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"Das ist alles nur kostenlose PR für die NPD"

5. August 2011

Kurz nach dem offenbar rechtsradikal motivierten Attentat in Norwegen entbrannte in Deutschland ein Streit über den Umgang mit der rechtsextremen NPD. Im Interview mit DW-WORLD.DE äußert sich der Autor Patrick Gensing.

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Neonazi-Aufmarsch von NPD-Sympathisanten in Leipzig. (Foto: ap)
Bild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Gensing, der Bundesverfassungsschutz sieht die NPD in einer schweren Krise. Sehen Sie das auch so?

Patrick Gensing: Auf jeden Fall, die NPD ist schon länger in einer schweren Krise. Es gab eine ganze Reihe von schweren Wahlniederlagen, die folgenreichste war bislang das Scheitern in Sachsen-Anhalt. Aktuell muss die Partei auch noch um den Einzug in den Landtag in Mecklenburg-Vorpommern fürchten, wo die Partei seit fünf Jahren sitzt. Wenn das auch noch verfehlt wird, dann ist es möglich, dass die NPD tatsächlich in großen Teilen vollkommen in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Hinzu kommen die finanziellen Probleme, und nicht zu vergessen ist eine Strategiediskussion, die in der NPD seit Monaten geführt wird und sich im Kreise dreht. Sie hat keine Rezepte, sie ist politisch wirklich sehr nah am Ende. Was nicht heißt, dass sie tot ist, aber sie ist im Prinzip bedeutungslos.

Muss man sich vor diesem Hintergrund nicht eigentlich wundern, dass erneut die Forderung erhoben wird, die NPD zu verbieten? Wie verfassungsfeindlich und gefährlich ist die NPD eigentlich noch?

Buchcover des Buches "Angriff von rechts" -von Patrick Gensing.
"Angriff von rechts" - Das Buch von Patrick Gensing
Die NPD ist aus meiner Sicht auf jeden Fall verbotswürdig. Sie machen eine aggressive und rechtsradikale Propaganda, die auch noch staatlich finanziert wird. Nichtsdestotrotz ist diese derzeitige Debatte eine kostenlose Werbung für die Partei. Die Diskussion geht am eigentlichen Thema vorbei, nämlich am Thema Oslo, es ist einfach eine Stellvertreterdebatte. Es werden immer dieselben Positionen ausgetauscht. Die SPD fordert ein Verbot, es gibt auch einige Unions-Innenminister, die auch ein Verbot fordern. Dann gibt es Unions-Innenminister, die sagen, dass können wir nicht machen, weil es zu gefährlich ist. Wir können die V-Leute nicht aus der NPD abziehen. V-Leute sind dabei keine Geheimdienstmitarbeiter, die in die NPD eingeschleust werden, sondern das sind Neonazis, die Informationen an den Staat verkaufen. Meist sind die Informationen aber von zweifelhaftem Wert. Die V-Leute haben das Verbotsverfahren 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern lassen. Deshalb könnte es sehr gut sein, dass ein erneutes Verbotsverfahren wieder an diesen V-Leuten scheitert, weil diese V-Mannpraxis offenbar in den meisten Bundesländern nicht beendet wurde. Deswegen erübrigt sich diese Diskussion ganz einfach. Es hat sich nichts am Sachstand geändert. Die Union will die Zusammenarbeit mit den V-Leuten nicht beenden, weil sie sagt, die NPD ist so gefährlich, dass wir die V-Leute auf gar keinen Fall abziehen können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich die NPD durch ihre Radikalität vor einem Verbot schützt. Das ist eine absurde Situation.

Welche konkreten Gefahren gehen denn von der NPD aus?

Die NPD stellt für die Bundesrepublik und für die Demokratie in Deutschland keine Gefahr dar. Sie ist in einzelnen Regionen in Deutschland sehr stark: in Sachsen und in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns ist sie regional sehr stark verankert und spielt dort auch eine gewichtige Rolle, ansonsten ist sie politisch bedeutungslos. Die Gefahr, die von der NPD ausgeht, ist ihre aggressive Propaganda, die Zusammenarbeit mit militanten Neonazis. Das sieht man aktuell an einem Fall in Berlin, dort mobilisiert die NPD 150 militante tschechische Neonazis, um dort in ihrem Wahlkampf nachts 40.000 Plakate mit den deutschen Kameraden aufzuhängen. Es gab in den letzten Monaten in Berlin zahlreiche Anschläge auf alternative Projekte von Neonazis, und es ist davon auszugehen, dass diese nächtliche Plakatieraktion zahlreiche Gewalttaten nach sich ziehen wird. Das ist die Gefahr, die von der NPD ausgeht. Sie vertritt eine militante Szene, ist der parlamentarische Arm des so genannten "nationalen Widerstands". Das ist eine körperliche Gefahr für bestimmte Menschen, für Ausländer, für Leute, die nicht in das Weltbild von Neonazis passen.

Und was kann man da tun?

Ein Foto von Patrick Gensing. (Foto: dw)
Patrick Gensing forscht über die NPDBild: DW

Man muss sich dem überall entgegenstellen, man soll es nicht klein reden. Man sollte die NPD aber auch nicht gefährlicher reden, als sie ist. Sie steht ja nicht kurz davor, hier die Macht zu übernehmen. Es wäre völliger Unsinn, so etwas zu behaupten. Man muss vor allem sehen, dass die NPD gesellschaftlich isoliert bleibt, was in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern teilweise nicht gelingt. Dort kann sie sich tatsächlich in die Mitte vorarbeiten, kann sich als Kümmerer-Partei aufspielen und kann ihre Propaganda beispielsweise bei Kinderfesten ungefiltert und ungehindert an Kinder und Jugendliche weitergeben. Dagegen gilt es vorzugehen.

Was kann die Politik im Einzelnen tun?

Die Politik sollte sofort aufhören, solche Stellvertreter-Diskussionen zu führen. Das ist zum einen kostenlose Werbung für die NPD, die endlich mal wieder bundesweit in den Medien ist - es ist der Partei sehr wichtig, dass sie überhaupt noch wahrgenommen wird. Sie sollte sich konkret darum bemühen, Programme gegen Rechtsextremismus und für Demokratie zu stärken, anstatt zu schwächen, wie es zurzeit der Fall ist. Und man sollte sich eben auch inhaltlich mit dem Problem und dem Phänomen auseinandersetzen, das heißt, gerade nach dem rechtsradikalen Doppelanschlag in Norwegen sollte man jetzt nicht über die NPD sprechen, denn Anders Breivik ist kein klassischer Neonazi, sondern er ist vom Rechtspopulismus geprägt. Das geht aus seinem Manifest ganz eindeutig hervor. Wenn man jetzt plötzlich auf die NPD zeigt, macht man es sich sehr einfach, weil gegen die NPD im Prinzip jeder ist. Aber rechtspopulistische Ideologie ist in der Gesellschaft viel breiter vertreten als Sympathie für die NPD. Von daher gilt es jetzt, über Rechtspopulismus zu sprechen und nicht über ein NPD-Verbot.

Patrick Gensing ist Autor des Buches "Angriff von Rechts. Die Strategien der Neonazis - und was man dagegen tun kann". Außerdem betreibt er das Internet-Projekt "NPD-blog.info", das die rechtsextreme Bewegung in Deutschland und Europa beobachtet.

Das Interview führte Andrea Grunau
Redaktion: Arne Lichtenberg