"Das Leben ist keine Waldorfschule"
2. September 2009"Entschuldigung, sind Sie die Wurst?" fragen die Autoren Felix Anschütz, Nico Degenkolb, Krischan Dietmaier und Thomas Neumann, während sich Lynn Hagens in "Je kürzer, desto länger" mit Sex-Irrtümern beschäftigt. "Als ich meine Mutter im Sexshop traf" von Robert Neuendorf könnte im gut sortierten Buchhandel direkt daneben liegen. Ob der Autor von "Österreich ist schön. Ein Märchen." sich der Wirkung seines Buchtitels bewusst ist? Auch vor paradoxen Satzkonstrukten wie "In Wahrheit wird viel mehr gelogen" schrecken Schreiberlinge nicht zurück.
Von Serienmördern und Bestattern
Das sind nur fünf der 20 Titel, die die Redaktionen von "BuchMarkt" und "Bloomsbury Berlin" für die sogenannte Longlist ausgesucht haben. Seit Anfang August waren ihnen 190 Vorschläge von Lesern, Buchhändlern und Liebhabern kurioser Buchtitel ins Haus geflattert. Auf www.kuriosesterbuchtitel.de kann nun jeder, der sich dazu berufen fühlt, seinen Favoriten in die Top 6, die Shortlist, wählen. Die Jury, bestehend aus den Autoren Katja Kessler, Eckart von Hirschhausen und Alexa Hennig von Lange, kürt am 14. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse die schön-schaurigste Titel-Entgleisung des Jahres. Im vergangenen Jahr gewann "Begegnungen mit dem Serienmörder. Jetzt sprechen die Opfer". Passend dazu mischt dieses Jahr ""Gestatten, Bestatter!" Bei uns liegen Sie richtig" von Peter Wilhelm die Top 20 auf.
Schwarzer Buchtitelhumor made in Britain
Die Idee kommt - natürlich - aus Großbritannien. Seit 30 Jahren werden dort kuriose Buchtitel vom britischen "Bookseller" prämiert. Kostproben gefällig? Als erster gewann 1978 "Berichte vom zweiten internationalen Symposium über nackte Mäuse", der Titel eines Tokioter Tagungsbandes. "Wie man sehr großen Schiffen ausweicht" machte 1992 das Rennen und gegen "Glanzpunkte in der Geschichte des Betons" waren zwei Jahre später alle Konkurrenztitel chancenlos.
Ausstellungstitel zwischen Genie und Wahnsinn
Auch Kuratoren scheinen ihrer Fantasie oft keine Grenzen zu setzen. Das Kunstmagazin "art" hat sich auf die Suche nach den ungewöhnlichsten und ausgefallensten Titeln gemacht und ist unter anderem auf literatisch-poetische Ergüsse wie "Behängt, Behaart, Belüftet" (E-Werk in Freiburg) und "Hirnlego" (Städtische Kunsthalle München) gekommen. Zu den laut "art" hirnrissigsten Ausstellungstiteln 2008 gehörte neben "Fritten und Brillanten" aus dem Kunstmuseum Stuttgart und "Attacke die Waldfee" (Münchner Galerie Wittenbrink) auch "Vorhang auf: Lüften!" aus dem Neuen Museum Weimar.
Kuriose Kinokreationen
Das Kino ist da keine Ausnahme. Von Filmplakaten schreit es dem unvorbereiteten Passanten schon einmal "In meiner Wut wieg' ich vier Zentner", "Circus – Traue keinem dieser Clowns!" oder "Kat – Eine Katze hat neun Leben. Du hast nur eins" entgegen. Nomen est omen, aber der Name kann auch ein Zeichen dafür sein, das Buch nicht zu kaufen oder den Film nicht zu sehen. Das Leben ist eben keine Waldorfschule, wie Mischa-Sarim Vérollet titelt, und leider auch kein Montessori-Kindergarten.
Autorin: Clarice Wolter
Redaktion: Sabine Oelze