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Die Dauer-Rettung

26. Dezember 2010

Mit beispiellosen Hilfsaktionen haben die Euro-Länder 2010 versucht, die Währungsunion zu retten. Wird das reichen? Eine vorläufige Bilanz der Euro-Rettungsmaßnahmen.

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Frau hinter schwarzem Schirm (Foto: Fotolia)
Euro-Schutz in schweren WetternBild: Fotolia/George Mayer

Ein ganzes Jahr lang hat die EU im Bann der Euro-Krise gestanden. Dabei denken im Januar die wenigsten, wie ernst es im Verlauf des Jahres werden wird. Als sich Anfang des Jahres eine mögliche Zahlungsunfähigkeit Griechenlands abzeichnet, versucht der neue EU-Währungskommissar Olli Rehn zu beruhigen: "Wenn eine solche Situation auftritt, werden wir die Mittel und Wege haben, um die finanzielle Stabilität der Euro-Zone zu sichern." Damit ist bereits das Grundproblem klar, dass die Probleme eines Landes Auswirkungen auf die ganze Währungsunion haben können.

Gespaltene Bundesregierung

Symbolbild Finanzkrise Griechenland (Grafik: DW)
Hängt schon am Tropf: GriechenlandBild: DW

Doch Rehns Blankoversprechen kommt nicht überall gut an. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle lehnt selbst Ende April noch eine große Hilfsaktion ab: "Wer zu früh Geld ins Schaufenster legt, wird nur sehen, dass dann die Hausaufgaben in Griechenland nicht mit dem nötigen Fleiß und mit der nötigen Disziplin erledigt werden."

Wenige Tage später, Anfang Mai, wird das Griechenland-Paket dann doch geschnürt. Die Griechen müssen als Gegenleistung ein hartes Sparprogramm auflegen. Wie groß die Spaltung der Bundesregierung ist, zeigen auch die Worte von Finanzminister Wolfgang Schäuble: "Alle Europäer haben die Stabilität der Eurozone als ganze zu verteidigen. Das ist unser Auftrag. Je besser wir den erfüllen, umso besser für alle in Europa und damit auch für alle Deutschen."

Wer passt alles unter den Schirm?

Aber viele warnen bereits, dass die Krise möglicherweise nicht bei Griechenland haltmachen wird, etwa der luxemburgische Europaabgeordnete Frank Engel: "Was im Moment mit Griechenland passiert, könnte morgen mit Portugal und übermorgen mit Spanien passieren. Und wenn es mit Spanien passiert, dann mit ganz Europa, weil ganz Europa nicht die Mittel hat, um Spanien zu retten."

In Brüssel bricht eine gewisse Panik aus. Nur rund eine Woche nach dem Griechenland-Paket beschließen die Euro-Länder, zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds einen Rettungsschirm von insgesamt 750 Milliarden Euro aufzuspannen. Gleichzeitig verpflichten sich alle Regierungen zu strikter Haushaltsdisziplin.

Pier Carlo Padoan, Chefökonom der OECD, ist zufrieden. Das "Zusammenspiel zwischen finanzpolitischer Disziplin und der Disziplin der Märkte" müsse gestärkt werden. Will heißen: Wo Länder ihre Haushalte in Ordnung halten, verhalten sich auch die Märkte diszipliniert. Padoan begrüßte daher auch, dass der Rettungsmechanismus an strikte Bedingungen gebunden sein soll.

Sanktionen verwässert

Nicolas Sarkozy und Angela Merkel (Foto: AP)
Einigung auf Kosten der Disziplin: Sarkozy und MerkelBild: AP

Aber mit den strikten Bedingungen ist es nicht weit her. Bundeskanzlerin Angela Merkel kommt bei einem Treffen in Deauville dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy weit entgegen und verzichtet auf automatische Sanktionen gegen Defizitsünder, ein Kernvorhaben auch der Kommission.

Guy Verhofstadt, Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Europaparlament, ist fassungslos. "Zehn Monate haben die Deutschen schärfere Sanktionen gefordert. Und jetzt haben sie genau das Gegenteil getan."

Panik in Brüssel

Trotzdem scheint sich die Situation ein wenig zu entspannen. Klaus Regling, der Chef des Euro-Krisenfonds, wagt Ende Oktober eine Prophezeiung, an die er später sicher nicht mehr erinnert werden möchte. "Ich gehe davon aus, dass kein Geld mobilisiert werden muss, dass keines der Mitgliedsländer in der Währungsunion finanzielle Hilfsmaßnahmen braucht."

Bereits im November wird er widerlegt. Als erstes Land flüchtet Irland unter den Rettungsschirm. Und schon geht die Angst um, dem Fonds werde das Geld ausgehen, spätestens wenn neben Portugal auch Spanien Hilfe brauchen sollte.

Nur als letztes Mittel

Klaus Regling (Foto: dpa)
Krisenfonds-Chef Regling: "Kein Euro-Land wird Hilfe brauchen."Bild: picture-alliance/dpa

Trotzdem lehnen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel Mitte Dezember eine Aufstockung der bestehenden Mittel ab. Sie versprechen nur vage, der Fonds werde in jedem Fall groß genug sein. Merkel sorgt auch dafür, dass die Idee gemeinsamer Euroanleihen auf die lange Bank geschoben wird. Und der dauerhafte Krisenmechanismus, der von 2013 an gelten soll, soll auf deutsches Betreiben hin nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden. Stattdessen wollen die Euro-Staaten ihre Wirtschaftspolitik stärker aufeinander abstimmen - ein Langzeitprojekt mit ungewissem Ausgang.

Am Ende bleibt nur Hoffnung

So bleibt am Jahresende vor allem die Hoffnung, dass sich die Märkte von den Beschlüssen beruhigen lassen werden. In dieser Stimmung beenden auch Merkel und Regierungssprecher Steffen Seibert die Gipfel-Pressekonferenz in Brüssel. Dem "frohe Weihnachten" der Kanzlerin fügt Seibert noch halblaut hinzu: "Und ein bisschen Ruhe für Europa."

Die Euro-Krise hat die EU am Jahresanfang ziemlich unvorbereitet getroffen. Verglichen damit, steht die Union heute sehr viel besser da. Aber die Frage bleibt offen, ob die Gegenmaßnahmen weit genug gehen und schnell genug umgesetzt werden.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Jochen Vock