem Sohn für ein Souvenir aus Unachtsamkeit fünf Cents weniger berechnet hatte. "Er winkte mit dem Zeigefinger und sagte, das sei mein Fehler, so dürfe es nicht sein." Aber, sagt er nach einer kurzen Pause, "wir gehen ganz anders mit kleinen Beträgen um. Ich hätte von seinem Jungen niemals die fünf Cents gefordert." Sensibilität im gegenseitigen Umgang sei für ihn wichtiger als Geld. "Wir sind durch und durch von dieser Mentalität geprägt. Das ist das, was in Europa verwirrt und warum wir immer wieder missverstanden werden."