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Das Lächeln kehrt zurück

Danhong Zhang10. Juni 2003

Die SARS-Krise hat China herbe wirtschaftliche Einbußen beschert. Nun schöpfen Finanzmarkt-Experten bereits wieder Hoffnung. Denn jüngsten Statistiken zufolge gab es Anfang Juni keine neuen Infizierten in China.

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Ein Bild aus ungeliebter Vergangenheit: geschlossene Touristenläden in PekingBild: AP

China kann endlich wieder aufatmen - auch wenn der Vize-Gesundheitsminister Gao Qiang vor der Annahme warnt, der Kampf gegen SARS sei vorüber. Die Entwarnung der Weltgesundheitsorganisation WHO, die Ende Mai die Reisewarnung für Südchina aufhob, kam früher als erwartet. Bereits im Vorfeld der offiziellen Entwarnung seitens der WHO waren die Finanzmärkte in Hongkong und auf dem chinesischen Festland kräftig gestiegen.

Für Jan Viebig, Manager des China-Fonds bei der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS hat es sich wieder mal gezeigt, dass Investoren gerade in Krisenzeiten Nerven behalten müssen. "Ich glaube, der größte Fehler von Aktionären ist, in so einer Zeit erst zu verkaufen, weil man Angst bekommt. Genau solche Rückschläge sind aber Zeitpunkte, wo man eigentlich kaufen müsste." Zweierlei sei zu beobachten gewesen: Erstens seien die Branchen Luftfahrt und Tourismus abgewertet worden; und zweitens sei der Rest des Marktes gefallen, weil die Risikoprämie für die Region gestiegen sei. "Genau solche Rückschläge", so Viebig, "sind eher Einstiegspunkte für Aktionäre."

Kräftige Kursgewinne

Viele Aktien-Käufer scheinen dies ähnlich zu sehen, wie ein Blick auf den für diese Region maßgeblichen Hang-Seng-Index zeigt. Dieses Börsenbarometer markierte auf dem Höhepunkt der SARS-Krise einen Tiefstand von 8409 Punkten. Seitdem ist der Index steil gestiegen. Am Pfingstmontag (9.6.2003) schloss er bei 9733 Zählern. Das ist ein Plus von mehr als 15 Prozent.

Laut Viebig sind die Investmentbanken, die ihre Prognosen für Chinas Wirtschaftswachstum gesenkt haben, schon wieder von der Realität überholt worden. Er sagt ein durchschnittliches Wachstum der chinesischen Wirtschaft zwischen 7,5 und 9 Prozent in den nächsten Jahren voraus. Zur Erinnerung: Im ersten Quartal 2003 verzeichnete Chinas Bruttoinlandsprodukt ein stolzes Plus von 9,9 Prozent. Viebig rechnet damit, dass ein durch die SARS-Epidemie voraussichtlich schwaches zweites Quartal in der zweiten Jahreshälfte kompensiert wird.

Warnung

Weniger optimistisch wird die Lage von Andy Xie eingeschätzt - zumindest kurzfristig. Er ist Asien-Direktor von Morgan Stanley in Hongkong. "Nach einer Krise brauchen vor allem die Fluggesellschaften und die Tourismusbranche sechs Monate, um sich zu erholen. Diesmal wird es nicht anders sein." Es gibt zudem praktische Schwierigkeiten. Zum Beispiel planten die Urlauber aus Europa und den USA sechs Monate im Voraus, wohin die Reise gehen soll. Nach dem SARS-Ausbruch würden die meisten im Sommer wohl nicht mehr nach Asien kommen. "Ich denke", sagt Andy Xie, "die Luftfahrt - und die Tourismusbranche werden sich dieses Jahr nicht mehr erholen können, da müssen wir den nächsten Zyklus abwarten."

Attraktivität

Mittel- und langfristig wird sich aber nichts an der Attraktivität Chinas als Investitionsstandort ändern. Da sind sich die Experten einig. China ist der größte Empfänger ausländischer Direktinvestitionen. Jährlich fließen über 50 Milliarden US - Dollar in das Riesenreich. Viebig glaubt nicht daran, dass die Direktinvestitionen von einer Krise wie SARS beeinträchtigt werden. "Die Leute, die direkt investieren, treffen langfristige Überlegungen. Sie wollen profitieren von dem großen oder viel größeren Wachstum, das zur Zeit in China existiert. Mit diesen Direktinvestitionen kommt nicht nur neues Kapital nach China, es kommt auch ein neuer Managementstil nach China, es kommt technologisches Wissen nach China, auch das tut dem Markt sehr gut."

Die international operierenden Unternehmen, die zunehmend ihre Produktionsstätten nach China verlegen, haben nicht nur den florierenden Markt in diesem bevölkerungsreichsten Land im Kopf. Für Andy Xie von Morgan Stanley geht es bei vielen ums nackte Überleben, getrieben von der Konkurrenz auf der Suche nach günstigen Produktionsbedingungen: "Die internationalen Multis müssen in China investieren. Weil weltweit die Preise fallen, sind viele Produktionsstätten nicht mehr zu halten. Die Regionen mit hohen Lohnkosten sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Den meisten ausländischen Investoren, vor allem diejenigen im produzierenden Gewerbe oder im Exportbereich geht es nicht darum, noch mehr Geld zu verdienen, sondern ums schlichte Überleben."

Investment-Chancen

Die günstigen Produktionskosten erklären auch, warum Chinas Exporte zunächst deutlich gesteigert werden konnten. Von Januar bis April wuchs das Ausfuhrvolumen nach Deutschland um 66 Prozent. Niemanden wundert es daher, dass der von Viebig gemanagte DWS-Fonds hauptsächlich export-orientierte chinesische Unternehmen im Portfolio hat. Sie sind allerdings ausnahmslos an der Hongkonger Börse gelistet, die so genannten H-Aktien oder Red-Chips. Grund dafür ist die größere Transparenz an der Börse der ehemaligen britischen Kolonie.

Trotz SARS kann sich die Performance seines China-Fonds mit einem Plus von fünf Prozent seit Jahresanfang durchaus sehen lassen. Im Vergleich dazu verharren die meisten Aktienfonds, die den Raum Europa abdecken, immer noch im Minus. Wenn die Rede vom chinesischen Finanzmarkt ist, kommt Fonds-Manager Viebig leicht ins Schwärmen: "Wenn man in die Börsen guckt über längeren Zeitraum, dann wünscht man sich Börsen, die einmal volkswirtschaftlich ein hohes Wachstum aufweisen, aber auch Börsen, die sich abkoppeln von dem globalen Trend, da ist China für Investoren zur Zeit sehr, sehr interessant. Das ist der Grund, dass viel Geld momentan in diesen Markt fließt, und mit diesem Geld steigen die Aktienkurse."