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Ein ewiger Kreislauf

Klaus Esterluss
28. Februar 2018

Der Befruchtungsprozess der Feige ist mehr als komplex. "Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?", hat sich Mutter Natur wohl bei dieser Frucht gedacht.

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Frische Feigen
Bild: Colourbox/A. Nesswetha

Das Leben einer jeden Feigenwespe folgt einem streng festgelegten Kreislauf, in dessen Zentrum sich die Frucht befindet. Wir steigen in dem Moment in die Geschichte ein, in dem eine weibliche Feigenwespe sich aufmacht, in eine Feige zu gelangen. Dazu hat ihr die Natur ein kleines Loch gelassen. Sie muss es nicht graben, es ist schon da. Mit kurzen Stacheln am Kopf der Wespe wird das Eindringen in die noch unreife Frucht etwas leichter.

Der Weg ist allerdings sehr eng. Deswegen verlieren die nur zwei bis drei Millimeter kleinen Insekten auf dem Weg oft ihre Flügel, große Teile ihrer Fühler und Beine. Damit ist ihr Schicksal besiegelt. Raus aus der Feige kommt die Wespe nun nicht mehr. Muss sie auch nicht, denn Pollen, die die Feige für ihren Reifungsprozess braucht, hat die Wespe schon aus dem mitgebracht, in dem sie geboren wurde.

Drama im Inneren

Um zu verstehen, warum die Wespe in die Feige hinein muss, muss man verstehen, dass die Feige keine Frucht ist, wie ein Apfel zum Beispiel. Sie entwickelt sich nicht aus einer Blüte heraus, sondern ist vielmehr eine Ansammlung von kleinen Blüten in einer birnenförmigen Hülle. Was wir also am Ende essen, sind die Blüten, das Äußere, das in der Feige nach innen gekehrt ist.

Global Ideas Feigenwespe
Kleine Wespe, große Wirkung: Das Leben der Feigenwespe ist eng mit der gleichnamigen Frucht verbundenBild: picture-alliance

An oder mitten in diese Blütenbirne bringt die Wespe also die Pollen. Und legt hier ihre Eier ab. Danach stirbt sie. Auf die gleiche Weise werden auch andere, nicht befruchtende Wespenarten, Eier und Leben los.

Während sich die Feige entwickelt, reifen die Eier, entstehen Wespenlarven, die sich verpuppen und am Ende als fertig entwickelte Feigenwespen in der Feige sitzen. Die erste Amtshandlung ihrer männlichen Vertreter ist die Begattung eines Weibchens. Nach dem Akt beginnt das Männchen, einen Tunnel hinaus aus der Feige zu graben. Zu mehr hat es Mutter Natur nicht bestimmt. Weil das Männchen bei den meisten Arten ohne Flügel geboren wird, überlebt es außerhalb der Frucht nicht lange.

Das Weibchen zwängt sich nach dem Männchen durch den Tunnel, sammelt Pollen auf dem Weg und fliegt zu einem nahen, anderen Feigenbaum. Hier findet es wieder das kleine Loch, kriecht hinein, verliert Flügel, Fühler, Beine und setzt den Kreislauf erneut in Gang.

Wenn die Wespe drin bleibt, was essen wir?

Trockenfrüchte Feigen
Nicht jede Feige auf unseren Tellern hat Wespenleben gekostetBild: Colourbox/Maestro Z

Wer schon einmal eine Feige gegessen hat, kennt das Knuspern beim Biss in die Frucht. Heißt das, wir kauen auf toten Feigenwespen herum? Oder gar, dass Feigen nicht vegetarisch oder vegan sind? Natürlich nicht. Selbst wenn Weibchen in der umgekrempelten Blütenfrucht der Feige sterben, nicht nur eine, sondern viele, wie gesagt, sind die knusprigen Teile, die gern zwischen den Zähnen klemmen bleiben, nur die Samen. Die Wespen werden durch ein Enzym namens Ficin zersetzt und gehen in der Frucht auf.

Außerdem bauen wir seit grauer Vorzeit Feigen an. Über die Jahre haben wir auch Feigenarten entwickelt, die sich selbst befruchten können, also keine Wespen mehr brauchen.