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"Das Internet ist zur neuen Front geworden"

Das Interview führte Lisa Hemmerich20. Juli 2006

Amnesty International klagt auch US-Unternehmen wegen eingeschränkter Meinungsfreiheit im Internet an. DW-WORLD.DE im Gespräch mit Peter Frankenthal, Direktor für Wirtschaftsbeziehungen der Menschenrechtsorganisation.

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Amnesty International (ai) kritisiert Microsoft, Yahoo und GoogleBild: AP

DW-WORLD.DE: Wieso folgen so große multinationale Internet-Konzerne wie Google, Yahoo und Microsoft den Forderungen Chinas?

Peter Frankenthal: Der Ursache dafür ist, dass die Unternehmen durch ihre Aktionäre unter enormen Druck gesetzt werden, im chinesischen Markt zu expandieren, weil es ein sehr lukrativer Markt ist. Aber von unserem Standpunkt aus sind das keine angemessenen Gründe, um die chinesische Regierung bei der Verletzung von Menschenrechten zu unterstützen.

Wie funktioniert eine solche Zensur im Internet?

Logo Amnesty International
ai-Logo

Sie wird auf unterschiedliche Weise umgesetzt. Zum Beispiel gab Yahoo private und vertrauliche Informationen an die Regierung über einzelne Personen weiter, die in einigen Fällen zur Festnahme der Personen geführt haben. Ein solcher Fall ist der einer Journalistin, die zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie im Jahre 2004 einer ausländischen Webseite von den Auflagen der chinesischen Regierung berichtete, wie über den 15. Jahrestag des Massakers auf dem Tienanmenplatz zu berichten sei. Das ist nur einer von vielen Fällen im Zusammenhang mit Yahoo. Microsoft hat zum Beispiel Weblogs gesperrt. Das Unternehmen bestätigt auch, dass es den Instruktionen der chinesischen Regierung folgt, User in ihrer Freiheit zu beschränken, die bestimmte Ausdrücke in ihren Blogtiteln verwenden. Google hat für China eine spezielle Version seiner internationalen Suchmaschine kreiert.

Ist ein solches Vorgehen der Unternehmen nicht rechtswidrig?

Sie brechen sicherlich internationale Gesetze in Bezug auf das Verhalten von Unternehmen. Zum Beispiel haben 2500 multinationale Unternehmen ein UN-Abkommen unterzeichnet, indem sie versichern Regierung, nicht bei der Verletzung von Menschenrechten zu unterstützen. Und dann sehen wir, dass alle drei Unternehmen sich mitschuldig machen an Menschenrechtsverletzungen in China.

Könnte das rechtliche Konsequenzen für die Unternehmen haben?

Nein, es gibt kein internationales Gericht, das Unternehmen für Komplizenschaft in Menschenrechtsverletzungen verantwortlich machen kann. Sie können lediglich nach nationalem Recht angeklagt werden. Und es gibt sehr wenige Staaten, wenn überhaupt, die ihre eigenen multinationalen Konzerne für diese Art von Verhalten anklagen, zumal es im Ausland geschieht.

Gibt es noch weitere Länder mit Internet-Zensur?

Amnesty hat über Internet-Zensur in einer Vielzahl von Ländern berichtet, darunter der Iran, Syrien, Tunesien, Turkmenistan, Vietnam, Weißrussland und Israel. Es ist also ein sehr verbreitetes Problem. Das Internet ist zur neuen Front geworden im weltweiten Kampf für die Meinungsfreiheit. Als Amnesty von 45 Jahren gegründet wurde, war die Front Stift und Papier und die mündliche Sprache. Viele Regierungen wollen Webseiten blockieren, E-Mails und Blogs sperren, die kritische Informationen enthalten.

Wie üben Länder wie Syrien und der Iran Druck auf die Unternehmen aus?

Internet Cafe in China Internet Zensur Amnesty International fordert amerikanische Firmen auf freiheitliche Rechte in China einzufordern
'Das gesamte Internet hängt vom freien Spiel der Information ab'Bild: AP

Es ist nicht so, dass diese Länder Druck auf die Unternehmen ausüben, sondern die Regierungen nehmen Menschen fest und üben Druck auf solche aus, die friedlich und ganz legitim ihre Meinung äußern. Das ist das Problem hier und der Grund warum wir die Aufmerksamkeit auf die Unternehmen lenken wollen, die Länder wie China dabei unterstützen. Und weil es in China so einen großen Markt gibt mit über 100 Millionen Internet-Nutzern.

Gibt es eine Möglichkeit die Zensur zu bekämpfen?

Amnesty bietet Menschen auf der ganzen Welt an, sich an einer Unterschriftenaktion zu beteiligen, die fordert, dass das Internet für politische Freiheit und nicht zur Unterdrückung genutzt werden soll. Menschen haben das Recht online Information zu suchen und zu erhalten und ihre friedliche Meinung zu äußern. Die Aktion fordert auch Regierungen auf, die ungerechtfertigte Einschränkung des Ausdrucks im Internet zu beenden. Unternehmen sollen aufhören, sie dabei zu unterstützen. Diese Unterschriftenaktion wird im November einer Konferenz der Vereinte Nationen zum Thema Internet vorgelegt. Wir hoffen, dass mit der Zeit strengere Regelungen eingesetzt werden, vielleicht eine Form von internationaler Konvention, die Länder unter Druck setzt zu unterzeichnen.

Das könnte sich als besonders schwierig in China erweisen, das ja auch nicht der internationalen Menschenrechtskonvention beitritt.

Ich denke, es wird bei vielen Ländern schwer sein. Deshalb liegt der Schlüssel in der Mobilisierung der internationalen Gesellschaft. Unternehmen haben bekanntlich ein Interesse am freien Fluss der Informationen. Die gesamte Integrität des Internets hängt vom freien Spiel der Informationen ab und dem freien Zugang der Nutzer weltweit. Unternehmen bemühen sich stark, den Bedürfnissen ihre Nutzer gerecht zu werden. Wenn Nutzer weltweit merken, dass Seiten gesperrt werden, was sagt das über die Integrität des Internets aus und die Beziehung des Nutzers zu dem Internet-Server? Deshalb denken wir, dass es auf langer Sicht auch im Interesse der Unternehmen ist.